Bosnier, die Integrationsstreber

27. Februar 2020

Warum schneiden Menschen aus Bosnien und Herzegowina in der öffentlichen Wahrnehmung besser ab als andere Migranten? Ein Erklärungsversuch von Nedad Memić. 


Nedad Memic
Foto: Zoe Opratko

Kein Zurück mehr 

Ein ehemaliges Flüchtlingskind aus Bosnien-Herzegowina als erste Bundesministerin in Österreich: ein Zufall oder vielleicht doch nicht? Alma Zadić gehört
zu jener Generation der bosnischen Flüchtlinge, die Benefits aus beiden Kulturkreisen zu nutzen wussten: zu jung, um vom Bosnienkrieg in all seiner Ungeheuerlichkeit traumatisiert zu werden; jung genug,
um Chancen in Österreich rechtzeitig zu ergreifen. Dass das junge Mädchen aus Bosnien-Herzegowina keinen leichten Start in ihrer neuen Heimat hatte, gibt sie selbst zu. Doch sie hat es geschafft – wie auch viele andere bosnische Kriegsflüchtlinge. Hierzulande gelten sie als gut integriert, ihre Beschäftigungsquote ist höher als bei den meisten anderen Zuwanderercommunitys. In Schweden bekleideten sie bereits Minister- und Staatssekretärsposten, in Großbritannien sitzt eine gebürtige Bosnierin als Baroness im House of Lords. Also, worin liegt das geheime Rezept der guten Integration von Bosnierinnen und Bosniern in der Diaspora? 

Zuerst ist es ihre Fluchterfahrung: Für viele Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina gab es nach ihrer Flucht oder Vertreibung kein Zurück mehr. Das Land und die Leute, die ihnen einst vertraut waren, gingen im Krieg für immer verloren. Die Integration in der neuen Heimat war für sie alternativlos. Auch die soziale Struktur der bosnischen Community spielte eine wesentliche Rolle in ihrer Integration. Während vor allem die frühe Zuwanderung aus Serbien oder der Türkei von Gastarbeitern geprägt war, ist die Struktur der bosnischen Flüchtlinge vielfältiger: War es ein Uniprofessor, eine Bankangestellte oder ein Spengler: Der Krieg machte keinen Unterschied. Darüber hinaus spielt im bosnischen Bildungsbürgertum der schulische Erfolg nach wie vor einen zentralen Erziehungsfaktor: „Du musst nur lernen, für alles andere ist gesorgt“, lautet ein Standardsatz vieler bosnischer Eltern. 

„Unser Bosnien“ 

Auch wenn es um die Wahrnehmung einer Community in der Mehrheitsgesellschaft geht, haben Bosnier wieder die besseren Karten. „Ihr habt mal zu uns gehört!“, zählt etwa zum Standardrepertoire jedes bosnisch- österreichischen Annäherungsversuchs. Die gemeinsame Geschichte spielt nämlich auch eine Rolle. Ein positives Medienbild genauso. So löst eine bosnisch- stämmige Bundesministerin bei vielen Durchschnittsösterreichern immer noch weniger Kontroversen aus als etwa eine türkisch- oder afrikanischstämmige. Trotzdem bleibt Alma Zadić ein Hoffnungsschimmer: Sie machte die Tür zu den höchsten Ämtern im Staat für Migrantinnen und Migranten auf. Diese wird man nicht mehr so leicht zumachen können. 

Zur Person:
Nedad Memić ist gebürtiger Bosnier. Der promovierte Germanist war u. a. KOSMO-Chefredakteur, momentan arbeitet er als Consultant in der Wiener PR-Agentur Himmelhoch 

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