Mit uns am Kebapstand

14. Dezember 2023

Einmal Sebastian Kurz „mit alles, Michael Häupl und die starken Männer oder Beate Meinl-Reisinger beim Kaffeesudlesen: Biber hat Politiker:innen immer wieder in unerwartbaren Lebenslagen abgelichtet.

 

Von Amar Rajković

 

Für Sebastian Kurz’ Porträt in der Dönerbude aus unserer Maiausgabe 2011 beneideten uns so manch andere Medien.
Für Sebastian Kurz’ Porträt in der Dönerbude aus unserer Maiausgabe 2011 beneideten uns so manch andere Medien. Foto: Philipp Tomsich

 

"Das ist der Politiker, der so alt ist wie wir und jetzt irgendwas mit Ausländern macht. Aber was genau – keine Ahnung.“ Die Passanten am Brunnenmarkt staunten 2011 nicht schlecht, als sie den designierten Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz lächelnd und mit perfekter Frisur hinter der Kebapbude für das biber-Cover posen sahen. Der 25-Jährige galt damals als die größte Polithoffnung seit Bruno Kreisky und überraschte mit ausländerfreundlichen Aussagen viele Migrant:innen in Österreich. Bei dem anschließenden Kreuzverhör im türkischen Restaurant trank er Çay, offenbarte ein paar kleine Schwächen in der Wiener Allgemeinbildung (wusste nicht, wer oder was ein „Schwabo“ ist), erzählte stolz von guten Schulfreundinnen mit Kopftuch und hielt sogar „Türkisch“ als Maturafach für vorstellbar. Ach, wie sich die Zeiten ändern.

Ein paar Hundert Meter weiter initiierte biber einen diplomatischen Gipfel im Kent, der so in keinem anderen Medium vorstellbar war. Wiens damaliger Bürgermeister Michael Häupl, Ottakrings langjähriger Bezirksvorsitzender Franz Prokop und der damalige türkische Botschafter erzählten von ihrer Jugend, politischen Vorbildern und Lieblingsessen. Das Foto, das Michael Häupl vor einer türkischen Fahne und den türkischen Botschafter vor einer österreichischen Fahne zeigt, war schon damals ein Hinschauer – heute würde sich kein heimischer Spitzenpolitiker gerne so fotografieren lassen.

 

Der Boxer, der Rapper und der Bürgermeister: Gogi Knezević, Nazar und Michael Häupl.
Der Boxer, der Rapper und der Bürgermeister: Gogi Knezević, Nazar und Michael Häupl. Foto: Lucia Bartl

 

Der Bürgermeister, der Boxer und der Rapper

Michael Häupl war jener Politiker, der in den ersten Jahren wohl am öftesten von biber interviewt wurde. Kein Wunder, er war das Oberhaupt der „Multi-Kulti-Stadt, in der wir uns alle so wohlfühlen und sorgte als „Papa Schlumpf“ (O-Ton einer biber-Kollegin) für Recht, Ordnung und Sichtbarkeit von Migrant:innen. Im September 2010 lief das Netz heiß, als er auf einem rosa Enzo im Museumsquartier zusammen mit Rapper Nazar und Boxer Gogi Knezević breitbeinig posierte. 2015 war er Protagonist in einer von der SPÖ geschalteten „Foto-Love-Story, bei der er einer im Regen stehengelassenen Wählerin den Regenschirm anbot. Das letzte Interview fand im „Pitawerk“ auf der äußeren Mariahilferstraße statt, wo Häupl kurz vor seinem Abgang als Wiener Bürgermeister noch einmal Schmäh führte und Burek mit Joghurt schnabulierte. Diese Tradition setzten wir fort und zwängten den amtierenden Bürgermeister Michael Ludwig 2020 auf die Sitzbank des bosnischen „Željo Burek & Grill“ auf der Thaliastraße.

 

Politik im Sud

Es altes, türkisches Sprichwort sagt: „Glaube nicht an den Kaffeesud, aber bleibe nicht ohne Kaffeesud.“ Weil in manchen migrantischen Communities der Aberglaube stark ausgeprägt ist (Ich sage nur „Promaja, übersetzt die Zugluft, die laut Balkan-Eltern eine sofortige Lungenentzündung oder gar den Tod nach sich zieht), verzichteten wir auf Wahl-Analysen und ausgeleierte Fragen. Wir engagierten für die Wiener Gemeinderatswahlen 2015 eine Wahrsagerin (Danke an dieser Stelle an Zeynep Alan), die den damaligen Spitzenkandidat:innen ihr Kismet voraussagte. Beate Meinl-Reisinger durfte sich über zwei galoppierende Pferde freuen, die als Glückbringer interpretiert wurden.

Maria Vassilakou bildeten wir Jahre zuvor in High-Heels ab, bevor sie in ihren Kaffeesud blickte und sich dabei über den Begriff „Wirtschaftsflüchtling“ echauffierte.

 

Im September 2020 stärkten wir uns zum Wahlkampfauftakt mit Michael Ludwig bei „Željo“ auf der Thaliastraße.
Im September 2020 stärkten wir uns zum Wahlkampfauftakt mit Michael Ludwig bei „Željo“ auf der Thaliastraße. Foto: Zoe Opratko

 

Kater & Rolex

Übrigens, auch FPÖ-Politiker haben wir immer wieder getroffen. Mit Ausnahme von Herbert Kickl. Der wollte nämlich nicht, obwohl wir das „Go“ von seiner Pressesprecherin hatten. Warum eigentlich, Herr Kickl? Im allseits beliebten Interview-Format „Interview in Zahlen“ besuchte Herausgeber Simon Kravagna aber unter anderem 2016 Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer und seinen Kater in seinem Garten in Pinkafeld. (Juli 2016) Ein paar Jahre zuvor bezifferte Serbenfreund und Hauptdarsteller des Ibiza-Krimis HC Strache (O-Ton: „Alle Journalisten sind Huren) im „Interview in Zahlen“ den Wert seiner Rolex und gab an, 10.000 Euro für das teuerste Geschenk an eine Frau ausgegeben zu haben. Welche Frau das war, ist nicht überliefert. Das Zahleninterview wurde zum „Big Mac“ des biber, geteilt von Journo-Größen wie Armin Wolf. Apropos Wolf. Der ZiB2-Anchorman ließ es sich nicht nehmen, selbst als Befragter beim Zahlenformat aufzutreten.

 

„Kiffen Sie, Herr Wolf?

Unser damaliger Schüler-Redakteur Muamer Bečirović wollte in einem anderen Interview vom ORF-Moderator wissen: „Kiffen Sie, Herr Wolf?“ Spoiler: Er tut es nicht.

Die Einbindung von Schüler:innen in die Redaktion war kein bloßes Lippenbekenntnis oder ein Marketing-Gag. Wir hatten wohl die einzige Schüler-Redaktion, die diesen Namen so richtig verdiente. Redakteur:innen von biber verbrachten oft mehrere Wochen im Jahr direkt in Schulen und viele Schüler:innen waren bei uns in der Redaktion. Eine sonst so goscherte 14-jährige Schülerin, die bei uns Praktikum machte, verdiente sich ihren großen Auftritt im Justizministerium, weil sie sich die besten Fragen überlegt hatte. Als Alma Zadić dann tatsächlich vor ihr auftauchte, brachte sie anfangs kaum ein Wort heraus.

Meine persönliche Lieblings-Polit-Geschichte war die Cover-Story „Im muslim, dont panic“ – aus dem Jahr 2012. Dabei ging es um die differenzierte Betrachtung von Muslimen weltweit. Einerseits kritisierte ich dabei die westlich gefärbte, oft sehr einseitige Betonung von radikalen Muslimen, die angeblich die Mehrheit in der islamischen Welt ausmachten. Andererseits gingen mir die Hobby-Imame auf die Nerven, die politisch hetzten statt Frieden zu säen. Mit unseren Themen waren wir meistens ein bisschen voraus.

Es ist so fies, ein Best-of für die letzte Ausgabe zusammenzustellen. Dabei war jede Ausgabe eine Gaudi, ein chaotisches Treiben, ein Herantasten an ernste Themen, ohne den Humor dabei zu verlieren. Mir wird der biber fehlen aber auch ewig einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen behalten. ●

 

 

Zum Autor: Amar Rajković war stv. Chefredakteur und Politik-Ressortleiter bei biber und arbeitet jetzt im Community Work bei der Volkshilfe Wien.

 

Das All-Time-Lieblings-Politcover von Politredakteur Amar Rajković.
Das All-Time-Lieblings-Politcover von Politredakteur Amar Rajković. Foto: Philipp Tomsich

 

 

 

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