Was die hohe Inflation für uns bedeutet.

17. Juni 2022

Corona und der Ukraine-Krieg lassen die Preise von Alltagsgegenständen in die Höhe schießen. Das Leben wird für viele langsam aber sicher nicht mehr leistbar. Diese Woche präsentierte die ÖVP ein Anti-Teuerungspaket - also Maßnahmen, die uns helfen sollen die hohen Preise zu kompensieren. Ein paar Gedanken dazu. 

 

Gastkommentar von Frederika Ferkova

 

Als ich diesen Monat meine Strom- und Gasrechnung bekommen habe, bin ich fast vom Sessel gerutscht. Geöffnet habe ich sie nach dem ich meinen Wocheneinkauf erledigt habe: 68 saftige Euro. Da war jetzt nicht der beste Schnitt des Bio-Rinds dabei, sondern einfache Eier, Milch und sonstige schnell verzehrbaren Dinge. Ich könnte schwören, dass ich noch vor zwei Jahren unter 50 Euro gezahlt habe. Die Inflation ist da und trifft mich als AMS-Bezieherin mit voller Wucht. Ich ernähre mich seit neuestem vegetarisch - nicht weil ich unbedingt will, sondern weil das Fleisch zu teuer ist.  Auch wenn ich mich weiterhin gerne nicht mit Wirtschaft und Politik auseinandersetzen würde: Ich muss es jetzt. Wir müssen es jetzt. Vieles ist nämlich auch einfach die Unfairness der Politik und müsste so nicht sein.

Fangen wir mal bei der Inflation an: Jedes Jahr werden Preise zirka 2% teurer. Das ist eigentlich nicht viel und sogar erwünscht. Zurzeit aber beträgt die Teuerung nicht 2 % und auch nicht 4% sondern sie liegt bei 7,7 %. Ganz schön viel. Vor allem ist es für Bezieher*innen von Sozialleistungen ganz schön viel: Immerhin werden Sozialleistungen in Österreich bis dato nicht automatisch an diese Teuerung angepasst. Das bedeutet: Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Studienbeihilfe, Schulbeihilfen, Karenzgeld, Arbeitslosengeld, Mindestsicherung und Notstandshilfe werden nur selten erhöht und das meistens kurz vor den Wahlen. So ist die Familienbeihilfe heute 30% weniger wert, als sie es vor 20 Jahren war.  Und erhöht wurde sie 2003, 2014, 2016 und zuletzt 2018 medienwirksam von der Politik, aber die Inflation macht sie eben auch nicht wett. Man könnte jetzt denken, dass es vielleicht einfach technisch nicht geht, so eine automatische Anpassung - aber in Österreich ist die Parteienförderung (einer der höchsten weltweit) schon automatisch indexiert, also an die Inflation angepasst. Im neuen Anti-Teuerungspaket wird endlich davon gesprochen Sozialleistungen auch anzupassen. 

Frederika Ferkova/bereitgestellt
Frederika Ferkova/bereitgestellt

2500 brutto war 2004 mehr wert als 2500 Euro brutto heute wert ist. 

Was auch nicht an die Inflation angepasst wird: Die Steuerstufen. Jetzt wird es ein bisschen kompliziert, aber es ist wichtig, es zu verstehen. Ein Durchschnittsverdiener verliert durch die Kalte Progression nämlich 550 bis 850 Euro jährlich. Dadurch, dass alles teurer wird, steigen auch die Löhne. Mit einem höheren Lohn kommst du aber in einer Steuerstufe, die dich mehr Steuer abgeben lässt. 2500 brutto war 2004 mehr wert als 2500 Euro brutto heute wert ist. 

Kapische?! Dadurch, dass die Steuerstufen einfach nie verändert worden sind, glaubt das Steuersystem du bist Großverdiener mit deinem Gehalt und zwackt dir einen Großteil des Gehalts ab. Dabei kannst du dir mit Ach und Krach deine Miete leisten. Dieser Effekt wird “Die kalte Progression” genannt und sorgt seit Jahrzehnten unter Ökonom*innen und wirtschaftlich-interessierten Bürger*innen dieses Landes für Zornesfalten. 


Auch hier wurde versprochen, dass sie das endlich - nach dem es von jeder Partei in jedem Wahlkampf versprochen wird - abschaffen und das Steuersystem fair gestalten. Dänemark macht es schon so. Es gibt mehr Gründe für regierende Parteien, die kalte Progression nicht abzuschaffen: Immerhin verdient die Staatskasse gut daran und dadurch, dass es 90% der Bevölkerung nicht interessiert oder sie es nicht versteht, kann man so gut Geld sammeln, um es im Jahr vor den Wahlen großzügig ausgeben. Es macht also Sinn, dass keine regierende Partei jemals die kalte Progression angesprochen oder abgesetzt hat.  Warum die ÖVP und nicht die SPÖ jetzt diese “soziale” Politik macht, ist wahrscheinlich mehrdimensional zu beantworten: Erstens ist die ÖVP seit Bastis Rückzug total am Arsch und zweitens rast die Inflation so durch das Land, dass man schlicht und einfach etwas tun muss, wenn man nicht Bilder von Obdachlosencamps haben will. Und Bilder von Obdachlosencamps ist kein vibe, für keine Regierung. Was genau vom “Geld-zurück-Paket” tatsächlich umgesetzt wird, wird sich noch zeigen - immerhin ist die ÖVP immer besonders gut im ankündigen gewesen - wir erinnern uns hier an z.B. die Impfpflicht oder das Versprechen einer neuen und nicht-korrupten ÖVP - und eher nicht so gut im Umsetzen gewesen. Aber wenn die kalte Progression abgeschafft und die Sozialleistungen an die Inflation angepasst werden, dann sind wir einen Schritt weiter in Richtung Fairness. Der Weg ist aber noch lang.

 

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