Was habt ihr euch davon erhofft?

14. Mai 2015

Was erwartet man von einem Interview mit Vojislav Šešelj? Ein Zeichen von Reue? Antworten? Einblick in seine Psyche? Dieser Mann wurde elf Jahre lang in Den Haag verhört, ohne das etwas vernünftiges aus seinem Mund kam.

 

Großserbien, Srebrenica als Inszenierung des Westens und die fleißige serbische Diaspora. Šešelj spult seit Jahren dasselbe Band ab und ihr habt ihm die Gelegenheit gegeben es nochmal zu tun.

 

Auf eurer Facebookseite stand: „Biber hat als erstes österreichisches Medium den serbischen Ultranationalisten Vojislav Seselj interviewt.“ War es schwer an das Interview zu kommen? Soweit ich weiß, redet Šešelj mit jedem, der ihm ein Mikrofon vors Gesicht hält.

 

In dem Artikel steht, dass er den Balkan seit seiner Entlassung nicht mehr zur Ruhe kommt, aber das stimmt nicht. Es waren keine Massen, die ihn in Belgrad empfangen haben, sondern der traurige Bodensatz dessen, was ihm schon in den 90er Jahren hinterher gelaufen ist. Ein Skandal hier, etwas Medienhysterie dort - zu mehr taugt Šešelj heute nicht mehr.

 

Wolltet ihr ihm noch einen kleinen Skandal schenken? Oder mal einen waschechten Kriegshetzer vor euch haben? An diesen Verbrechern ist wenig besonderes. Sie sind so banal, dass es wehtut.

 

Vojislav Seselj
Seselj im Gespräch mit Biber-Redakteurin Alexandra Stanic

Šešelj kann nicht denken, reflektieren und schon gar keine Schuld eingestehen. Er ist ein Fundamentalist, mit einem instrumentellen Verhältnis zur Sprache und er liebt die Aufmerksamkeit.

Das die Öffentlichkeit sich nicht mehr für ihn interessiert, tut ihm mehr weh als seine Metastasen. Die einzigen, die ihm heute noch folgen sind die Armleuchter der serbisch-radikalen Partei (Srpska Radikalna Stranka), deren Führer er ist. Eine rechtsextreme Partei, die den Sprung ins Parlament verpasst hat und keine Rolle in der aktuellen serbischen Politik spielt.

 

Aus Šešeljs Sicht haben ihn seine ehemaligen Musterschüler Aleksandar Vučić und Tomislav Nikolić verraten, das Kosovo aufgegeben und orientieren sich in Richtung der ihm so verhassten EU. Als er sich Den Haag stellte, gab es noch viele Serben, die ihm die Daumen drückten und den Prozess beobachteten. Heute ist es ihnen egal, was er zu sagen hat.

 

Das UN-Tribunal hat noch kein Urteil über Šešelj getroffen, aber die Geschichte hat es getan. Er hat gesagt, was er zu sagen hatte und sich zumindest moralisch mitschuldig an Kriegsverbrechen gemacht, die er bis heute relativiert. Es gibt keinen Grund mit ihm zu reden.

 

Krsto Lazarević wurde 1989 in der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien geboren. Er arbeitet als freier Journalist für verschiedene Medien in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Bosnien-Herzegowina.

 

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