Asylwerber: Mythen und Fakten

15. Juni 2015

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Asylwerber
Vieles was Asylwerbern unterstellt wird, können in der Realität nicht Stand halten. Foto: Luca Bruno / AP / picturedesk.com

Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 28.027 Asylanträge gestellt. Heuer sind es bislang 14.225. Zahlen, die für manch einem Einheimischen gewaltig hoch erscheinen. In vielen Internetforen kursieren daher Behauptungen, die Asylwerbern Sozialmissbrauch unterstellen. Der ORF hat daher einen Faktencheck gemacht, um mit Mythen aufzuräumen und Hetzern den Nährboden zu nehmen. 

Dass Flüchtlinge nicht nur auf Akzeptanz, sondern auch auf Ablehnung in der Bevölkerung stoßen gehört zur Realität. Vor allem die Flüchtlingsgegner machen in sozialen Netzwerken ihrem Ärger über Asylwerber Luft, die angeblich unser Sozialsystem schamlos ausnutzen. Nicht selten betreiben User in Internetforen eine massive Hetze gegen Flüchtlinge oder rufen sogar zu Gewalt gegen sie auf.  

Um dieser angespannten Situation entgegenzuwirken, hat orf.at drei häufig geteilte „Memes“, also beschriftete Bilder, die sich gegen Asylwerber richten, einem Faktencheck unterzogen. Da der originale Artikel etwas länger ist, hat sich biber bemüht eine Zusammenfassung des Faktenchecks zu machen.

Geprüft wurden folgende drei Memes, die in ihrem Muster besonders oft in sozialen Netzwerken vorkommen:

1. „Asylanten werden belohnt!“

Ein „Asylant“ (abwertender Begriff) mit sechs Kindern bekäme durch die Grundversorgung 3.355,96 Euro im Monat und werde „für’s Nichtstun“ belohnt. Ein österreichischer Facharbeiter mit drei Kindern bekäme dagegen lediglich 1.671,04 Euro monatlich. Tatsächlich bekommen Menschen in der Grundversorgung 40 Euro Taschengeld im Monat plus Aufwendungen für Versorgung und Unterbringung. Eine siebenköpfige Familie erhält insgesamt 1.217,50 Euro für die Kinder, Nahrung,  Miete, Gewand und Schulbedarf. Vergessen darf man zudem nicht, dass Asylwerber nicht arbeiten dürfen. Laut Innenministerium werden jährlich 200 Millionen Euro für die Grundversorgung ausgegeben. Ein großer Teil geht nicht direkt an die Asylwerber, sondern an die Quartiergeber in organisierten Unterkünften.

2. „Asylanten schmeckt das Essen nicht!“

Zwei Artikel der Kronen-Zeitung mit den Titeln "Wegen Essen und Quartier: Wirbel im Asyl-Zeltlager“ und "Flüchtlinge bewarfen die Polizei mit Essen“, thematisierten einen vermeintlichen Aufstand in einem Linzer Asylwerber-Zeltlager. Demnach haben 50 „randalierende“ Asylwerber einen Aufstand angezettelt, weil ihnen „das Essen nicht schmeckte.“  Der Vorfall hat sich jedoch ganz anders abgespielt. Ein verwirrter Asylwerber drohte damit, sich mit einem Buttermesser umzubringen. Er beschwerte sich bei der Polizei über zu wenig Essen. Drei bis vier von 50 Schaulustigen hätten dem Mann in seiner Kritik Recht gegeben und ihre Lunchpakete in Rage zu Boden geworfen - und nicht auf Polizisten. Der Rest der 50 Menschen habe versucht zu beruhigen oder zugesehen. Zwei Semmeln mit Einlage und ein Stück Obst werden an manchen Tagen am Abend pro Person in der Polizeikantine angeboten. Es gibt erwachsene Menschen, die das satt macht. Es gibt aber auch Erwachsene, die mit dieser Menge an Essen nicht auskommen und hungrig ins Bett gehen. Das Innenministerium betont, dass auch Polizisten die gleiche Menge an Nahrung zustehen würde, betont jedoch, dass die Beamten nach dem Dienst zu Hause noch etwas essen können und einen Snack zur Arbeit mitbringen dürfen. Für Asylwerber ist dies nicht möglich.

3. „90 Prozent der nach Österreich fliehenden Personen sind Männer.“

In einem Meme, macht ein User folgende Aussage: „Ach, Sorgen macht Ihr Euch um Eure Kinder? Dann hab’ ich nur mal eine Frage... Warum seid ihr feigen Dreckschweine dann ohne sie abgehauen?“ Immer wieder werden Zahlen aus der Luft gegriffen, wonach 90 Prozent der Flüchtlinge, die nach Österreich kommen, männlich sind. Das Innenministerium widerlegt diese Behauptung und gibt die Quote mit 76 Prozent an.  Das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR macht darauf aufmerksam, dass eine Flucht zu gefährlich sei. Die Strapazen einer Flucht – teils tagelang ohne Essen und Trinken auszukommen –  können Männer eher überstehen als Frauen und Kinder. Bei Letzteren ist zu dem die Wahrscheinlichkeit höher, Opfer von sexueller Gewalt zu werden. Warum gerade Familienväter ihre Familien im Einflussgebiet des „Islamischen Staates“ zurücklassen und alleine nach Österreich kommen, wie im Internet oft dargestellt, hat laut UNHCR einen einfachen Grund: Der Mann macht sich auf den gefährlichen Weg. Bekommt er einen positiven Asylbescheid, durfte er bis zum „Asylstopp“-Erlass der Innenministerin die Familie nachholen. Dies  muss er zudem selbst finanzieren, aber auf legalem Wege. Auf diese Weise bringen Männer ihre Familie vergleichsweise sicher nach Österreich.

Der ganze Faktencheck: http://orf.at/stories/2283553/2283554/

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