"Sine moj": Warum Töchter in Jugofamilien nicht existieren

08. August 2019

Werden Söhne in den Familien aus Ex-Jugoslawien bevorzugt? Glaubt man Instagramseiten wie “Balkan Memes” dann ist die Antwort „Ja!“. Über die Rollenverteilung in den Familien, verwöhnte Söhne und was das mit den Mädchen macht.


“Bist du dir sicher, dass du mit dem Auto fahren willst?” oder “Du bist immer nur unterwegs und nie zu Hause.“ Solche Fragen und Vorwürfe muss ich mir bis heute von meinen Eltern anhören. Und ich bin nicht alleine. Auch Kinder aus österreichischen Familien kennen die elterlichen Vorwürfe. Der Unterschied: Ich muss mir das als Tochter in einer Jugofamilie anhören. Bei "uns" wird nämlich der Mann mit Kritik ausgespart. Versteht mich nicht falsch - Ich liebe meine Eltern. Sie unterstützen mich auf jeder möglichen Ebene - sei es emotional, persönlich oder akademisch. Spüre ich trotzdem einen Unterschied bei der Erziehung zwischen mir und meinem Bruder ? Ja. 

Zuerst dachte ich mit diesem Gefühl alleine zu sein und schob es eher darauf, dass ich zu sensibel bin. Bis ich auf die Instagramseite „Balkan Memes“ stieß. Dort wird genau diese Bevorzugung à la Jugo humorvoll behandelt. Trotzdem behandeln die Memes gesellschaftlich relevante Themen. Lustiger Vordergrund, nicht so lustiger Hintergrund.

Balkan Memes, Sohn, Bevorzugung, Jugo Familie
Foto:Screenshot von Balkan_Memes
Balkan Memes, Sohn, Bevorzugung, Jugo Familie
Foto: Screenshot Balkan_Memes Instagramseite

„Er mag Schnitzel – also gibt es Schnitzel.“

„Der arme Darko kommt grad vom Zivildienst nach Hause, er ist bestimmt erschöpft. Ich mache ihm Schnitzel, die mag er so gern.“ , denkt sich Darkos Mama. Wenn Nada von der Arbeit nach Hause kommt, hört sie von ihrer Mutter nur: „Du hättest dir doch auch einfach was von McDonalds holen können.“ Unter Jugos wird immer mehr an die Eigenständigkeit der Frau appelliert, der Mann hingegen wird bemuttert und stellt eine passive Person da. 

Branka hatte es nicht so leicht wie Darko - „Mein Bruder konnte einfach jeden Tag fortgehen schon mit 16 Jahren, ohne Probleme. Ich war mal drei Tage hintereinander was trinken und mir wurde unterstellt, ich sei eine Alkoholikerin.“, klagt Branka. Die klassischen Geschlechterrollen – die Frau bleibt zuhause und der Mann ist unterwegs und verdient Geld – sind nach wie vor in vielen Familien aus Ex-Ju in Österreich omnipräsent.

„Um dich mach ich mir keine Sorgen“

Das paradoxe an der ganzen Sache. Die Frauen sind daran schuld, nämlich unsere Mütter, die ihre Söhne auf Händen tragen. Nada dazu: „Ich mache viel im Haushalt. Das ist eh selbstverständlich. Ein „Danke“ hör ich nicht. Ich werde eher darauf hingewiesen, wenn ich mal was vergesse.“ Wenn Nadas Bruder einmal den Besen schwingt oder den Müll rausbringt, verfällt ihre Mutter in einen Freudenanfall. 

Es gibt in jeder Familie unterschiedliche Dynamiken. In Ex-Ju-Familien gibt es aber eine Konstante. Egal ob die Eltern Akademiker oder Hilfsarbeiter sind – von den Töchtern wird immer mehr erwartet als von den armen Jungs. Väter argumentieren häufig: „Wir wollen nur das Beste für dich.“ Ich, 23, abgeschlossenes Studium, weiß scheinbar nicht was das Beste für mich ist und die Eltern handeln aus einer Fürsorge heraus, die in Vorwürfen realisiert wird. 

Auf diese Ungleichheit angesprochen, reagieren die meisten Jugo-Väter oder Mütter gleich. Die Aussagen Nadas und die meiner Mutter sind ident: „Du findest deinen Weg. Bei dir mach ich mir keine Sorgen, du machst das schon.“ Das kann man in zwei Richtungen verstehen. Zum einen: Die eigene Erziehung der Eltern ist daran schuld, dass ihr Sohn unselbstständig ist und mehr Zuwendung braucht. Zum anderen: wissen die Eltern, wie stark und eigenständig die Tochter ist, und erwarten deswegen mehr von ihr. Ein bisschen wie mit einem starbesetzten Blockbuster-Film: Wenn man den anschauen geht, erwartet man viel und kritisiert jede Kleinigkeit. 

Vielleicht ist das alles wie ein Bootcamp, das uns auf unsere Zukunft und Rolle als Mutter vorbereiten soll. Nur, dass wir uns nicht dafür angemeldet haben. Das Gute an Bootcamps: es ist zwar anstrengend, aber man kommt gestärkt raus.

Hvala mama i tata!

 

*für alle Nicht-Jugos: Sine heißt auf Bosnisch/Kroatisch/Serbisch Sohn. Töchter werden trotzdem auch so angesprochen.

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