„Blümel würde gut zur Bierpartei passen.“

06. Oktober 2020

Marco Pogo ist Musiker und Spitzenkandidat der Bierpartei für die Wien-Wahl 2020. Im biber-Interview erzählt er warum die Politik kein Spaß ist, Österreich Flüchtlinge aufnehmen sollte und Wien einen Bierbrunnen braucht.

Von Naz Kücüktekin, Fotos: Eugénie Sophie

Was war für dich zuerst da: Das Bier oder die Politik?

Zuerst das Bier, weil das erste trinkt man legal mit 16, vielleicht sogar ein bisschen früher, in Simmering zumindest. Da ist man politisch noch nicht so „into it“. Trotzdem finde ich es gut, wenn junge Menschen schon wählen dürfen. Mit 16 darf man schließlich auch schon am Verkehr teilnehmen. Da hat man schon gewisse Verantwortung. Für mich aber kam die Politik erst 15 Jahre später.

Also kam die Politik erst mit der Bierpartei für dich?

Jeder Mensch, der sich so halbwegs Gedanken macht, wird früher oder später politisch in die eine oder andere Richtung gehen. Der denkende Mensch macht sich sein Bild von der Welt. Es geht eigentlich gar nicht nicht-politisch zu sein. Da müsste man sein Hirn schon komplett ausschalten. Mich hat die Bierpartei vor fünf Jahren ereilt.

Marco Pogo (Foto: Eugénie Sophie)

Ist die Bierpartei Satire?

Nein, überhaupt nicht. Humor ist mein Weg, meine Inhalte zu transportieren. Ich bin genauso wenig Spaßpartei wie die FPÖ. Die nennt sich auch nicht Spaßpartei. Wobei ich glaube, dass diese Partei durchwegs auch humoristische Züge hat. Sie wissen es nur noch nicht. Ursula Stenzel könnte problemlos mit einem Kabarettprogramm auf Tour gehen. Aber nein, ich bezeichne mich nicht als Spaßpartei. Politik ist kein Spaß.

Wieso glauben aber so viele, dass die Bierpartei Satire ist?

Weil es die Medien so transportieren und es auch die einfachste Erklärung für das Phänomen Bierpartei ist. Das Wort ‚Bierpartei‘ wird trivialisiert. Das ist es aber nicht. Ich denke, es ist eine einfache Ausrede. Aber wenn die Bierpartei die Nummer Eins im Internet ist, ist das eine Bewegung, die man ernst nehmen muss.

Kann man die Bierpartei und die deutsche „Die PARTEI“ miteinander vergleichen?

Anm: „Die PARTEI“ ist eine deutsche Partei, die 2004 von Redakteuren des Satire-Magazins Titanic gegründet wurde. Sie schafften es, 2014 und 2019 ins EU-Parlament einzuziehen. Vertreten werden sie durch ihren Vorsitzenden und ehemaligen Titanic Chefredakteur Martin Sonneborn sowie Kabarettist Nico Semsrott.

Nein. Die Bierpartei ist eine eigenständige politische Bewegung. Ich finde den Herrn Sonneborn ganz sympathisch, wenn er aufdeckermäßig im Europaparlament fungiert. Aber vergleichen würde ich es nicht. Ich würde zum Beispiel nicht mit „Ja-Nein“ stimmen. So machen die das. Ich finde das ziemlich sinnbefreit.

Du sprichst öfter von „Bierokratie“. Was bedeutet das denn?

Das ist ein bisschen ein Hilfsausdruck für die Gesellschaft, die ich mir vorstelle. Ich glaube, wir haben in Österreich zum Teil schon eine Bierokratie. Wenn Politiker, wie der Herr Blümel, 98-mal vergessen, was sie gemacht haben, dann geht die Macht schon vom Bier aus in diesem Land. Wie die Bierokratie tatsächlich aussehen könnte, könnte man anhand eines ersten Testlaufes in Simmering zu ermitteln versuchen. Wenn die Bierpartei an der Macht ist, wird man sehen, wie so eine Bierokratie ausschaut. Ich weiß es noch nicht ganz genau.

Also ist es noch nicht klar definiert?

Ich glaube, es ist als Politiker auch mal Okay zu sagen: „Das weiß ich noch nicht. Keine Ahnung.“ Ich denke, dass die Menschen sowieso die Nase voll haben von den ewigen ausweichenden Antworten der Politiker. Das zieht sich durch alle Parteien. Sie geben Antworten, sagen aber nichts. Ich habe überhaupt kein Problem damit zu sagen: „Wir werden es dann einfach herausfinden.“ So gesehen: Kommt Zeit, kommt Bier.

Warum kandidierst du bei der Wien-Wahl?

Weil ich mich von der derzeitigen politischen Landschaft nicht repräsentiert fühle. Ich glaube, dass es an der Zeit ist für eine Bewegung wie die Bierpartei, um all diese Menschen abzuholen, die politikerverdrossen sind. Ich sage ganz bewusst Politikerverdrossen- und nicht Politikverdrossenheit. Ich glaube nicht, dass es ein Problem der Politik per se ist. Die Menschen wollen was mit der Politik zu tun haben, nur nicht mit den Figuren, die jetzt vorne stehen. Die Ibiza-Affäre letztes Jahr hat alles nochmal viel verdrossener gemacht. Und zurück zur Frage, warum ich bei der Wien-Wahl kandidiere: Ich kann jetzt auch endlich was wählen, was mir taugt.

Ist die Bierpartei regierungsfähig?

Sicher. Ich beobachte die politische Landschaft seit langem. Da waren schon viel schlimmere Leute als ich in der Regierung. Ich weiß zwar noch nicht genau, wie genau, aber das wird schon irgendwie hinhauen. So schwer kann das nicht sein.

Marco Pogo (Foto: Eugénie Sophie)

Was willst du in Wien verändern?

Ich würde einen Bierbrunnen bauen. Das ist mein Leuchtturmprojekt für diese Wahl. Die Wiener und Wienerinnen haben sich einen Bierbrunnen verdient. Da sollen die Menschen zusammenkommen. Es soll dadurch ein Ort des Diskurses und Austausches entstehen. Wien ist eine schöne und lebenswerte Stadt. Aber natürlich gibt es Sachen, die man verbessern kann. Wenn zum Beispiel so viel Wohnraum freisteht. Wenn junge Menschen unter prekären sozialen Verhältnissen leben, weil ihnen die Kohle fehlt, sollte die Stadt Wien eingreifen und diesen Menschen diese Wohnungen geben. Also es gibt für mich viele Themen, die ich anpacken würde, aber beginnen würde ich mit einem Bierbrunnen. Das würde auch dem Tourismus total helfen. Wir wären quasi das neue Amsterdam.

Soll es dann in jedem Bezirk einen Bierbrunnen geben?

Ja, genau. Ich sag immer: Je mehr Prozent, desto mehr Bierbrunnen. Wenn wir uns aber einen Gürtelpool leisten können, können wir uns auch einen Bierbrunnen leisten. Vielleicht sogar einen Bierpool.

Mit wem könntest du dir vorstellen zu koalieren?

Ich hoffe, dass mir Koalitionsgespräche erspart bleiben. Das ist sehr schwer zu sagen. Strache wird nicht reinkommen. Abgesehen davon will ich mit dem überhaupt nicht reden. Ich finde Gernot Blümel ist auch eine unsägliche Person. Wobei er eigentlich ganz gut zur Bierpartei passen würde. Ich kann mich auch ganz oft nicht mehr an Sachen erinnern (lacht). Und die Grünen auch nicht. Ich hoffe es geht sich die Alleinherrschaft aus. Aber prinzipiell stehe ich zu Gesprächen bereit. Ich will niemanden ausgrenzen. Ich bin kein Freund von Grenzen.

Stichwort Grenzen: Unter dem Motto „Sicherer Hafen Simmering“ fordern Aktivist*innen der Liste LINKS im Vorfeld der Wien-Wahl die Aufnahme von Geflüchteten auch auf lokaler Ebene in Wien-Simmering. Wie stehst du dazu, Geflüchtete im Bezirk aufzunehmen?

Ich glaube, Österreich als unfassbar wohlhabendes Land kann es sich leisten, Menschen, denen es nicht so gut geht, zu helfen, sie zu unterstützen und sie aufzunehmen. Dass es überhaupt zu so einer großen Diskussion darüber kommen muss und es nicht einfach gemacht wird, sondern Kleinparteien dafür herkommen müssen und die Grünen auch untätig zuschauen, das tut schon weh. Also ja, wir haben den Platz, die Kohle und die Verpflichtung, Menschen, denen es nicht so gut geht, zu helfen. Diese Menschen sollen kein politischer Spielball sein.

Rund ein drittel der Wiener und Wienerinnen sind nicht wahlberechtigt. Ist das problematisch?

Ja, sicher ist das problematisch. Man sollte nach einer gewissen Zeit, die man hier lebt, das Recht haben mitbestimmen zu können. Das ist ein Grundpfeiler von Integration, dass man Menschen auch das Gefühl gibt, dass ihre Stimme etwas wert ist, wenn sie hier leben und Steuern zahlen. Die einfachste Form von Zuhören ist es, Menschen mitbestimmen zu lassen. Auch auf Landesebene.

Betrunken wirkst du nicht. Bist du verkatert?

 (Lacht) Tatsächlich bin ich auch nicht verkartet. Ich bin eher erschöpft aufgrund des Wahlkampfs. Die Bierpartei hat keine großen Parteistrukturen. Es gibt viel zu organisieren. Die Behördenwege sind auch sehr lang. Wir haben immens viele Anfragen. Ich bin froh, wenn diese Wahl vorbei ist. Dann kann ich endlich wieder nichts tun. Das, was ich am besten kann (lacht).

Was wird am Wahltag mehr Prozent haben: Dein Getränk oder die Bierpartei?

Was am meisten Promille haben wird, bin bestimmt ich (lacht). Ich denke, dass es knapp wird. Die Hürde von fünf Prozent ist eigentlich dafür gemacht, um Parteien wie die Bierpartei vom Gemeinderat fernzuhalten. Ich finde es auch problematisch, dass die etablierten Spaßparteien das quasi so abriegeln. Aber ich glaube, es wird sich aufs Gleiche einpendeln. Mein Bier 5.2 Prozent. Die Bierpartei 5.2 Prozent.

Marco Pogo (Foto: Eugénie Sophie)

Als Abschluss noch: Was sind denn deine Top 3 Biere, die du unseren Lesern empfehlen würdest?

Pogo: Ich würde allen das Turbobier empfehlen. Nicht nur weil es mein eigenes ist, sondern auch weil es echt gut ist. Das Augustiner, aber nur das aus der Braustube Mülln in Salzburg, ist auch ein köstliches Bier. Ansonsten ist das Domrep Pils wirklich gut. Das gibt’s zum Beispiel im Hawidere (Ullmannstraße 31) im 15. Bezirk. Da kann ich auch sehr empfehlen mal hinzugehen.

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