„Einmal eine Psychopathin spielen!“

23. November 2020

Tua El Fawwal
Kasimir Bordasch

Zu lange hat die deutschsprachige Filmbranche gebraucht, um jungen Talenten wie Tua El- Fawwal eine Bühne zu geben. Die 22-jährige startet gerade als Schauspielerin so richtig durch. Uns erzählt Tua, wie sie mit den ständigen Absagen bei Agenturen umgegangen ist und welche Rollen sie in Zukunft spielen will.

 

BIBER:Tua, du bist die erste Schauspielerin mit Kopftuch, die einen Deutschen Schauspielpreis bekommen hat.  Du hast damit neue Maßstäbe in der deutschen Filmbranche gesetzt. Wie hat sich dein Alltag und dein berufliches Leben seitdem verändert?

Tua El- Fawwal: In meinem beruflichen Leben hat sich bisher nicht viel verändert außer, dass ich durch den Preis und die Anerkennung das Gefühl erhalten habe in der deutschsprachigen Film- und Fernsehbranche „etabliert“ zu sein. Es sind viel mehr Menschen auf mich aufmerksam geworden und seitdem gibt es viele Presseanfragen. Erst letzte Woche habe ich z.B. bei einer Anti-Diskriminierungskampagne mitgewirkt. Eine neue Rolle ist noch ausgeblieben, aber ich bin zuversichtlich, dass sich das Anfang nächsten Jahres ändern wird und man mich wieder im Fernsehen oder auf der Leinwand sehen kann.

 

Du hast bei deiner Rede beim Deutschen Filmpreis davon erzählt, wie oft du wegen deines Kopftuches bei Agenturen abgelehnt wurdest. Was hat dich angetrieben weiter zu machen und nicht aufzugeben?

Die Motivation dahinter weiter zu machen und nicht aufzugeben lag darin die Ziele, die ich mir gesetzt habe, auch zu erreichen. Unter anderem war es ein Ziel, die deutsche Film- und Fernsehindustrie dahingehend zu verändern, dass eine Hijabi einen Platz und Raum darin finden kann. Auch den stereotypischen Blick auf „muslimische“ Rollen gilt es dabei zu verändern, um eine Diversität von Muslim:Innen realitätsnah abbilden zu können. Natürlich sah ich mich auf diesem Weg vor viele Herausforderungen gestellt. Das hinderte mich jedoch nicht daran, meine Ziele zu erreichen. Nicht zu vergessen dabei ist, dass ich die Unterstützung von Familie, Freunden, meinem Verlobten und vielen anderen Menschen hatte, die mir Kraft und Mut gaben, weiterzumachen.

 

Hast du das Gefühl, dass du nun ein Vorbild für junge Muslimas bist und wenn ja, spürst du dadurch irgendeinen Druck?

Das Gefühl ein Vorbild für junge Muslima zu sein hatte ich bereits seit meiner Rolle bei "DRUCK". Zum ersten Mal im deutschen Fernsehen sehen sie nämlich eine Rolle, die Anknüpfpunkte zu ihrem Leben hat. Seither werde ich mit Nachrichten überhäuft, in denen sie mir genau das sagen. Sie bedanken sich dafür, dass ich ihnen Hoffnung gegeben habe, dass ihr Kopftuch oder ihr Muslimisch-Sein nicht ein Hindernis im Leben sein wird, um ihre Ziele verwirklichen zu können. Ein Druck ist natürlich immer da. Anfangs war dieser größer, aus der Angst entsprungen, dass sich auch an meinen Fehlern orientiert wird. Das nahm jedoch im Laufe der Zeit ab, dank der Erkenntnis, dass keiner von uns fehlerlos ist und dass auch Jugendliche sich dessen bewusst sind.

 

Welche Personen haben für dich einen großen Einfluss, wenn es um das Thema Gleichberechtigung geht?

Ich möchte hier keine explizite Person des öffentlichen Lebens nennen, sondern die Personen an dieser Stelle erwähnen, die im Hintergrund Arbeit leisten und nicht gesehen werden. Alle Frauen, die in ihrem Alltag für eine Gleichberechtigung kämpfen und damit immer wieder ein Zeichen setzen.

 

Welche Rollen möchtest du unbedingt Mal spielen & geht das momentan überhaupt?

Ich würde gerne jede Rolle spielen und das Spektrum dafür nutzen, viele verschiedene Persönlichkeiten und Charaktere zu verkörpern. Auf mein Kopftuch oder mein Muslimisch-Sein reduziert zu werden steht dabei im Weg. Die Industrie muss mich daher erstmal in anderen Rollen sehen, damit ich sie spielen kann. Da kommen wir wieder auf die Veränderung, die ich erwirken möchte. Konkret reizen mich Rollen, die einen schweren Charakter besitzen. Eine Psychopatin, eine Serien-Killerin oder aber auch eine Kommissarin, die sich versucht in ihrem männerdominierten Berufsfeld zu beweisen.

 

Du studierst soziale Arbeit. Was macht diesen Beruf für dich so besonders?

Besonders ist der Beruf daher, dass es darum geht Menschen zu unterstützen in ihren verschiedensten Lebenssituationen. Der Prophet Muhammad sagte einst, dass der Beste unter euch derjenige ist, der am besten für die Menschen ist.

 

Wofür schlägt dein Herz mehr, für die Schauspielerei oder die Arbeit im sozialen?

Also die Arbeit im sozialen Bereich finde ich enorm wichtig und es ist mir immer ein Wunsch gewesen etwas zu verändern beziehungsweise etwas zur positiven Veränderung beizutragen. Jedoch muss ich ehrlich zugeben, dass Schauspiel einfach meine Leidenschaft ist. Natürlich kann man die künstlerische mit der sozialen Arbeit verbinden und das ist inzwischen gängige Praxis, wie man am Beispiel der Theaterpädagogik sehen kann.

 

 

Besonderes:Tua El- Fawwal ist Schauspielerin und lebt in Berlin. Sie ist die erste deutsche Schauspielerin, die sowohl privat als auch vor der Kamera einen Hijab trägt. Für ihre Rolle der "Amira" in der Deutschen Serie "DRUCK" wurde sie als erste Hijabi mit einem bedeutenden Preis ausgezeichnet. 

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