Können Menschen mit Migrationshintergrund kein Deutsch, Frau Raab?

04. Dezember 2020

Damit auch alle in Österreich lebenden Menschen alle Informationen zu den Massentests erhalten, hat das Integrationsministerium eine Info-Offensive in 17 Sprachen gestartet. Biber sprach mit Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) darüber, wieso Migranten als Virus-Heimschlepper kommuniziert werden.

Interview: Naz Küçüktekin

© BKA/Aigner
© BKA/Aigner

Biber: Mit heute startet die Info-Offensive für Menschen mit Migrationshintergrund zu den Corona-Massentests in 17 Sprachen. Was genau kann man sich darunter vorstellen?

Susanne Raab: Wichtig ist uns, allen Menschen in Österreich, unabhängig davon, wie gut sie Deutsch sprechen, alle Informationen zu den Massentests zur Verfügung stellen. Die Massentests sind ein entscheidender Faktor, damit wir in Österreich so rasch wie möglich wieder zu Normalität zurückkehren können. Daher stellen wir mit der Info-Offensive in 17 Sprachen alle Informationen des Gesundheitsministeriums rund um die Massentests zur Verfügung: wo man die machen kann, wie man sich anmelden kann und wie alles abläuft. Zudem möchten wir direkt mit Menschen mit Migrationshintergrund, mit denen wir im Integrationsbereich arbeiten, in Kontakt treten, etwa durch SMS oder E-Mail. Es wird auch eine Social-Media-Kampagne geben sowie eine Hotline, wo man sich mehrsprachig beraten lassen kann.

Und wieso braucht es das überhaupt? Können Menschen mit Migrationshintergrund kein Deutsch?

Es gibt viele Menschen, mit denen wir im Integrationsbereich zusammenarbeiten, die noch nicht so lange in Österreich sind, und eben nicht so gut Deutsch sprechen. Es ist wichtig, dass alle Menschen in Österreich die Informationen zu den Corona-Massentests lückenlos verstehen. Wir müssen alle Menschen in Österreich gleichermaßen erreichen. Wir wissen, dass viele Menschen in Österreich auch Medien aus ihrem Herkunftsland konsumieren und daher der Zugang oft schwierig ist mit österreichischen Medien. Daher wollen wir die Communitys direkt ansprechen.

Nach welchen Kriterien hat man die Sprachen ausgewählt?

Das sind die am meisten gesprochen Sprachen in Österreich und mit denen wir im Integrationsbereich am häufigsten arbeiten. Damit sollte eine weite Range abgedeckt sein. Sollte es Bedarf an weiteren Sprachen geben, werden wir das berücksichtigen.

Viele der Menschen, die sie mit dieser Offensive ansprechen wollen, wurden erst vor kurzem von Bundeskanzler Sebastian Kurz als Grund für die gestiegenen Corona-Zahlen genannt. Seine Worte waren „Wir hatten im Sommer sehr niedrige Zahlen und haben dann durch Reiserückkehrer und insbesondere Menschen, die in ihren Herkunftsländern den Sommer verbracht, das Virus wieder heim geschleppt“. In der biber-Community finden das viele diskriminierend. Die Frustration bei vielen Migranten, die etwa in systemerhaltenden Jobs Arbeiten, ist groß. Wie stehen Sie als Integrationsministerin zu so einer Aussage?

Es ist keine Frage der Herkunft, der Staatsangehörigkeit oder des Migrationshintergrundes. Es geht um den Kampf gegen die Pandemie. Die kennt keine Herkunft. Aber wir haben gesehen, dass das Thema der Reiserückkehrer ein wesentliches Thema im Kampf gegen die Pandemie ist. Ob das jetzt Menschen sind, die beispielsweise aus dem Heimaturlaub in Serbien zurückkommen, vom Wellnessurlaub in einem Nachbarland oder der Geburtsfeier in Bratislava, ist für das Virus irrelevant. Es geht um alle Reiserückkehrer. Klar ist, dass im Sommer rund ein Drittel der Fälle ihre Quelle im Ausland hatte. Und von diesen sind 70 Prozent aus dem Westbalkan und Kroatien gekommen. Das sind die Zahlen, welche die Ages (Österreichische Gesundheitsagentur) ausgewertet hat.

Aber die Ages Zahlen geben doch keine Auskunft darüber, warum diese Menschen in einem Land waren, oder ihren Hintergrund. Haben nicht auch viele autochthone Österreicher Urlaub etwa in Kroatien gemacht?

Absolut. Es handelt sich sowohl um Urlaubsreisende, als auch Menschen, die ihre Familie besucht haben. Wir haben zu den Westbalkan-Ländern eine sehr intensive Beziehung, menschlich, kulturell und wirtschaftlich. Auch politisch sind wir mit dem Westbalkan eng verbunden. Da gibt es einen Austausch auf unterschiedlichen Ebenen. Der Austausch der Reisenden, egal aus welchem Grund, ist aber eine Gefahr beim Virus. Wir müssen schon auch genau evaluieren, was uns nach dem Sommer zurückgeworfen hat. Ein Faktor ist, dass ein Drittel der Infektionen die Quelle im Ausland hatte. 

Wieso werden dann aber insbesondere Menschen mit anderen Herkunftsländern erwähnt und Reiserückkehrer hier mit einem Migrationshintergrund in Verbindung gebracht? 

Unter den 70 Prozent sind selbstverständlich auch Menschen, die ihre Familien besucht habe. Das ist auch total verständlich, ich vermisse meine Familie genauso. Auch, dass man zu Weihnachten seine Familie sehen will, ist verständlich. Aber es ist als Bundesregierung unsere Aufgabe, daraufhin zu weisen, dass das aktuell eine Gefahr ist. Allen, die in Österreich leben und ihre Familie besuchen wollen, egal ob am Westbalkan, in Deutschland oder in Amerika, ist das eben nur mit 10 Tage Quarantäne danach erlaubt. Diese Regelung gilt übrigens auch in unseren Nachbarländern und beispielsweise auch in Deutschland.

 

Zu den Massentests
Alle Personen mit Wohnsitz in Wien, ab 6 Jahren, können sich von 4. bis 13. Dezember 2020 im Rahmen der Massentests kostenlos auf eine Coronavirus-Infektion testen lassen. Dazu ist eine Anmeldung unter https://coronavirus.wien.gv.at/site/massentests erforderlich
Alle weiteren Infos sowie die Übersetzungen werden auf www.integrationsfonds.at/coronainfo zur Verfügung gestellt. Aktuell stehen die Informationen bereits auf Deutsch online, sie werden nun nach und nach um die Übersetzungen ergänzt. Mehrsprachige Mitarbeiter/innen beantworten Fragen zu den Massentests unter der Hotline mit der Telefonnummer 01/715 10 51 – 263
Die Informationen gibt es in folgenden 17 Sprachen: Albanisch, Arabisch, BKS, Chinesisch, Deutsch, Englisch, Farsi, Französisch, Ungarisch, Kurdisch, Paschtu, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Somali, Türkisch und Ukrainisch
 

 

 

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