"Ich war immer fair."

09. Mai 2014

Eugen Freund, Spitzenkandidat der SPÖ für die EU-Wahl, über seinen  Wechsel in die Politik und warum man sich vor allem in den USA als Europäer fühlt.

 

Von Nikolina Novković und Christoph Liebentritt

 

3000 brutto: So hoch schätzte SPÖ-Spitzenkandidat Eugen Freund das Durchschnittseinkommen eines Arbeiters  in einem Interview im Profil. Die Reaktion darauf war heftig, medial auch übertrieben. Seitdem ist der frühere Journalist sehr vorsichtig geworden.

 

biber: Wir haben beobachtet, dass der Weg vom Journalismus in die Politik nicht einfach ist. Ihre ehemaligen Kollegen waren nicht besonders nett zu Ihnen. Wie sehen Sie das?

Eugen Freund: Es war natürlich schwierig. Ich war 40 Jahre in einem Beruf tätig und habe praktisch über Nacht in einen anderen gewechselt. Ich hatte keine Zeit für Vorbereitungen. Ein einziges Interview kann einen riesigen Unterschied ausmachen. Alle anderen Interviews waren in Ordnung, aber alle haben sich auf dieses eine gestürzt.

 

Würden Sie das Interview jetzt anders machen?

Natürlich würde ich es anders machen, ich würde es gar nicht geben.

 

 

Sie sind jetzt wahrscheinlich sehr vorsichtig. Führt das nicht dazu, dass Politiker gar nichts mehr sagen?

Ja, aber das müssen sich die Journalisten zuschreiben. Wenn man wegen eines Fehlers in der Luft zerrissen wird, dann ist man danach sehr vorsichtig.

 

Was haben Sie als Journalist anders gemacht?

Ich glaube, ich war zu meinen Gesprächspartnern immer fair.

 

Und zu Ihnen waren nicht alle fair?

Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, was aus einem Fehler gemacht wurde. Das habe ich so nicht erwartet.

 

Meine Eltern sind 1991 aus Ex-Jugoslawien nach Österreich ausgewandert und haben sich anfangs den Lebensunterhalt als Arbeiter verdient. Wie viel würden Sie einer einfachen Putzfrau bezahlen?

Ich habe es immer inakzeptabel gefunden, dass Frauen so viel weniger verdienen als Männer. Die Frage sollte nicht lauten, wie viel eine Putzfrau verdienen sollte, sondern: Wie können wir die Ungerechtigkeit überwinden? Und das in allen Berufen.

 

Wie hoch sollte ein 40 Stunden Job in Österreich mindestens entlohnt werden?

Ich kann das Thema auf EU-Ebene heben. Viele Betriebe wandern in den Osten ab, weil sie behaupten, dass man dort billiger produzieren kann. Doch es geht darum, dass das Lohnniveau in den Ländern steigen muss, die Löhne müssen  sich dem höheren österreichischen Niveau anpassen. Wir haben in Europa bewiesen, dass wir mit guter Arbeit und auch mit guter Bezahlung entsprechende Arbeitsplätze schaffen.

 

Ich bin 21 Jahre alt. Glauben Sie, werde ich noch eine Pension bekommen?

Wenn mich jemand im Jahr 1987 gefragt hätte, ob 1989 die Berliner Mauer noch steht, hätte ich gesagt: Diese Frage kann ich nicht beantworten. Aber auf die staatliche Pension ist weiterhin zu vertrauen, aber es hängt natürlich von vielen Faktoren ab.

 

Würden Sie sagen, es gibt Themen in der Politik, für die Sie sich nicht zuständig fühlen?

Nein. Es gibt Fragen, die man spontan beantworten kann und es gibt Fragen, für die man sich einlesen muss. Auch in der Politik ist es wichtig, dass man dem Menschen Zeit gibt, über Fragen nachzudenken.

 

Sie haben das Buch „Mein Amerika“ veröffentlicht, auch Ihre Tochter studiert in den Staaten. Würden Sie sich als Amerika-Freund bezeichnen?

Ich habe insgesamt zwölf Jahre in Amerika gelebt und habe das Land ganz gut kennengelernt. Ich habe aber eine freundlich-kritische Distanz zu Amerika. Ich finde viele Dinge gut, aber auch viele schlecht. Die Schere zwischen Arm und Reich ist viel größer als bei uns. Ich finde die Todesstrafe nicht in Ordnung, auch den Umgang mit Waffen finde ich inakzeptabel.

 

Was hat Ihnen gefallen?

Das Reisen, die Landschaft und die Menschen, die offen auf einen zugehen. Amerikaner sind nicht so oberflächlich, wie viele glauben. Wir sind damals von einem Haus in ein anderes übersiedelt. Unsere neuen Nachbarn haben uns besucht und wollten sich einen Tag frei nehmen, um uns beim Umzug zu helfen.

 

 Kann sich die EU von den Staaten etwas abschauen?

Grundsätzlich wird ja immer darüber gesprochen, ob es so etwas wie die Vereinigten Staaten von Europa geben sollte. Ich sage immer: Das ist ein langwieriger und schwieriger Prozess.  Wenn man in Amerika jemanden fragt, woher er kommt, sagt er: „From the United States“.  Wenn du in Schweden oder Deutsche triffst, sagen Sie nicht, dass sie Europäer sind, sondern eben Schweden oder Deutsche.

 

Sehen Sie sich als Europäer oder als Österreicher?

In Amerika habe ich mich schon als Europäer gesehen. Interessanterweise haben wir auch bei jedem Brief, den wir nach Hause geschickt haben, immer Europe dazugeschrieben. Hauptsächlich aus dem Grund, dass Austria nicht mit Australia verwechselt wird. In den Staaten wird das Europagefühl stärker erzeugt. Ich sage trotzdem, so etwas geht nicht von einem Tag auf den anderen. Ich kämpfe auch gegen die Ungeduld. Wir haben erst in den 50er-Jahren begonnen zusammenzuwachsen. Wenn man Amerikaner 60 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung gefragt hätte, woher sie kommen, hätten sie gesagt „from Schleswig-Holstein, from Bavaria oder from Ireland“. Sie hätten nicht gesagt „from America.“

 

Wie lange wird es noch dauern, bis Europa ein Vereinigtes Europa ist?

Da komme ich wieder auf den Vergleich mit der Berliner Mauer zurück. Es ist schwer, die Zukunft vorauszusagen.

 

Nun zu einer aktuelleren, EU-spezifischen Frage: Wie kann man die Situation in Bosnien lösen?

Das ist eine sehr schwierige Situation. Die Bosnier sehen nicht ein, dass sie selbst in der Lage sein müssen, Veränderungen herbeizuführen. Aber von außen wollen sie sich auch nichts sagen lassen. Sie befinden sich in einer Pattsituation. Wir haben aber gesehen, dass mit den Demonstrationen ein Beginn gemacht wurde.

 

Es schaut so aus, als ob Serbien vor Bosnien EU-Beitrittskandidat wird.

Das müssen sich die Bosnier auch vor Augen halten. Solange es dort zu keiner tragbaren Situation kommt, werden Sie außerhalb Europas bleiben. Aber ob sie das wirklich wollen, wenn der Nachbar Serbien bereits Beitrittskandidat ist?

 

 

 

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