Motivejšn, Kinderli!

08. September 2022
 
Lehre beim Billa ist super. P.S.: Welteroberung ist auch eine Option.
 
von Ivana Cucujkić-Panić
 
ivanas welt
 
„Ich glaub’ an mich. Ich bin einzigartig. Ich bin genug. Ich bin klug. Ich mag mich. Ich kann alles meistern. Ich schaffe das.“ Das ist nicht meine „Think positive“-App, die mich jeden Morgen mental auf das Überleben des bevorstehenden Tages einstimmt. Es ist eine Gruppe Fünfjähriger, die ihrer Erzieherin Motivationssätze im Chor nachpiepst.
 
Ich bin okay. Du bist okay.
 
Ich sitze im Gang vor der Kindergartengruppe meines damals Einjährigen. Eingewöhnungsphase. Mutti soll für eine halbe Stunde draußen Platz nehmen. Während ich warte und Pläne für meine bald wiedergewonnene Freiheit schmiede, schweifen meine Gedanken weg vom Nachmittagsmartini. Hier werden gerade Kleinkinder auf den bevorstehenden Schulbeginn vorbereitet. Ruhig sitzen. Nicht Nasenbohren. Solche Sachen. Und im Kollektiv Sätze über Selbstliebe wiederholen. Das ist neu. Abc, Stift halten und Affirmationstraining. Das Ernst-des-Lebens-Starterpack für Fünfjährige. 
 
Ich bin eh super. 
 
Wow. Das hätte ich auch gerne gehabt als Kind, als Schülerin, als Studierende. Als Mutter! Jemand, der einem sagt: Du schaffst alles, was du willst. Stattdessen scrolle ich mich heute als vom Leben geschüttelte und übermüdete schlechte Kopie meiner selbst durch die Profile selbsternannter Life-Coaches und Motivations-Gurus für meine Rückversicherung: Ich bin eh leiwand, wie ich bin. Ich pack das. Ich brauch ja nur an mich zu glauben. 
Andere tun das verrückterweise. Viele Jahre durfte ich im Rahmen eines Projektes als „Integrationsbotschafterin“ in österreichischen Schulen über mich erzählen. Ein Referat über meinen Lebenslauf halten quasi. Für mich ein Zeugnis unerfüllter Lebensträume und eine Aneinanderreihung beruflicher Kompromisse. 
 
Mehr Vorbilder aus dem Jugodorf. Jetzt!
 
Für Sanja und Nevena, die mich nach einem Vortrag ansprachen, anscheinend ein trotzdem erstrebenswerter Weg, den sie sich plötzlich zu gehen trauten. „Meine Eltern kommen aus dem Nebendorf deiner Eltern. Das ist so cool. Und das kann man echt studieren? Ich hab‘ da Chancen mit meiner Muttersprache?“ Anscheinend mind-blowing.
Sie waren überwältigt. Ich verwirrt. Da hangen achtzehnjährige Girls an meinen Lippen und waren bereit, ein Freiwilligenjahr in Neuseeland zu machen, bloß weil ich ihnen von der Existenz dieser Möglichkeit erzählte. Plötzlich war ich Vorbild. Ups. Was habe ich da angestellt. 
 
Tata, ich geh‘ Weltreise.
 
Hoffentlich verfluchten mich deren Eltern nicht, dass die zukunftssichere Lehre beim Billa für ein Interrail-Abenteuer quer durch Europa storniert wurde. Oder sie sind vielleicht ganz dankbar, dass ihr Kind nun weiß, dass es die Welt erobern kann, wenn es nur daran glaubt und unterstützt wird. Von Vorbildern, Rolemodels, Mentor:innen. Von Leuten, die ihnen eintrichtern: “Ich glaub’ an mich. Ich bin einzigartig. Ich kann alles meistern. Ich schaffe das.“
Die dreißig Minuten sind um. Mein Einjähriger wackelt stolz durch die Türe. Generation Mindset bohrt selbstbewusst in der Nase. Ich blicke optimistisch in die Zukunft.  
 
 
 

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