Welche Ausländer meinen die?

02. April 2012

Nach jahrelangen Integrationsdebatten herrscht bei mir Integrationsfrustration. Auf Deitsch g’sogt: Ich habe die Schnauze voll davon, die „gute“ Ausländerin zu sein, die sich so toll integriert hat. Komplimente für mein gutes Deutsch empfinde ich nach 20 Jahren in diesem Land als Beleidigung. Ich will von der Mehrheitsgesellschaft einfach nicht mehr den Stempel „erfolgreiche Migrantin“ verpasst bekommen. Bei diesem Integrationsgelaber bin ich eine gefühlte Ewigkeit mit dabei. Ich kenne den ganzen Betrieb: Die Podiumsdiskussionen, die TV-Beiträge, die Zeitungsberichte über die sogenannte Elite (biber), die es geschafft hat. Unzählige Versuche waren dabei, zu zeigen, dass Migranten keine Gettoleute sind, die „nix Deutsch“ sprechen. Allen voran solche wie ich, die als Paradebeispiel und Vorführäffchen glänzten.

Warum ich frustriert bin? Weil sich trotz allem im Bewusstsein der meisten Österreicher zum Thema Migration wenig geändert hat.

DIE MEISTEN HAKELN IRGENDWAS, ABER SIE HAKELN

Wenn mal wieder eine Integrationssendung im TV läuft, wo schlechtes Deutsch und nicht integrierte Ausländer das Thema sind, sitzen Leute wie ich vor dem Bildschirm und fragen sich: „Welche Ausländer meinen die?“ Ich kenne nämlich jede Menge Ausländer. Und zwar sicher viel mehr als die Politiker aus diesen Sendungen. Anders als immer wieder dargestellt, kenne ich jede Menge Menschen, die weder schlecht Deutsch reden noch vom AMS leben. Die meisten unserer Eltern haben ihren Kindern eingetrichtert, studieren zu gehen, damit sie es später einmal besser haben werden. Die weniger akademisch angehauchten unter uns haben eine Lehre abgeschlossen, ein Handwerk gelernt. Einige haben sich selbstständig gemacht, Firmen gegründet und sind jetzt ihr eigener Chef. Die anderen hackeln halt irgendwas, aber sie hackeln. (Ausnahmen gibt’s immer, Fans von AMS-Geld haben keine spezielle Herkunft.)

 

STELLT EUCH VOR, WIR KENNEN MEHR ALS EINE SPRACHE

Und vor allem können die meisten von uns Deutsch, obwohl sie in den Öffis mit ihren Landsleuten in der Muttersprache reden. Stell dir vor, liebes Österreich. Wir können nicht nur eine Sprache und suchen uns deshalb aus, in welcher wir kommunizieren. Deshalb bin ich mit meinem Uni-Abschluss nicht Beispiel einer kleinen Elite sondern nur eine von vielen von uns! Trotzdem bleiben wir im Klischee: „Migrant = anders = Sonderling = nicht dazugehörend!“ eingesperrt.

Und dann diese unzähligen Podiumsdiskussionen, die immer wieder veranstaltet werden. Es wird philosophiert, theoretisch analysiert und brav befürwortend geklatscht. Nie sind Leute dabei, die es betrifft. Echt blöd, dass solche Debatten die Betroffenen nie erreichen. Integration muss eben getan und nicht gelabert werden. Und deshalb habe ich auch das Reden satt. Beifall habe ich von Befürwortern für meine integrative Klugscheißerei genug bekommen. Jetzt möchte ich einfach nur mehr als Teil eines multikulturellen Österreichs – mit der Amtssprache Deutsch – gesehen werden.

 

MEIN RESPEKT GILT:

Allen „Neo-Österreichern“, die aus einem fremden Land aus der Armut oder dem Krieg geflüchtet sind und ihren Kindern eine gute Ausbildung ermöglicht haben.

Danke Mama und vielen, vielen anderen!

 

Von Ivana Martinovic

 

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Kommentare

 

Ja, und dann gibt's die, die einem vorwerfen, man würde seine herkunft ausnützen, um goodies o.ä. abzustauben, die es für die "neuen österreicher" gibt, um sie zu integrieren...

 

Vorwürfe sind generell schlecht, besonders índ Verbindung mit einer unausgesprochenen, aber deutlich in den Raum gestellten Unterstellung.

Es gibt manche Spezialitäten für "Nicht-Alt-Österreicher", es gibt "Neue Österreicher", die diese in Anspruch nehmen und es gibt die - aus meiner Sicht - ewig gestrigen (aka "Die Anderen").

Ich meine, viele (möglicherweise nicht alle) dieser Spezialitäten haben durchaus Sinn, und sollten daher auch genutzt werden.

Ausnützer gibts in jeder Couleur...

Ich kenne nur zum Teil die Situation in Österreich, weiss also zB nicht, ob ein Österreicher, der dauerhaft in zB Serbien/Kroatien/Rumänien/... oder Spanien/Italien/Portugal... leben will, auch ähnliche Spezialitäten bekommen kann.

Doch daran, ich im Ausland evetuell eine Sonderbehandlung bekomme oder nicht, daran messe ich nicht die Bedingungen bei uns!

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