„Du willst doch kein Mannsweib sein!“ - Frauen im Bodybuilding.

14. November 2023

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(C) Zoe Opratko

Aufgepumpte Muskeln, braun angemalte Körper, Posen, was das Zeug hält: Bodybuilding wird oft als reine Männersportart gesehen. Dabei gibt es immer mehr Frauen, die sich für diesen Sport begeistern . Stipendiatin Tana Badić war bei den österreichischen Body-Building-Meisterschaften und hat mit den Sportlerinnen über Trainingspläne, Meal-Prep, Weiblichkeit, Körperbilder und die schiefen Blicke von Außen unterhalten.   

Von Tana Badić, Fotos: Zoe Opratko

Backstage laufen die letzten Vorbereitungen, die Wände und sogar die Kloschüsseln sind allesamt mit Folie abgedeckt, damit die braun angemalten Körper der BodybuilderInnen nicht darauf abfärben. An jeder Ecke wird Posen geübt, Lächeln geprobt, Muskeln aufgepumpt und der letzte Batzen Farbe wird auf den Körper geschmiert, bevor es auf die Bühne geht – die Farbe ist da, damit die Muskeln sich besser präsentieren. Starkes Make-up, gestylte Haare, ganz viel Glitzer am Outfit. Die eine durchtrainierter als die andere. Reine Muskelmasse, herausstechende Adern und die Haut so glatt wie ein Baby-Popo. Für viele in der heutigen Gesellschaft ein No-Go. Frauen sollen sportlich und gesund sein. Aber Bodybuilding? Das ist schon zu viel. Das ist nicht mehr schön, heißt es. An diesem Punkt ziehen viele die Grenze, wenn es um die Frage geht, was Weiblichkeit und Schönheit definiert. Die Athletinnen selbst sehen das jedoch anders. Sie zelebrieren ihren Körper, ihre Figur und den Sport. Denn genau darum geht es heute bei den österreichischen Meisterschaften im Bodybuilding im 15 Wiener Gemeindebezirk.

„Bodybuilding war immer ein Männersport“

Dass Frauen in diesen Sport gehören, weiß auch Jörg Kapfer. Er ist Präsident der International Fitness und Bodybuilding Federation (IFBB) Austria und organisierte die diesjährigen Österreichischen Meisterschaften, bei denen rund 100 Athletinnen und um die 500 ZuschauerInnen teilgenommen haben. Der Präsident des österreichischen IFBB-Verbandes bestätigt die steigende Popularität des Sports vor allem auch bei Frauen. „Bodybuilding war immer ein Männersport, er wurde ja als Männersport geboren. Aber Frauen haben in den letzten Jahren durchaus ihre Daseinsberechtigung bekommen. Ich denke wir sind da schon längst bei 50/50 angekommen.“

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Frauen sind mittlerweile fester Bestandteil im Bodybuilding. (C) Zoe Opratko

„Das ist nicht mehr schön“

Trotz großer Begeisterung von VeranstalterInnen, TeilnehmerInnen und ZuschauerInnen für die Teilnahme von Frauen in dem Sport, trifft man von Außen nicht selten auf Skepsis und Ablehnung.

 „Du bist zu männlich. Du hast zu viele Muskeln. Das ist nicht mehr schön“, muss sich die 29-jährige Jennifer Zinhobl immer wieder anhören. Zum Bodybuilding kam sie über ihren Freund. Was zuerst mit einem Fitnessstudio-Abo anfing, endete schließlich mit der aktiven Teilnahme an einem Leistungssport. Es reizte sie die Auseinandersetzung mit Körper und Psyche. „Schaffe ich das? Habe ich die Disziplin dafür? Wie weit kann ich mit meinem eigenen Körper und auch meiner Psyche gehen?“ Solche Fragen bewegten die ehemalige Fußballspielerin zum Bodybuilding. Dass sie auf Ablehnung stoßen wird, war ihr irgendwo auch bewusst. „Als Frau wird man der Gesellschaft nie gut genug werden. Egal ob du zu dünn bist, zu dick, zu viele Muskeln hast, zu wenig; zu groß oder zu klein bist.“, erklärt Jennifer. Die Männer haben es diesbezüglich sicherlich einfacher, meint sie. Auch in der Off-Season, wenn man etwas mehr Speck und Wasser am Körper hat, wird dies bei den Männern noch mehr akzeptiert, als bei Frauen.

„Ge, du willst doch nicht ausschauen wie ein Mannsweib“

„Ge, du willst doch nicht ausschauen wie ein Mannsweib“, solche Kommentare muss sich Arabella Pusch-Wagner immer wieder anhören. Die zweifache Mutter wollte schon immer als Bodybuilderin auf die Bühne. Größtenteils bekam sie Unterstützung und positives Feedback von ihrem Umfeld, jedoch war sie in ihrer Bodybuildinglaufbahn hin und wieder auch mit Skepsis konfrontiert. „Es gibt immer wieder Reaktionen wie: Wieso tust du dir das an? Das ist doch nicht schön. Eine Frau gehört nicht in diesen Sport“, erzählt die junge Mutter. Das stört die Wienerin aber nicht, es ist ihre Leidenschaft, die große Liebe, erklärt sie lachend.

Dass ihre große Liebe sehr viel Zeit und Energie in Anspruch nimmt, vor allem neben zwei Kindern, bestreitet die junge Frau nicht. „Der Sport ist sehr zeitintensiv. Vor allem ist die richtige Ernährung einer der wichtigsten Faktoren“, erklärt Arabella. Meal Prep ist absolute Voraussetzung für eine erfolgreiche Wettkampfvorbereitung. Dazu gehören sehr trockene und abwechslungsarme Mahlzeiten mit unverarbeiteten Lebensmitteln, wie Reis und Nudeln, Hühnchen, Haferflocken oder auch Magerquark. Der Fokus dabei ist, besonders wenig Kohlenhydrate und viele Proteine zu sich zu nehmen. Arabella muss daher jeden Abend vorkochen, manchmal auch mehrere Gerichte – weil ihre Familie auch mal etwas anderes isst, als das, was auf Arabellas Ernährungsplan steht.  Der Alltag muss auf das Trainingsprogramm abgestimmt sein, Flexibilität und Spontanität werden zu Fremdwörtern. Arabella erklärt, dass viele, die Bodybuilding wettkampftechnisch betreiben, oft schon nach einer Saison merken, dass der Sport in dem Ausmaß gar nichts für sie ist. Sie meint, dass müsse jeder für sich selbst herausfinden. „Aber wenn man’s liebt, dann wird man regelrecht süchtig danach.“

Weiblicher denn je

„95% meines Alltags drehen sich um Bodybuilding“, erzählt Romana Tondl. Die 27-Jährige spezialisiert sich auf die Physique Klasse (Anm.: Kategorie, die sich auf eine starke Muskulatur fokussiert, aber dennoch sportlich und ästhetisch ansprechend wirkt ). Auch sie startete mit Home-workouts und Fitnessbesuchen, bis sie die Leidenschaft für den Sport entdeckte. Mit Hatern hatte sie in ihrer Bodybuildingkarriere nicht viel zu kämpfen. Über Kommentare wie „Du siehst ja gar nicht mehr aus wie eine Frau“, kann die junge Sportlerin nur lachen. Ganz im Gegenteil, meint Romana: „Weiblichkeit geht beim Bodybuilding definitiv nicht verloren. Ich bin durch diesen Sport auch als Frau extrem gewachsen.“ Sie habe ihren Körper neu kennengelernt; Ihn zu schätzen und lieben gelernt, erklärt sie. Denn erst jetzt merkt sie, was ihr Körper tagtäglich leisten kann, trotz ständiger Quälerei.

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"Weiblichkeit geht im Bodybuilding definitiv nicht verloren." (C) Zoe Opratko

Was sie so großartig am Bodybuilding findet, ist, dass es für jeden Körpertypen eine eigene Klasse gibt. Dabei werden dann die Trainingspläne und die Ernährung an deine Klasse angepasst. Das Posing sowie die Bewertungskriterien variieren dann auch je nach Kategorie. „Es ist einfach sehr gut konzipiert, weil es für jeden Körpertypen eine Klasse gibt. Dadurch kannst du dir einfach eine Kategorie aussuchen, zu der du nicht nur körpertechnisch passt, sondern mit der du dich auch persönlich identifizieren kannst“, erklärt die junge Wienerin.

Keine Männer in Frauenkostümen

Auch Kira Baumgartner stimmt der Vielseitigkeit des Sports zu. „Dadurch, dass es so viele Klassen gibt, kann man eine Kategorie wählen, die auch dem eigenen Schönheitsideal entspricht.“, erläutert die 25-jährige Wellness-Bodybuilderin (Anm.: Kategorie, die auf eine stark ausgeprägte Muskulatur im Unterkörper zielt). Bodybuilding heißt eben nicht nur : je mehr Muskeln, desto besser. Die Wienerin meint ,es komme dadurch oft auch zur Verwirrung, wenn Leute erfahren, dass sie Bodybuilding mache. Dann kämen Aussagen wie: „Boah, du hast jetzt aber gar nicht einmal die so argen Muskeln.“ Kira erklärt: „Das hängt damit zusammen, dass einfach viele diese typischen Bilder der Oldschool Bodybuilder im Kopf haben. Komplett aufgeblasen, vollgestopft mit Anabolika, und bei Frauen eben auch ein äußerst vermännlichtes Erscheinungsbild.“

Damit solche Bilder vermieden werden, wurden die verschiedenen Klassen über die Jahre ausgewechselt und angepasst. Beim Frauen-Bodybuilding soll es primär um Schönheit und Ästhetik gehen, mein Jörg Kapfer. So wurde zum Beispiel die damalige Bodybuilding Kategorie für Frauen vollkommen aufgelöst. „Es war leider so, dass in der Frauen Kategorie Bodybuilding manche Teilnehmerinnen schon so vermännlicht ausgesehen haben, dass die IFBB gesagt hat, das wollen wir nicht mehr sehen. Wir wollen keine Männer in Frauenkostümen auf Bühnen sehen“, erklärt der Präsident der IFBB Austria. Die Teilnehmerinnen sollen daher durchaus viele und definierte Muskeln haben, aber die Weiblichkeit soll noch immer einen wesentlichen Faktor einnehmen.

Gleicher Sport – Ungleiche Kritik

Ein wesentlicher Diskussionspunkt für Kira ist auch, dass im Vergleich zu den Männern Frauen sicherlich mit mehr Kritik zu kämpfen haben. Vor allem der gesundheitliche Aspekt wird bei den Männern nicht so intensiv wie bei den Frauen thematisiert. „Bei Frauen heißt es immer gleich: Hast du nicht Angst, dass du keine Kinder mehr bekommen kannst? Es wird einem immer vorgeworfen, wie ungesund der Sport für den Körper sei“, erzählt die 25-Jährige. Das mögliche Ausbleiben der Periode in der Wettkampfszeit ist ein Beispiel für solche gesundheitlichen Folgen. Dadurch wird der gesundheitliche Aspekt bei Männern zumindest hormonell gesehen nicht so negativ diskutiert. „Aber es ist der gleiche Sport und beide Geschlechter setzen ihren Körper Extremsituationen aus. Und ich finde es schade, dass es bei Männern dann doch irgendwie lockerer gesehen wird als bei Frauen“, berichtet die Wellness-Bodybuilderin.

Dass Bodybuilding nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist und man sich mit gesundheitlichen Fragen auseinandersetzen muss, bestreitet die junge Frau aber nicht. Jedoch betont sie, dass man auch in anderen Sportarten seinen Körper und seine Gesundheit an die Grenzen treibt. „Das gehört zum Leistungssport dazu. Und nur weil man nicht einen Marathon läuft oder einen Kampf hat, sondern im Glitzerbikini auf der Bühne steht, heißt es nicht, dass es kein Leistungssport ist.“

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Wellness-Bodybuilderin Kira Baumgartner beim Posing üben. (C) Zoe Opratko

 

Infobox:

Bodybuilding ist eine Sportart, die darauf abzielt, den Körper aktiv zu formen. Dabei geht es im Bodybuilding grob gesagt um die Verbesserung von Schönheit, Gesundheit und der Kraft des Körpers. Der Fokus liegt dabei auf dem gezielten Aufbau von Muskelmasse durch Krafttraining. Bodybuilding unterscheidet sich von anderen Kraftsportarten aufgrund dessen, dass vor allem auf ein gewisses ästhetisches Aussehen hintrainiert wird, statt auf eigentlichen Kraftaufbau.

Bodybuilding wurde erstmals 1881 vom Amerikaner Robert J. Roberts erwähnt. Dieser den Sport als Turnunterricht, welches an das heutige Fitnesstraining erinnert. 1901 kam dann der erste Wettbewerb der das modernen Bodybuilding ins Leben ruft. Der Engländer Eugen Sandow konzipierte den Sport, so wie wir ihn heute kennen. Bodybuilding war Jahrzehnte lang ein reiner Männersport. In den 1970er Jahren konnten dann auch erstmals Frauen an diesem Sport teilnehmen.

Im Rahmen von Bodybuilding-Wettkämpfen präsentieren die TeilnehmerInnen ihren Körper in vorgeschriebenen Posen. Dabei gibt es mehrere Kategorien, die jeweils andere Bewertungskriterien und einen anderen Fokus haben. So wird bei manchen zum Beispiel mehr auf einen definierten Oberkörper oder Unterkörper geschaut, während bei Anderen einstudierte Küren bewertet werden. Eine Jury vergleicht und bewertet die gezeigten Leistungen. Bewertet werden unter anderem gesamte Muskulosität, Symmetrie der Muskelausprägungen, Proportionen, Präsentation und Ästhetik. Ein besonderes Merkmal von BodybuilderInnen bei Wettkämpfen ist die braungefärbte Haut. Dies dient vor allem, dass die Konturen des Körpers besser zur Schau kommen und dadurch die Muskeln sichtbarer werden. Außerdem schafft es gleiche Voraussetzungen zwischen den TeilnehmerInnen und schafft somit einen besseren Vergleich.

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