Leben statt überleben - die Proteste in Bosnien und Herzegowina gehen weiter

10. Februar 2014

Die Proteste in Bosnien und Herzegowina gehen weiter. Während es am Freitag zu Ausschreitungen in mehreren Städten kam, verliefen die Protestansammlungen am Wochenende und heute friedlich. Bis zur Auflösung der Regierung und der Erfüllung aller gestellten Anforderung für eine bessere Zukunft sind weitere Proteste angekündigt worden.

 

ausgebranntes Präsidium in Sarajevo

 

Um 13.00 Uhr versammelten sich heute rund 300 Bewohner Sarajevos vor dem am Freitag ausgebrannten Präsidium. Sie fordern einen Rücktritt der gesamten Regierung in der Föderation Bosnien und Herzegowinas*.

 

 

 

 

 

 

 

 

Bekir Djedovic ist pensionierter Offizier des ersten Korpus der Bosnischen Armee. Er fordert nicht nur den Rücktritt der gesamten

Regierung sondern auch die Auflösung der Entitäten und politischen Bezirke. „Ich habe all die blinden und tauben Politiker satt, ich bin zwar gegen jede Art von Gewalt und finde es unmöglich, dass irgendwelche Kinder am Freitag Gebäude und Archive von unschätzbarem Wert zu Nichte gemacht haben, aber anscheinend hört dem Volk kein Politiker anders zu. Deshalb stehe ich heute auf der Straße und werde nicht aufgeben ehe sich für alle etwas ändert.“

 

 

 

 

Auch Mira Potocki ist hier um dem Ärger und der Wut die sich seit dem Krieg bei ihr angestaut haben, Luft zu machen. „Ich bin heute hier her gekommen um zu sehen ob es möglich ist in diesem Land ein soziales Gleichgewicht und Gerechtigkeit zu schaffen. Die Leute hier leben nicht, sie überleben nur. Mein Sohn wurde im Krieg so stark verletzt das er jetzt in einem Heim leben muss, da ich kein Geld habe ihn zu pflegen. Ich habe keine Versicherung und bekomme auch keine Alterspension, was soll ich ihnen noch sagen.“

 

 

 

 

 

 

 

 

Aldin Sinanovic ist jung, verheiratet und arbeitet. Von seinen umgerechnet fünf Mark die er jeden Tag zur Verfügung hat, können

 aber zwei Personen nicht leben. „Mir reichts, ich habe von diesem Land noch nie etwas bekommen, ich arbeite, bin aber nicht versichert, wenn mir morgen was passiert kann ich nicht einmal zum Arzt. Ich bin enttäuscht das Gewalt nötig war und ich unterstützte auf keinen Fall das legen von Feuern und die Zerstörung von staatlichem Eigentum. Es wäre besser gewesen sie hätten, die privaten Villen von Bakir Izetbegovic (bosniakischer Vertreter des Staatspräsidiums) und dem Rest des Packs angezündet, die sind so und so aus geklautem Geld gemacht worden.“

 

 

Enver Kazaz ist Historiker und Publizist, er sieht das ganze eher nüchtern aus wissenschaftlicher Perspektive. „Wenn dieses Land eine adäquate Regierung hätte, die auch ihre Arbeit tun würde dann wäre es mit Sicherheit nicht zu diesen Missständen gekommen. Das was am Wochenende und heute allerdings stattgefunden hat, ist der Beweis eines Bestehens einer Bevölkerung, die in keiner Sekunde nationalistisch war, sondern nur mit den Rechten der Demokratie, eine bessere Zukunft und Moral für dieses Land fordert.“

 

 

 

Auf die Forderung eines Niederlegens des Mandats, der gesamten Regierung der Föderation von Bosnien und Herzegowina haben sich heute auch zum ersten Mal gemeinsam, der Ministerpräsident (sozialdemokratische Partei) Nermin Niksic und der Präsident (kroatische Partei) Zivko Budimir an das demonstrierende Volk gewendet.

 

 

 

 

 

Niksic (links) unterstreicht das die Regierung der Föderation auf keinen Fall ihr Mandat einfach so niederlegt. „Morgen werden wir einen bevorzugten Antrag auf die Einführung eines Gesetzes über die Abhaltung von außerordentlichen Wahlen stellen. Bis dieses nicht verabschiedet wird, werden wir unser Mandat behalten. Es kann kein Land ohne Regierung geben.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Präsident Zivko Budimir (rechts) weiß, dass die Unzufriedenheit der Bevölkerung, Ausdruck von von einer schlechten Regierung ist. „Als verantwortungsbewusster Politiker weiß ich, dass Neuwahlen unumgänglich sein werden, und wir von unseren Positionen Abschied werden nehmen müssen, bis dahin bleiben wir jedoch und versuchen zumindest einige der Anforderungen der Bevölkerung zu den Sozialleistungen etc. zu bearbeiten und die Situation zu verbessern.“

 

Weitere Proteste sind von Seiten der Bevölkerung für heute angekündigt. Sie wollen die Antwort von Ministerpräsident Niksic und Präsident Budimir nicht hinnehmen und fordern weiterhin, die Auflösung der Regierung der Föderation sowie Neuwahlen.

 

 

Wegen der Regierung konnten sich manche Imperien schaffen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

* Bosnien und Herzegowina ist als Land in zwei Entitäten geteilt, die Republika Srpska (RS) und die Föderation, (Federacija) die den etwas größeren Teil des Landes ausmacht und mehrheitlich von Bosniaken und Kroaten bewohnt wird.

 

Das könnte dich auch interessieren

.
Sie kochen, kosten und kreieren: Amina...
.
„Bis ich 13 Jahre alt war, dachte ich,...

Anmelden & Mitreden

2 + 14 =
Bitte löse die Rechnung