Nach dem Terror ist vor dem Terror

13. November 2020

Ganze neun Tage lang hat es nach dem grausamen Terroranschlag in Wien gedauert, bis die Bundesregierung ins alte Muster des Populismus zurückgefallen ist. 


Auf den dschihadistischen Terroranschlag mit vier Toten antwortete die heimische Politik und Zivilgesellschaft zunächst besonnen und deeskalierend. In einem Moment schien es so, als hätten Bundeskanzler Kurz und seine Regierung verstanden, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt statt Spaltung das beste Mittel für den Kampf gegen den Terror ist.

Doch diese Illusion währte nicht lange. Nur neun Tage nach dem Anschlag, der Wien und Österreich zutiefst erschütterte, hören wir aus der Bundesregierung wieder alte Töne: Eine populistische Law-and-Order-Politik, die nun den "politischen Islam" unter Strafe stellen will. Was darunter zu verstehen ist, weiß bis heute niemand - weder Politiker noch Theologen, geschweige denn die Öffentlichkeit. Hauptsache, es muss laut hinausposaunt werden und etwas mit "Islam" zu tun haben, denn so kann die Regierung Kurz ihre Klientel immer bei Laune halten und vom eigenen Versagen geschickt ablenken.

Nenad Memic
Foto: Zoe Opratko

Nach den verheerenden Pannen im Bundesamt für Verfassungsschutz und der Polizei hätte Innenminister Karl Nehammer längst die politische Verantwortung übernehmen müssen. Aber statt einem Rücktritt bekommen wir nun eine Kommission und viel populistisches Getöse als Teil einer Rettungsaktion des Innenministers. So bleibt alles, wie es auch vor dem Terroranschlag war - Kurz ist weiterhin sauber und behält seine Popularität, Nehammer bleibt im Amt und kann sich weiterhin zum starken Mann stilisieren. Auch Vertreter der Muslime haben wieder einen Grund, über Stigmatisierung und Diskriminierung zu klagen. Nach einer kurzen Schockstarre sind alle Akteure wieder in ihre alten Rollen geschlüpft. Für sie durchaus bequem, für uns bitter enttäuschend...

Nedad Memić ist bosnischstämmiger Germanist und Kommunikationsberater in Wien.

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