Erst Deutschland, bald Österreich: Aus für offene Grenzen

13. September 2015

Das freundliche Durchwinken tausender Flüchtlinge nach Deutschland hat ein Ende. Die deutsche Bundesregierung stoppte gestern die Zugverbindungen von Österreich nach Deutschland und kündigte die Einführung von Grenzkontrollen an. "Wir schaffen es doch nicht", kommentierte die Süddeutsche Zeitung den Schwenk Deutschlands in der Flüchtlingspolitik. Nur wenige Tage zuvor hatte Angela Merkel Kritik an ihrer offenen Politik gegenüber syrischen Flüchtlingen noch mit einem selbstbewußten "Wir schaffen das" beantwortet. Offenbar eine Fehleinschätzung der deutschen Bundeskanzlerin. Deutschland wird nicht alle Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen können und schon gar nicht all jene Menschen aus Afghanistan, Somalien oder dem Irak, die oft genauso guten Gründe hatten, aus ihrer Heimat zu flüchten. 

Nach einer Krisensitzung im Bundeskanzleramt kündigte auch die österreichische Regierungsspitze baldige Grenzkontrollen an der österreichisch-ungarischen Grenze an. Wie diese erfolgen werden und ob neben der Exekutive auch das Bundesheer an der Grenze zu einem "Assistenzeinsatz" gerufen wird, ist offen. Klar ist, dass Österreich dringend das Signal an die - arabische - Welt aussenden muss, ebenfalls einen Kurswechsel zu vollziehen, sagte Außenminister Sebastian Kurz gestern Abend in der ORF-Sendung "Im Zentrum". Der Außenminister warnte davor, dass Österreich ansonsten innerhalb weniger Tage mit dem Zustrom tausender Flüchtlinge überfordert wäre, sobald Deutschland diese nicht mehr aufnimmt. 

Um es kurz zu sagen: Das Sommermärchen hat mit Herbstbeginn ein Ende. Österreich kann durchaus stolz auf seine tausenden Helfer sein, die Flüchtlinge versorgen und unterstützen, wir können stolz sein auf die ÖBB, die Caritas und viele anderen Organisationen (ja auch die Polizei macht am Westbahnhof und in Nickelsdorf einen guten Job) aber es wird Zeit neben dem Herz auch den Verstand zu aktivieren. 

Zwar sind Österreich und Europa derzeit noch weit davon entfernt, mit der bisherigen Anzahl von Flüchtlingen überfordert zu sein. Konkret rechnet Österreich mit 30.000 anerkannten Flüchtlinge im Jahr 2015. Das und wesentlich mehr ist wirklich zu schaffen. Und jeder der etwas anderes behauptet, soll dies bitte jenen Eltern sagen, die seit Tagen ihre Kinder durch halb Europa tragen. 

Aber selbst bei der Aufnahme von einer, zwei oder drei Millionen Flüchtlingen in Europa werden wir noch immer nicht all jene aufgenommen haben, die es verdient hätten. Österreich und Europa wird also überlegen müssen, wie wir in Zukunft weniger willkürlich und schwankend in der Flüchtlingspolitik agieren. Es kann nicht sein, dass nur die "Schnellen" das Rennen machen und wenige Tage darüber entscheiden, ob jemand in Deutschland oder Österreich bleiben darf. Wir werden zudem nicht mehr wie bisher bei der Flüchtlingshilfe in den Nachbarländern der  Krisenregionen sparen dürfen. Und wir werden entscheiden müssen, wie viel Wohlstand und Raum wir wirklich mit "Fremden" zu teilen bereit sind. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Kommentare

 

Lieber Simon, Im Zentrum war auch eine Analyse der Nahost-Expertin Karin Kneissl über Integration und die konservativ-ländliche Herkunft der jetzigen syrischen Asylwerber (Stichwort: "der syrische Arzt ist die kleine Minderheit")?

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