Teichtmeister: Der Rechtsstaat gilt nicht für die Opfer.

06. September 2023

Gestern fiel das Urteil: Zwei Jahre bedingt für Florian Teichtmeister. Auch die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum wird angeordnet, ebenfalls bedingt. Sprich: Teichtmeister geht nicht ins Gefängnis. Der Ex-Burgschauspieler hat die Erstellung und den Besitz von Kindermissbrauchsdarstellungen gestanden. Ihm wurde vorgeworfen, 13 Jahre lang „pornografische Darstellungen Minderjähriger“ beschafft und auf etlichen Geräten abgespeichert zu haben. Er soll Teile davon bearbeitet, also Collagen und Videosequenzen daraus erstellt haben, sowie „diese Dateien mit pädosadistischen Texten versehen haben.“ Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. Gestern äußerte sich der forensische Psychiater Patrick Frottier in der ZiB2 zum Urteil: Der Vorteil an einer Therapie „draußen“ sei, dass es keinen Verlust der sozialen Umgebung geben und die Menschen mit pädophiler Neigung so lernen würden, damit umzugehen. Die Forschung geht davon aus, dass rund ein Prozent der Bevölkerung pädosexuelle Neigungen habe – aber nicht alle Betroffenen leben diese, und somit kriminelle Handlungen, aus. Härtere Strafen würden also nachweislich „nichts bringen“. Der Rechtsstaat hat gesprochen. Aber: Der Rechtsstaat kommt hier in den Konflikt mit moralischen Fragestellungen. All das hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack: Hat jemand schon die Opfer gefragt? 

Warum liegt der Fokus bei diesen Debatten, und das nicht nur bei Teichtmeister, stets bei den Tätern? 

Die Causa Teichtmeister hat in der Gesellschaft eine heftige Debatte entfacht – über Strafrahmen, über soziale Ächtung, über Geständigkeit und psychische Gutachten. Das Urteil wird von vielen als zu milde erachtet, andere wiederum halten die Strafe für vernünftig. Vor allem aber sind es wieder einmal vorrangig ältere Männer in sozialen Netzwerken, die sich plötzlich als selbsternannte Experten zu medizinischen Gerichtsgutachten, Resozialisierung, Rehabilitation und Rechtsstaat äußern. Ja, der Rechtsstaat. Warum liegt der Fokus bei diesen Debatten, und das nicht nur bei Teichtmeister, stets bei den Tätern? Wo ist dieser Rechtsstaat, wenn Opfer sexualisierter Gewalt ihre Traumata zur Anzeige bringen? Wo ist dieser Rechtsstaat, wenn Betroffene Übergriffe melden und sie mühselig beweisen müssen, bis ihnen geglaubt wird? Warum sprechen wir im Zusammenhang mit dem Rechtsstaat immer nur über die Täter? Was passiert mit den Opfern? Während man über Täter und Urteile debattiert, werden die Opfer außer Acht gelassen. Ad Rechtsstaat: Wäre es nicht an der Zeit, gewisse Gesetze zu ändern? Müsste man nicht beim Opferschutz viel früher ansetzen, viel breitere Informationen über Prozessbegleitung (vor allem bevor es zu einer Anzeige kommt) bekannt machen, statt den Fokus stets auf die Unschuldsvermutung der mutmaßlichen Täter zu legen? 

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