„Ich bekomme jedes Mal einen kurzen Herzklopfer, wenn ich die Polizei sehe.“

02. Juni 2020

naomi.jpeg

#blacklivesmatter
Foto: Tokia Hope Carter

Durch den Fall George Floyd beschäftigen die amerikanische Polizeigewalt, struktureller Rassismus und #blacklivesmatter gerade die ganze Welt. Aber wie sieht es in Österreich aus? Am besten können das Menschen beantworten, die selbst Teil der Community sind. Wie die Journalistin Imoan Kinshasa. 

Was sagst du zu der jetzigen Situation in Amerika? Wie geht es dir dabei?

Für mich ist das sehr belastend. Diese Leute sollten uns beschützen, aber sie beschützen eben nicht alle. Es ist triggernd, weil viele Menschen glauben, dass das in Österreich nicht passiert. Diese Bilder, die gerade in den Medien kursieren, erinnern uns an unser eigenes Schicksal. Die Willkür der Polizei ist gerade durch Corona sichtbarer geworden und hat nicht mehr nur uns, sondern auch einen Hans Müller betroffen. In Österreich sterben zwar nicht so viele an Polizeigewalt, jedoch hat man aufgrund seiner Hautfarbe immer Angst in etwas verwickelt zu werden.

Was für Parallelen siehst du in Österreich im Umgang der Polizei mit People of Colour? Gibt es auch Unterschiede im Vergleich zu Amerika?

Es gibt natürlich Unterschiede zwischen Österreich und den USA. Die Geschichte der Schwarzen Menschen in Amerika beruht auf Sklaverei und Ausbeutung. In Österreich gibt es bestimmt gewisse moralische Grenzen, aber Schwarze Menschen werden hier auch von der Polizei schikaniert. Es gibt nur weniger Todesopfer.

In was für Situationen erlebst du alltäglichen Rassismus?

Mir passiert das oft. Ich werde zum Beispiel bei Zugfahrten eher kontrolliert, als meine weißen Freunde, beim Donauinselfest hat man meinen damaligen Freund und mich beim Eingang stark gemustert und uns den Weg versperrt, bis wir begonnen haben, im Dialekt zu sprechen. Wenn ich in größeren Gruppen an bestimmten Orten Wiens unterwegs bin, müssen wir ständig Angst haben, von der Polizei kontrolliert zu werden. Ein Freund, der Anzug getragen hat, wurde im ersten Bezirk angesprochen, ob er Drogen verkauft. Man will mit jedem Mittel verhindern in Kontakt mit der Polizei zu kommen, weil man ständig kontrolliert wird, ohne etwas getan zu haben. Das geht bei der Kleiderwahl weiter. Mein arabischer Ex-Freund hat zum Beispiel keine Camouflage Hosen getragen, da dies zu aggressiv wirkte. Ich bekomme jedes Mal einen kurzen Herzklopfer, wenn ich die Polizei sehe, weil ich ihnen nicht begegnen möchte.

Wirst du am Freitag an der #blacklivesmatter Demo teilnehmen? Warum ist es wichtig dafür auf die Straße zu gehen?

Ja, wir haben auch im Zuge der Demo eine Plattform gegründet, um nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft Rassismus und strukturelle Gewalt zu bekämpfen. Mit „blacklivesmattervienna“ wollen wir unsere Solidarität zeigen und Rassismus gegen Schwarze Menschen in Wien bekämpfen.

Was können deiner Meinung nach weiße Menschen im Kampf gegen Rassismus machen? Wie können sie ihre Solidarität zeigen, obwohl sie selbst nicht direkt davon betroffen sind?

Das Wichtigste ist: Zuhören. Viele Schwarze Menschen sind still und sagen nichts, weil sie ihre Beziehungen nicht gefährden wollen. Genau diesen Menschen sollte man eine Stimme geben. Dabei sollte man sich nicht vor uns, sondern hinter uns stellen. Uns unterstützen, aber uns nicht „retten“ wollen. Das Wichtigste ist, dass man die AktivistInnen unterstützt, die ehrenamtliche, unbezahlte Arbeit machen.

Es gibt weiße Menschen, die sehr bemüht sind. Man sollte auf jeden Fall den Hashtag nun nicht nur posten, um dabei zu sein, sondern sich aktiv mit den eigenen Privilegien beschäftigen. Wenn man uns unterstützen möchte, sollte man es wirklich, wirklich ernst meinen.

Was unternimmt die Politik gegen diese Formen von Rassismen? Hättest du konkrete Änderungswünsche für bestimmte Gesetze?

Rassismus ist ein System und die Politik muss eben genau dies reflektieren. Unter dem jetzigen Bundeskanzler wird das aber nicht passieren. Wichtig wäre, dass People Of Colour mehr juristischer Rückhalt zugesprochen wird. Die Diskriminierung hört nicht bei der Verwendung des N-Wortes auf. Die Politik sollte nicht auf unserem Rücken Wahlkampf betreiben und sich mit Schwarzen Menschen schmücken, ohne ihnen selbst eine Stimme zu geben.

Beeinflusst deine Hautfarbe auch deine Arbeit als Journalistin?

Bei Umfragen auf der Straße ist es mir schon öfters passiert, dass mir Menschen nicht geglaubt haben, dass ich eine Journalistin bin. Sonst halte ich mich von Medien fern, wo ich weiß, dass es Probleme geben könnte. Mich stört, dass immer so viel über uns geredet wird, anstatt dass wir selbst zu Wort kommen können. Wie Kinder, die daneben sitzen während der Vater zur Mutter sagt, dass die Kleinen noch draußen spielen möchten, obwohl man selbst viel lieber fernsehen will.

Wer: Imoan Kinshasa
Background: Tochter eines Kongolesen und einer Deutsch-Tschechin
Besonderes: Engagiert sich als Aktivistin auf Instagram: Imoankinshasa/blacklivesmattervienna und schreibt unteranderem für das Augustin und Vice.

Blogkategorie: 

Das könnte dich auch interessieren

Foto: Zoe Opratko
Zum Abschied gibt es kein Trompeten­...
Foto: Marko Mestrović
Ob Hijabi-Style, koschere Perücken oder...
Foto: Marko Mestrović
Nicht über die Communitys zu sprechen,...

Anmelden & Mitreden

3 + 0 =
Bitte löse die Rechnung