Schau mir in die Augen, Kleiner!

19. Mai 2014
Manche Männer pfeifen gerne Frauen hinterher, baggern sie blöd an und benehmen sich wie Vollidioten aus der Steinzeit.Ich wage ein Experiment, in dem nicht ich die Gejagte bin, sondern zur Jägerin werde. Ich mache doofe Anmachsprüche, lade auf Getränke ein und pfeife auf der Straße hinterher.

Ursprünglich sollte das ein Blog über Männer und ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung werden. Ein #Aufschrei andersrum eben. Ich habe also mit einem Dutzend Herren gesprochen und gefragt, ob sie mal begrabscht wurden, sexuell belästigt wurden oder plumpe Anmachen ertragen mussten. Ich musste bald einsehen: Wenn sie überhaupt irgendeine Art von „Angraben“ bemerkt haben, dann fanden sie es nur super. Da ich eine Frau der Tat bin, wage ich das Wochenende über ein Experiment: Auf der Straße, im Club, auf der Uni und bei meinen Freunden führe ich mich wie uncharmanter Sexist in weiblich auf – bescheuerte Anmachsprüche und hinterherglotzen inklusive. Nur das Begrapschen lasse ich aus, denn das finde ich weder bei Männern, noch bei Frauen lustig.

Um mich mental in Sexismus-Laune zu bringen, ändere ich mein Handyhintergrundbild. Mit einem halbnackten, Zigarre rauchenden Scott Eastwood kann mein Experiment beginnen. Das finde ich auf der Facebook-Seite „Lady Boners“ - eine Gruppe, in der sexy Männer gepostet werden und Frauen schamlos kommentieren.

 

 

Der Club

 

Ich starte im Club, denn das kommt mir am einfachsten vor. Ich stehe mittendrin und meine Augen scannen die männlichen Gesichter und Körper. Da ist er, mein erstes Opfer! Schnell noch ein Mal durchatmen, einen großen Schluck Gin Tonic und los geht’s. „Na Süßer, was treibt dich hierher?“- ein Spruch, den ich schon oft gehört habe. Aus meinem Mund klingt er aber komisch. „Süßer“ schaut mich entgeistert an und fängt an zu stammeln: „Ähm…ahm….ja, also ich bin mit Freunden hier.“ Innerlich muss ich schmunzeln, war das doch immer meine Antwort. Ich starre ihn an und lächle. „ Du findest mich süß?“, fragt er sichtlich fassungslos. „ Klar, hab ich ja gerade gesagt.“ Als er sieht, dass ich es ernst meine, entspannt er sich und fragt mich, ob ich etwas trinken möchte. Ich verneine aber, mache kurz Small Talk und begebe mich weiter auf meine Mission.

Mit „Na Fescher?“ wird mein nächstes Ziel belästigt. Auch er schaut entsetzt und fragt mich, ob es mein Ernst ist. Langsam bekomme ich das Gefühl, dass die Männer Wiens, oder zumindest die im Club, nicht von ihrem Aussehen überzeugt sind. Und dabei habe ich mir richtige Zuckerschnitten ausgesucht. Wahrscheinlich, weil sie nie Komplimente bekommen. Insgesamt spreche ich fünf Männer an, mehr geht einfach nicht, da drei von ihnen beginnen mir nachzulaufen. Sie sind davon überzeugt, dass ich auf eine schnelle Nummer aus bin und es dauert ganz lange sie vom Gegenteil zu überzeugen. Die Gespräche laufen ähnlich ab wie wenn ich angesprochen werde – nur umgekehrt. Ich stelle Fragen nach dem Studium oder Beruf, sie antworten ausführlich. Ich langweile mich nach zwei Minuten und höre dann meistens nicht mehr zu. AHA!

 

Fazit: Im Club Männer anzusprechen ist eigentlich ganz einfach und die meisten freuen sich total. Allerdings sollte man aufpassen dass man sich einen Kandidaten sucht und bei dem bleibt, da die „Angesprochenen“ schnell anhänglich werden, weil sie sich zumindest eine Schmuserei erwarten. Immerhin hast du ja gesagt, er sei fesch. Männer schütten dir auch nicht gleich das Getränk ins Gesicht, wenn du mit blöden Sprüchen über ihr Sixpack kommst. Wie eine Henne in der Balzzeit solltest du dich dennoch nicht aufführen, denn nicht jeder steht auf Sprüche à la „Dein Vater muss ein Dieb sein…“, ihr wisst schon, was ich meine.

 

Auf der Straße

 

Am nächsten Tag gehe ich etwas verkatert mit meiner besten Freundin spazieren. Jogginghose an, Schminke weg – ich schaue richtig nach letzter Nacht aus. Sie schämt sich etwas für mich und ich denke mir nur: Warte ab, warte nur ab. Mein Charme gleicht dem eines 50-jährigen Bauarbeiters und so schlendern wir in der Lugner City auf und ab. Ich fange an, mich nach hübschen Männern offensichtlich umzudrehen und ihnen nachzuschauen. Mit anderen halte ich Blickkontakt und zwinkere ihnen zu. Die meisten schauen hinter sich um sich zu vergewissern, dass sie gemeint sind. Es wird Zeit das beschämte Gesicht meiner Freundin noch ein bisschen mehr erröten zu lassen. Als wir in der Burggasse mit Dosen in der Hand entlang spazieren, fange ich an zu pfeifen. Das Ergebnis: entgeisterte Männerblicke, entsetze, runter geklappte Kinnladen. Manche fühlen sich nicht angesprochen und schauen verwirrt um sich, andere wiederum pfeifen zurück.

 

Fazit: In ein Gespräch kommt man so nicht, allerdings sind die Gesichter unbezahlbar. Vor allem Typen, die einem normalerweise nachjohlen und Obszönitäten nachschreien, sind ganz schnell ganz leise, wenn sie plötzlich auf der anderen Seite stehen. Lustig, wenn man Lust hat, sich ein bisschen zu blamieren. Ich kenne auch keine Frau, die auf das Nachpfeifen jemals positiv reagiert hätte. Manche Männer wirken aber durchaus so, als würde diese Masche bei ihnen ziehen.

 

In der Universität

 

Ich sitze im Studentenaufenthaltsraum und scrolle über die „Lady Boners“-Seite. „ Fuck, schau dir an wie schoaf der ist!“, lasse ich alle fünf bis zehn Minuten von mir. Kolleginnen wollen das Foto sehen, bejahen oder verneinen und unterhalten sich mit mir zehn Minuten lang über den Popsch von David Beckham. Schnell entwickelt sich das zu einem angeregten Gespräch über Bizepse, Rückenmuskeln und Augenfarben. Wir zeigen uns gegenseitig unsere Lieblingsmänner und schon bald hört man nur noch „Boah, DER ist wirklich scharf!“. Die männlichen Kollegen? Sitzen stumm da und schauen weg.

 

Fazit: Wenn die Weibchen kollektiv anfangen Männchen zu objektivieren und nur auf ihr Aussehen zu reduzieren, dann gefällt das keinem Mann. Vor allem nicht, wenn er nicht das Lustobjekt ist. Aber genauso ist es doch umgekehrt, oder?

 

Bei Freunden

 

Einige Kumpels mögen die „Frau gehört in die Küche“-Witze, die mich nur noch müde lächeln lassen. Am Abend treffe ich ein paar Freunde zum Fernsehen und um ein paar Bierchen zu trinken. Ich rede mit einer Freundin über die Chancen der Gewinnerin von Germany’s Next Topmodel. Ein Kumpel will sich einklinken und etwas über ihr Aussehen sagen, aber ich unterbreche ihn: „Jaja genau, geh lieber bisschen Holz hacken.“ Als es darum, geht was wir zu Abend essen, schaue ich einen anderen Kumpel an, der gerade etwas sagen will, klatsche auf seinen Schenkel und sage: „Schatz, der Grill macht sich nicht von selber an.“ Ich münze ein paar „Frau gehört in die Küche“-Witze auf „Mann gehört in die Garage“ um. Die Sprüche sorgen für Lacher, dennoch merkt man, dass die Männer sich überfahren fühlen. Ich entschuldige mich nach dem Abend bei ihnen und wir reden noch lange über die Mann- und Frau-Unterschiede in der Gesellschaft.

 

Fazit: Kein Mensch wird gerne unterbrochen und in Schubladen gesteckt. Wenn es deine Freunde nicht tun, rate ich von diesem Umgangston ab, da er ziemlich respektlos ist. Solltest du aber auf Männer stoßen, die glauben, sie sind lustig, dann ist das ein guter Weg sie ihre eigene Medizin kosten zu lassen.

 

Und jetzt?

 

Es war ein lustiges und aufschlussreiches Wochenende. Eines vorweg: Das war ein Sozialexperiment im Namen der Wissenschaft und ich habe keines meiner Objekte für persönliche Zwecke benutzt. Es ist zwar nicht mein natürliches Verhalten, aber ich hatte es mir schlimmer vorgestellt Männern nachzugaffen und sie im Club anzugraben. Du bist da eindeutig in der Machtposition. In Gesprächen bin ich auch schnell ausgestiegen und habe mein Gegenüber angegafft, ohne auch nur das geringste Interesse an dem, was er sagt, zu verspüren. Ich habe mir auch keinen einzigen Namen gemerkt, ehrlich. Der erste hieß irgendwas mit L. Ich für meinen Teil bleibe bei meinen alten Verhaltensmustern, es ist ja ab und zu schön umgarnt zu werden. Anstatt mich aber weiter aufzuregen, dass Frauen reduziert werden, reduziere ich ab jetzt selber. Zumindest auf Facebook, und mein Hintergrundbild bleibt auch. Wenn Frau auf Pirsch ist, kann sie ruhig mutiger sein und auf Männer zugehen, anstatt zu warten bis jemand zu ihr kommt. Erstaunlicherweise genießen es Männer sehr, objektiviert und sexualisiert zu werden. Allerdings nur, wenn sie es sind und keine anderen. Und Mädels, bitte macht den armen Männern Komplimente! Sie freuen sich ausnahmslos. Den Steinzeit-SWAG kann man ruhig mitschwingen lassen, immerhin sind sie die blöden Anmachsprüche ja noch nicht gewohnt.

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