Bosnien: Die Araber Kommen!

02. Februar 2016

Bosnien: Die Araber kommen

 

Sie erbauen Halal-Shoppingzentren, melden über 200 neue Firmen an und erstehen hunderttausende Quadratmeter Land. Die Araber fühlen sich wohl in Bosnien, das angenehme Klima, die vielseitige Landschaft und die muslimische Bevölkerung sagen ihnen zu. Doch welche Konsequenzen hat die steigende Zahl der arabischen Zuwanderer für Bosnien und Europa?

Von Melisa Erkurt

Fotocredits: Amel Emric / AP / picturedesk.com, Marco Mestrovic, bereitgestellt

Meine Tante aus Sarajevo ist gerade zu Besuch bei uns in Österreich. Sie hat ein Haus in Ilidža, einem Vorort von Sarajevo. Sie sagt, sie sei vor dem fürchterlichen Smog geflohen. „Die Leute heizen mit allem Möglichen, vor allem die Araber“, erzählt sie mir. Ich schüttle den Kopf. Von den Arabern reden meine Familie und meine Bekannten aus Bosnien in letzter Zeit oft in diesem anklagenden Ton. „Wie viele luxuriöse Shoppingzentren wollen sie noch erbauen?“, fragt meine Cousine und verdreht die Augen. Tatsächlich gehört das größte Einkaufszentrum der Hauptstadt, „Centar Sarajevo“, die Einwohner nennen es nur „Al-Shiddi“, weil so die Investorengruppe der Saudis, die es erbaut haben, heißt, den Arabern. Meine Familie und viele meiner Freunde und Bekannten aus Sarajevo haben muslimischen Background. Manche von ihnen sind sehr gläubig, andere kaum. Ungeachtet dessen haben alle eine kritische Einstellung zu der wachsenden Zahl an arabischen Zuwanderern in und rund um Sarajevo. Auch ich bemerke bei jedem Heimaturlaub von Mal zu Mal mehr vollverschleierte Frauen in schwarz und Männer mit Vollbart. Die Touristen scheinen genauso erstaunt wie ich. Das wurde nicht in ihrem Reiseführer erwähnt, in dem Bosnien als modernes Land angepriesen wird.

Kommen, um zu bleiben

„Wenn die Zahl der Touristen zurückgeht, haben wir das ihnen zu verdanken“, sagt Edin. Wieder sind die arabischen Zuwanderer gemeint. Edin ist Touristenführer und fürchtet um sein Geschäft. „Die Touristen werden glauben, dass Bosnien ein konservatives Land ist, dabei sind es die Araber, die versuchen das aus unserem Land zu machen.“ Um genau zu sein, sind es vorwiegend Kuwaitis, Saudis und Kataris. Sie kommen zwar als Touristen - das geht leicht, weil sie kein Visum brauchen -  sind aber nicht an Sightseeing interessiert. „Ich habe das Gefühl, sie kommen, um sich nach einer guten Lage für Investitionen umzuschauen“, sagt er. „Immer mehr von ihnen bleiben, eröffnen eigene Geschäfte und Cafés. Alkohol wird natürlich weder ausgeschenkt noch verkauft, auch nicht in den Shoppingzentren“, ergänzt er.

Bosnien: Die Araber kommen
Villen der Araber
Da nur registrierte Firmen Land kaufen dürfen, stammen alleine aus Kuwait 232 in Bosnien neu angemeldete Firmen. Ein kuwaitischer Investor will am Berg Igman um zwei Milliarden Euro einen futuristischen Stadtteil für 40.000 Einwohner unter dem Namen "Nova Ilidža" erbauen. Der kuwaitische Botschafter hat sich bereits seine Privatresidenz in Ilidža einrichten lassen, berichtet auch der Kurier in einer großen Bosnien-Reportage.

Das Feld räumen

Wer nicht so viel Geld hat, findet einen anderen Weg, eine Firma anzumelden. Eine Bekannte aus Sarajevo hat letzte Woche einen Katari geheiratet. Er möchte eine Firma in Sarajevo gründen, auf den Namen seiner Ehefrau. Die beiden kennen sich erst seit ein paar Monaten. Auf der Hochzeit durfte sie männlichen Gästen kein Bussi zur Begrüßung geben, nicht einmal ihren Verwandten - das hat ihr ihr Mann verboten. Auch mit meiner Tante wollen Kataris Geschäfte machen. Zwei Studenten aus Katar haben sie gefragt, ob sie ihnen ihr Haus auf Ilidža vermieten würde. Meine Tante überlegt, den Vorschlag anzunehmen. Wohl fühlt sie sich in ihrer Siedlung sowieso nicht mehr. Die Mehrzahl ihrer Nachbarn sind mittlerweile Araber. „Sie versuchen nicht einmal Bosnisch zu lernen und bleiben nur unter sich“, erzählt meine Tante. Die Männer schauen meiner Tante nicht ins Gesicht, ignorieren sie. Die Frauen verlassen ihre Häuser nur selten. „Keine Ahnung, ob ich für sie das Feld räumen soll“, sagt meine Tante.

Big Business

Andere haben sich längst auf Geschäfte mit den reichen Emiratis eingelassen. Nedim* ist der persönliche Chauffeur einer arabischen Familie. Er fährt sie durch ganz Bosnien, damit sie die Landschaft erkunden können. Nedim hat für die arabische Familie sogar ein Haus auf seinen Namen gekauft, da diese als offizielle Touristen kein Grundstück erwerben dürfen. Sie gaben ihm das Geld bar, er kaufte das Haus. Dieses Business hat sich unter den Bosniern rumgesprochen, so ist Nedim nicht der einzige, der auf seinen Namen ein Haus für Araber kauft und eine Provision einsteckt.

Bosnien: Die Araber kommen
Die Balance zwischen Weltlichen und Geistlichen war in Sarajevo bisher ausgeglichen.

Nedim weiß auch, wieso es seinen neuen Mitbürgern so gut in Bosnien gefällt: „Die Araber lieben das angenehme Klima und die vielseitige Landschaft Bosniens. Bei uns können sie entspannen und trotzdem wie zuhause in die Moscheen gehen und unter sich bleiben.“

Die Schattenseiten

Vor allem die Mittelschicht kommt ins günstige Bosnien und residiert dann dort wie die Schönen und Reichen aus Beverly Hills. Angelehnt daran haben Araber 180.000 Quadratmeter auf den Berghängen von Sarajevo erstanden. 214 Luxusvillen sollen in „Poljine Hills“ entstehen. Zum Vergleich: Das Monatseinkommen eines bosnischen Arztes liegt bei ungefähr 400 Euro. Junge Erwachsene leben mit 30 noch bei ihren Eltern, weil sie sich keine eigene Wohnung leisten können. Die Bosnier müssen einen Kredit aufnehmen, wenn sie einen neuen Kühlschrank brauchen.

Doch nicht für alle lohnt sich das Geschäft mit den Arabern. Lejla*, die Besitzerin eines kleinen Ladens in Sarajevos Altstadt, in dem sie ihr handgemachtes Kaffeezubehör verkauft, ist verzweifelt: „Die arabischen Touristen haben keinen Respekt vor meiner handgefertigten Ware. Sie feilschen und bieten viel zu wenig. Sie sagen, meine Ware wäre nicht so viel wert. Wenn die arabischen Touristen die anderen Touris verdrängen, kann ich zusperren, ich lebe von den Einnahmen der internationalen Touristen, die Araber bringen mir nichts.“

Angst um die alte Heimat

Es scheint, als gäbe es in Sarajevo zurzeit kein anderes Thema als die arabischen Zuwanderer: „Hast du das von Adin gehört? Er lässt sich von den Saudis bezahlen. Für jeden Zentimeter, um den er seinen Bart wachsen lässt, bekommt er Geld.“ „Amelas Tochter hat einen Araber geheiratet. Jetzt ist sie vollverschleiert und darf nicht einmal mit ihrem eigenen Bruder in einem Zimmer sein.“ Anfangs habe ich solche Geschichten belächelt. Ich habe die Situation in meiner alten Heimat nicht derart kritisch eingeschätzt. Aber es ist einfach aus dem reichen, sicheren Österreich hinweg zu urteilen. Mein Cousin, ein Anwalt, verdient nicht mehr als ich bei einem Studentenjob auf geringfügiger Basis im Verkauf verdient habe. Aber er ist froh überhaupt einen Job zu haben, schließlich liegt die Arbeitslosenquote in Bosnien bei über 40 Prozent. Die Mehrzahl davon sind junge Leute zwischen 20 und 30. Bosnien ist damit ein Nährboden für Radikalismus. Die Menschen sind frustriert, enttäuscht, haben keine Perspektive. Edin wagt einen erschreckenden Blick in die Zukunft: „Dass Serbiens EU-Beitritt verhandelt wird und Bosnien wieder außen vor bleibt, war wie ein Schlag ins Gesicht. Die reichen Araber investieren als einzige in unser Land, sonst will uns ja keiner. Es ist leider nur eine Frage der Zeit, bis das Konsequenzen haben wird – und dann nicht nur für Bosnien, sondern für ganz Europa.“

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Von Jahr zu Jahr prägen immer mehr vollverschleierte Frauen das Stadtbild Sarajevos.

 

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