Ivanas Welt - Der Bus Brennt!

15. September 2011

Von Ivana Martinović

 

Man hält mich für eine Alkoholikerin, die nach Heilung sucht, ich höre schmutzige Jesuswitze, ich bekomme einen Heiratsantrag – und das alles auf einer Busfahrt nach Bosnien.

 

Es ist Freitagabend, zahlreiche Bosnier auf dem Wochenendtrip füllen die Busplätze in Wien Erdberg. Ziel: Der sübbosnische Ort Međjugorje, wo seit 1981 Maria erscheinen soll (guckst du große Story im Heft). Draußen zieht der Chauffeur gelassen an seiner Zigarette. Andere Nikotinsüchtige schimpft er zurück in den Bus. „Rein mit euch!“ Dann lässt er die Maschine an und rollt griesgrämig los. Wer sich über die kaputte Klimaanlage beschwert, wird vom Busfahrer mit seiner autoritären Art vor die Wahl gestellt: „Wenn’s dir nicht passt, kannst du aussteigen und zu Fuß gehen.“ Proteste à la: „Lassen Sie uns doch Pause machen, wir reisen hier wie im Gefangenentransport!“ –„Gefangene haben zumindest Gitter, wir sterben hier den Hitzetod!“  – „Es war schön, euch gekannt zu haben.“ – prallen an unserem Reise-Diktator ab.
Die Bosnier im Bus begegnen seiner Autoritäten mit Witzen: „Goriiiii autobuuuuus!“ (der Bus brennt!), schreit einer aus den hinteren Reihen und macht den Spruch zum Running Gag, der während der saunaähnlichen Fahrt immer wieder  für Gelächter bei den Fahrgästen sorgt.

 

Na supa!

Je länger und brütender die Fahrt, desto näher kommen sich die Gäste. Die Stimmung gleicht einer Klassenfahrt. Da darf ein Klassenclown nicht fehlen. Ein Mann, mit Spitznamen „Supa“ (Suppe), fragt mich über Međjugorje aus. Ein nicht jugendfreier Jesuswitz folgt. Und darauf die Frage: „Was hast du verbrochen, um dort um Vergebung zu bitten?“  „Ich trinke zu viel!“ sage ich grinsend. Im Bus entsteht das Gerücht, ich sei Alkoholikerin, die auf Heilung hofft. Als ich mich als Reporterin oute, ist supa der Zustand meiner Leber plötzlich egal, er will mich auf der Stelle heiraten. „Oh gute Frau! Komm gleich mit zu mir nach Hause, bei der Familie angeben.“ Dann streicht er sich hitzegequält über die Stirn und schreit: „Goriiiiiii autobuuuuuus! Küss mich, bevor es zu spät ist!“ Und alle lachen!

Nach 13 Stunden Fahrt verschwimmen die Witze von Supa, die Pöbeleien des Busfahrers und die eigene Erwartungen an die Wallfahrt langsam, das Koma naht, die Erlösung nicht. Denn obwohl der Bus laut Fahrplan schon angekommen sein sollte, gondeln wir noch immer von Kaff zu Kaff. Und das nur, weil sich Fahrgäste aus unzähligen Dörfern, entlang der bosnischen Strecke angekündigt haben. Und so fährt uns der Busfahrer von Ort zu Ort. 17 Stunden Fahrt wurden daraus. Und während der Busfahrer die neuen Gäste in den Bus befahl, rauchte er noch genüsslich eine Zigarette. Und nur er!
Wir durften ja nicht raus, da es ja gleich weitergeht. Nachdem die Kippe des Busdiktators am Boden ausgetötet wurde.

 

                  

Anmelden & Mitreden

9 + 6 =
Bitte löse die Rechnung