„Treibjagd“ auf Flüchtlinge in Perchtoldsdorf

10. Februar 2021

Seit Wochen wird auf die menschenunwürdige Situation in den Lagern in Griechenland oder an der bosnisch-kroatischen Grenze aufmerksam gemacht. Das Problem liegt allerdings immer auswärts und selten in den eigenen Reihen. Wie ist es aber, wenn man sich im eigenen Land umschaut? In Perchtoldsdorf wurden vergangenen Montag laut Augenzeug:innenberichten mehrere Flüchtlinge quasi einer „Treibjagd“ ausgesetzt. 

Gastbeitrag von Sladana Adamovic

Sladana Adamovic studiert Kultur-und Sozialantropologie im Master an der Universität Wien. Durch ihre Familie und Freund:innen, die in Pertcholdsdorf leben und am Montag vor Ort waren, hat sie die folgende Situation geschildert bekommen.

Bewohner:innen vor Ort hätten Helikopter gehört und so von dem nicht allzu kleinen Polizeieinsatz am Montag mitbekommen. Die Polizei hätte nicht wirklich erklärt, warum sie dort ist. Menschen, die in dem Waldstück spazieren gingen, fanden es besonders amüsant, Flüchtlinge ausfindig zu machen, da sie vermeintlich dazu von der Polizei animiert wurden. So schreibt ein Anrainer aus Perchtoldsdorf, dass drei Polizisten ihn gefragt hätten, ob sie „Flüchtlinge gesehen haben“. Auf Facebook wird prahlend verkündet, wie gut sie der Polizei geholfen haben, die Flüchtlinge „einzusammeln“.

Screenshot: Facebook
Screenshot: Facebook

Es läuft einem ein kalter Schauer über den Rücken, wenn man an Parallelen in der Geschichte denkt. Spätestens hier ist erkennbar, dass Rassismus in der Flüchtlingspolitik verankert ist. Wie sonst könnte Konsens darüber herrschen, wie ein Flüchtling auszusehen hat. Laut NÖN handelt es sich um 25 Männer aus Syrien, die von Schleppern in der Nähe ausgesetzt worden sind. Auf der Heide haben sie nach einem langen Weg eine Pause gemacht, wo Personen dann auf die Gruppe aufmerksam wurden. Laut Augenzeug:innen wurden ein Dutzend Polizeistreifen und ein Hubschrauber eingesetzt. Laut Asyl-Landesrat Gottfried Waldhäusel (FPÖ) wird eine „weitere Flüchtlingskrise“ befürchtet. Eine Stunde nach dem Polizeieinsatz wären alle Personen weggewesen. Es blieben Kleidungsstücke, jede Menge warmer Winterjacken, Schuhe, Rucksäcke, Wertsachen wie Ladekabel, Kopfhörer, Nahrungsmittel, sogar Geld und Medikamente zurück. Alle Taschen der Rucksäcke waren offen und sind offensichtlich durchsucht worden - das berichten Anrainer:innen. Die Wertsachen wurden nicht mitgenommen. Laut Polizeiinspektion Perchtoldsdorf wurde es den Geflüchteten angeboten, die Wertsachen mitzunehmen, die sie benötigen. 

Perchtoldsdorfer Heide/Bereitgestellt
Perchtoldsdorfer Heide/Bereitgestellt

Die Relevanz endet hier nicht.

Es schien, als müsste alles aber schnellgehen. Trotz Schnee und Kälte wundert es einen doch, warum diese nicht mitgenommen wurden. Papiere, die von der serbischen Asylbehörde ausgestellt worden sind, weisen darauf hin, dass es sich um syrische Geflüchtete handelt. Am Tag darauf war M., ein Feldschutzorgan der Heide in Perchtoldsdorf, auf der Heide unterwegs, da er für den Schutz des Naturschutzgebiets verantwortlich ist. Dies berichten ebenfalls Augenzeug:innen. Er wollte die Gegenstände vom Wirtschaftshof einsammeln und zur Gemeinde bringen lassen, weshalb er sich mit dem Sekretariat des Bürgermeisters in Verbindung setzte. Nach dem Gespräch mit der Sekretärin des Bürgermeisters wurde die Polizei geschickt, die wiederum meinte, dass alles weggeschmissen werden soll. Es wäre nur mehr Müll vorhanden. Die Gegenstände sollten laut Polizei zum Wirtschaftshof gebracht werden, denn anscheinend brauchten es die geflüchteten Personen nicht mehr. Die Gegenstände waren nichts wert, sondern seien laut der Polizei vor Ort Müll. Laut der Polizeiinspektion Perchtoldsdorf ist dies eine gängige Praxis, weil sie „dort unten“ (im Anhaltezentrum Schwechat) nicht mehr zuordnen können, wem was gehört. Mittlerweile befinden sich die geflüchteten Personen im Anhaltezentrum Schwechat, wo sie um Asyl ansuchen. Die Relevanz zu der Flüchtlingssituation endet aber nicht dann, wenn sie aus den Augen der Anrainer:innen verschwunden sind. Es ist wichtig, sich mit der Problematik auch innerhalb Österreichs auseinanderzusetzen und hier nicht einfach wegzuschauen. 

 

 

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