Beta, Delta, Omikron. Mutti schleicht sich kurz davon.

24. Februar 2022

 

 

Quarantäne-Status: Ich brauche Ferien auf der Motorhaube

 

 

von Ivana Cucujkic-Panic

Mädchen steht vor Schaufensterscheibe
© Cansu Tandogan

 

Grillhuhn, Babas Fleischtomaten und Benzin. Die Aromamischung meiner Kindheit. Die Duftnote von Leichtigkeit, Sommer und langen Autofahrten in den Griechenlandurlaub. Unser alter Mazda bis zum Dach vollgepackt mit allem, was man braucht für zehn Tage Tsatsiki-Feeling. Da wär‘ ich jetzt gern. Im kilometerlangen Stau, irgendwo in Makedonien. Zwischen fünfzig anderen PKWs. Die Kolonne vor der Grenze lang genug, um die Wartezeit für ein improvisiertes Picknick auf der Motorhaube zu nutzen. Doch grad als ich in das krosse Hendl beißen wollte, das am Tag zuvor noch von Deda durch den Stall gescheucht und für uns als Reiseproviant geschlachtet worden war, piept es. Einmal, zweimal, dreimal. Es hört nie wieder auf. Der Einjährige hämmert unaufhörlich auf ein technisches Gerät ein, das er aus dem Stapel alter Magazine, vollgeschnäuzten Feuchttüchern und aufgerissenen Antigen-Tests fischt.

 

Corona-Eltern

Mein Tagtraum ist brutal vorbei. Statt auf Destination, bin ich in Isolation. Zum zweiten Mal nun. Corona hat uns wieder. Neues Jahr, neuer Buchstabe im Corona-Alphabet. Quarantäne mit zwei Kindergartenkindern ist ein ganz besonderer Trip. Das ist die sarkastische, saure Arschloch-Kirsche auf der Pandemie-Torte, die wir also jetzt auch noch schlucken müssen.

Wir haben grad mal Quarantäne-Tag drei. Der Vierjährige zuckt aus. Der Einjährige macht copy-paste. Home Office? Guter Witz. Die Symptome des Virus können allerdings nicht mithalten mit der chronischen Wut und der Erschöpfung. Wut auf die Zügel des Lebens, die mit jedem positiven Corona-Fall im Kindergarten aus den Händen gleiten. Erschöpft vom wochenlangen Improvisieren des Alltags. Die Ausnahme etabliert sich zum Zustand und ich entwickle eine stabile Aggressivität gegenüber jeder Form von Ironie in Bezug auf diese ganze Corona-Geschichte. Dazu fehlt mir schlicht die intellektuelle Energie. In der Eltern-WhatsApp-Gruppe wird Revolte geübt. Der gemeinsame Hate auf den Rest der Welt gibt mir Halt und ersetzt grad so einige Therapiestunden.

 

Paw Patrol, Paradajz, Super 95

Meine ganze geistige Kraft geht drauf, als ich versuche, diesen verdammten Kinderkanal zu programmieren. Paw Patrol läuft darauf in Dauerschleife, damit ich meine Alibi-Mail zu einer glaubwürdigen Tageszeit versenden kann. Leider gelingt es mir nicht innerhalb der Geduldspanne eines Kleinkindes mit Suchtverhalten. Es folgt ein perfektionierter ohrenbetäubender, schriller Quengelton. Mein Körper erstarrt. Mein Tunnelblick sucht verzweifelt nach Rettung. Er schweift über diesen Magazinstapel. Ich schiebe die Windel von letzter Nacht vom Cover. „Endlich wieder richtig Ferien.“ Ich flüchte mich an die makedonische Grenze. In unseren Mazda. Old School, ohne Klima. Und ohne Kindersitz. (Ist jemals irgendein Kind der 90er in sowas gesessen?) Mama deckt die Motorhaube. Dedas Lunchpaket und „zwei scharfe“ für Tata. Tomaten und Abgase liegen in der Luft. In meiner genesenen Nase. Ich lächle. Urlaub im Kopf. Für einen Februartag in Quarantäne echt ok.

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