Streng oder gläubig?

28. Januar 2014

Die junge Deutsche, Sawsan Chebli, wird künftig die erste muslimische Sprecherin im Auswärtigen Amt sein. Das ist doch mal eine gute Nachricht! Weniger erfreulich sind die medialen Zuschreibungen, die ihr aufgrund ihres Glaubens an den Kopf geworfen werden.

 

Ich freue mich und lese interessiert einige Berichte zu ihrer Ernennung. Oft wird erwähnt, dass sie eine praktizierende Muslimin ist – „obwohl“ sie kein Kopftuch trägt. Für die deutsche Öffentlichkeit dürfte das wohl fast eine Offenbarung sein: Wow, eine Muslimin, die ihren Glauben ernst nimmt und kein Kopftuch trägt! Für MuslimInnen ist das nichts Neues: Äußere Merkmale können nicht zeigen, wie religiös ein Mensch ist.

Die Berichte über sie sind deshalb begrüßenswert und tragen hoffentlich dazu bei, ein vielfältigeres Bild von muslimischen Frauen zu zeichnen sowie medial verbreitete Klischees zu überwinden. Es gab jedoch auch Artikel, die mich ärgerten. Der Berliner Tagesspiegel titelte: „Ich bete, ich faste, ich trinke keinen Alkohol“, im Untertitel hieß es: „Die strenggläubige Muslimin mit palästinensischen Wurzeln hat eine bemerkenswerte Karriere gemacht.“

unbarmherzig und rau?

Als „Streng gläubig" wird sie bezeichnet, weil sie betet, fastet und keinen Alkohol trinkt? Das hört sich fast so freundlich an wie Fundamentalistin oder eine Orthodoxe – Dabei geht es um eine übliche, islamische Religionspraxis. Wenn sie das nicht täte, wo wäre dann die Muslimin?

Die junge Frau äußert sich selbst zu ihrer Glaubenspraxis.  Warum ist es da notwendig ihr eine Fremdbezeichnung aufzudrücken?  Das Wort „streng“, im Duden nachgeschlagen, bedeutet: „Härte zeigend“, „keine Einschränkung duldend“, „unbarmherzig“ oder „rau“. Das sind nicht gerade nette Zuschreibungen. Die junge Frau auf den Bildern wirkt alles andere als rau oder unbarmherzig. Ihre Worte sind bedacht und klug gewählt.

Frau mit Traum

Es ist unfair, Menschen einen fremden Stempel aufzudrücken: Sie sind in der Lage, für sich selbst zu sprechen und brauchen keine Bevormundung. Kritische JournalistInnen müssen sich dabei fragen: Geht es um die Darstellung der Person und darum ihren Gedanken Platz zu geben? Oder geht es um mein eigenes Bedürfnis, sie in eine bekannte Schublade zu stecken und meinen eigenen Vorurteilen zu unterwerfen?

Die Bezeichnung von MuslimInnen darf sich nicht zwischen strenggläubig, ungläubig oder konservativ erschöpfen. MuslimInnen sind in der Lage für sich selbst zu sprechen, so auch Sawsan Chebli: „Mein Traum ist, dass jeder in diesem Land beurteilt wird nach dem, was er kann - nicht nach seinem Hintergrund.“

Dudu Kücükgöl hat Wirtschaftspädagogik studiert und schreibt gerade ihr Doktorat am Institut für Gender- und Diversitätsmangement auf der Wirtschaftsuniversität.

 

Fotocredit: Hannibal Hanschke / EPA / picturedesk.com

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