„Gehörst du zu einer Minderheit, spürst du schnell, dass der öffentliche Raum Grenzen für dich hat.“

09. Oktober 2020

Emir Dizdarević kandidiert für die Grünen Josefstadt auf Listenplatz 14. Wir sprachen mit ihm über die neue grüne Ex-YU-Bewegung „Jügos“ und welche Veränderungen er sich für unsere Demokratie wünscht.

Interview: Nada El-Azar, Foto: Marko Mestrović

 

BIBER: Das ist nicht dein erster Wahlkampf - Du warst zuvor schon grüner Bezirksrat in Mariahilf. Nun trittst du in der Josefstadt auf Platz 14 an. Wie unterscheiden sich für dich diese beiden Bezirke?

Emir Dizdarević: Die beiden Bezirke sind sich eigentlich sehr ähnlich. Sie liegen im Zentrum der Stadt, zählen zu den kleinsten Bezirken Wiens und haben in Prozenten am wenigsten Grünfläche. Es ist fast wie ein Wettlauf, wer da mehr zubetonieren kann. Deshalb braucht es dringend die Grünen - in beiden Bezirken.

Was machst du diesmal anders bzw. was sind die Dinge, die du für die Zukunft gelernt hast?

In Mariahilf war ich nur ein halbes Jahr Bezirksrat und habe mein Mandat dann zurückgelegt, weil ich mich neben meinen Job noch aufs Studium konzentrieren wollte. Ich finde, mit einem Mandat muss man sehr verantwortungsvoll umgehen und Energie und Zeit reinstecken. Mein Studium ist jetzt abgeschlossen und ich freue mich einfach auf die Bezirkspolitik in der Josefstadt.

Die Grünen fordern eine Quote von MigrantInnen bei der Jobvergabe durch die Stadt Wien. Wie stehst du dazu?

Es geht nicht um eine Quote, sondern um eine Bevorzugung bei gleicher Qualifikation. Das finde ich gut.

Würde das nicht dazu führen, dass MigrantInnen noch länger als solche gesehen werden, statt endlich eine Normalisierung zu erzielen?

Ich finde es gut, wenn Leute die Migrationsbiographie einer Person berücksichtigen. Was aber nicht passieren darf, sind dann irgendwelche Zuschreibungen aufgrund der Herkunft. Das eine ist Interesse und Weltoffenheit, das andere Rassismus. Und ja, ich finde es gut, wenn wir alle da noch dazulernen.

Du bist einer der Initiatoren der neuen grünen Bewegung Jugös, die speziell Menschen aus der Ex-YU-Community mobilisieren will. Warum wird gerade diese Gruppe angesprochen, und nicht etwa auch die türkische oder arabische Community?

Die arabische und türkische Community ist sehr wohl vertreten, nämlich innerhalb der Grünen Migrant*innen Wien. Was neu für die Jügos ist, ist, dass wir uns auch als „naši“ organisieren. [Anm.: Aus dem B/K/S und bedeutet so viel wie „die Unseren“] In Österreich leben etwa eine halbe Million „naši“, von denen aber nur 41 Prozent österreichische Staatsbürger sind. Die Jügos sind eine frisch im Jänner 2020 gegründete, junge, Bewegung und wir haben unsere Standpunkte noch nicht ganz definiert. Es geht uns primär um Sichtbarkeit.

Was willst du in Wien verändern?

Eines der großen Projekte, die wir als Grüne Wien gerade angehen, ist es, den öffentlichen Raum neu zu denken. Allem voran im Sinne des Klimaschutzes, weil wir uns mitten in einer Klimakrise befinden. Es braucht einfach mehr Grün in der Stadt. Wir wollen mehr Platz für Menschen schaffen, die Art, wie wir gemeinsam in der Stadt leben, verändern, Platz für Begegnung schaffen. Das finde ich unglaublich spannend, weil das Soziale von anderen Parteien oft übersehen wird. Ich will mich der Frage der Gemeinschaft im öffentlichen Raum widmen. Das geht aber nur mit den Menschen gemeinsam, die dort sind.

Emir
Mehr Platz für Menschen und Möglichkeiten der Begegnung, will Emir Dizdarević für Wien erreichen.

Rund ein Drittel aller Wienerinnen und Wiener sind nicht wahlberechtigt. Ist das ein Problem?

Von diesem Drittel sind 72.000 Jugendliche. Was teilen wir diesen Menschen mit, wenn wir sie nicht in unsere Demokratie miteinbeziehen? Indirekt sagen wir damit „Du hast keine Zukunft in dieser Stadt“, „Du kannst nicht mitbestimmen“. Das kann doch nicht ernsthaft unsere Vorstellung von Demokratie sein? Und in vielen Staaten gibt es auch schon ein lokales Wahlrecht, wo Menschen mitbestimmen können, wenn sie mehrere Jahre an einem Ort leben. Ich finde, es braucht eine moderne Kultur der Mitbestimmung und Demokratie.

Im September hast du auf Twitter einen homophoben Zwischenfall aus deinem Alltag geteilt und es kamen viele Reaktionen von Menschen, denen ähnliches passiert ist, zurück. Was willst du im Bereich LGBTIQA+ erreichen?

Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir uns mit den Fragen des öffentlichen Raumes sozial beschäftigen können. Gehörst du zu einer Minderheit, spürst du schnell, dass der öffentliche Raum Grenzen für dich hat. Eine Zärtlichkeit kann für dich zur Gefahr werden, wie in meinem Fall damals. Ich finde, hier braucht es mehr Sichtbarkeit von Diversität. Dafür möchte ich mich einsetzen.

Die Grünen schreiben natürlich das Wort Klimaschutz groß. Welche Maßnahmen würdest du sofort für ein besseres Klima umsetzen wollen?

Wir schreiben Klimaschutz ganz groß! Verkehr ist dabei noch das größte Sorgenkind in der Stadtpolitik. Hier braucht es eine radikale Wende. Es braucht mehr Öffis und weniger Autos in der Stadt. Die Treibhausgasemmissionen des Wiener Verkehrs müssen gesenkt werden und die Verkehrssicherheit muss noch weiter ausgebaut werden.

Warum sollte man diesmal ein Kreuzerl bei den Grünen machen?

Wir dürfen Wien nicht den Bremsern und Blockierern überlassen. Jenen, denen Profit wichtiger ist, als der Klimaschutz. Das geht nur mit den Grünen in der Stadt.

 

 

Steckbrief: Emir Dizdarević

Alter: 31 Jahre
Geboren: In Bijeljina (BiH), aufgewachsen in Niederösterreich, nun seit vielen Jahren glücklicher Wiener
Studium: BA in Politikwissenschaft, MA in Journalismus und neue Medien
Kandidiert als Bezirksrat auf Listenplatz 14 im 8. Bezirk bei den Grünen Josefstadt

 

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