Hast du fünf Minuten Zeit?

  Ich habe in den Osterferien als Fundraiser gearbeitet. Viele kennen diesen Beruf nicht unter der Bezeichnung „Fundraiser“, sondern eher als ''Nerv-Menschen'' oder als den ''unterbezahlten Studenten-Job''. Die Aufgabe eines Fundraisers ist es, Förderer für Vereine zu finden, indem man auf der Straße alle möglichen Menschen ab 18 anspricht, ihnen von dem Projekt erzählt und hofft, dass sie zu Förderern werden.

Als ich mich für diesen Job beworben hatte, haben mich viele gewarnt. Sie meinten, dass es ein undankbarer Beruf wäre und meine Freunde erzählten mir sogar von Fundraisern, die ihren Lohn nie gekriegt hätten.

Aber ich bin ein Mensch, der alles lieber selbst herausfindet. Aber sogar mein Vater war gegen den Job, obwohl er immer sagt, dass ich endlich eine richtige Job-Erfahrung machen soll. Dabei arbeite ich doch eh ab und zu in der Boutique meiner Cousine in Istanbul und ich habe auch meine Berufspraktischen Tage von der Schule aus absolviert. Ich dachte also, ich kenne mich aus. Ich dachte ernsthaft, ich wäre fit und bereit für so einen Job. Ich wohne in Wien und sehe Fundraiser täglich, mir kam ihr Job immer so einfach vor. Doch ich habe mich geirrt.

Die Schulung

Bevor man mit dem Leute anquatschen beginnt, wird man zuerst eingeschult. Acht Stunden dauert die Schulung und findet an einem Samstag statt. Zuerst stellten sich alle vor, dann durfte man sich ein Verein ''aussuchen''. Es standen vier Vereine zur Auswahl und weil ich nichts gecheckt hatte, nahm ich gleich den ersten Verein, der erwähnt wurde. World Vision. Ein Verein, das Entwicklungshilfe in Afrika und Asien mit Patenschaftsprojekten leistet.

Danach gab man uns Formulare, die wir ''Mitmachzettel'' nannten, weil das sympathischer klang. Später wurden die Vereine vorgestellt und am Ende der Schulung erhielten wir einen Text. In diesem Text stand das drinnen, was ihr auf der Straße von uns hört. Also könnte man das ''Skript'' nennen. Diesen Text mussten wir auswendig lernen, man durfte erst gehen wenn man den Text konnte.

Der Job

Ich habe acht Stunden am Tag gearbeitet und ohne Förderer, also Menschen die ich auf der Straße überzeugen konnte, mitzumachen, 36 Euro am Tag verdient.

Am ersten Arbeitstag wurden wir in Teams aufgeteilt. Die Teams hatten jeweils einen Team-Leiter, die ''Standort-Betreuer''. Ich war in einem Team mit einer Betreuerin namens „Chilla“, einem zukünftigen Piloten und einer Dreadlock-Queen, die immer ihr Haustier, eine Ratte, auf ihrer Schulter trug. Später kam auch eine liebevolle Halb-Türkin in unser Team. Mir gefiel mein Team von Anfang an. Chilla und die Dreadlock-Queen waren die Erfahrensten. Der zukünftige Pilot, die Halb-Türkin und ich waren die Neulinge.

Unser erster Standort war Wiener Neustadt. Ich fand den ersten Tag gar nicht so schlimm, doch das Wetter ruinierte alles. Es war windig, andauernd regnete es und ich war nicht warm angezogen. Denn ich lebe nach dem Motto „Dress To Impress“, doch bei diesem Job ist es egal wie du ausschaust. Sobald ich meine Vereins-Jacke trug, beachteten die Leute mich nicht mehr. Versteht mich nicht falsch, ich bin nicht eingebildet, aber ich wurde in meinem Leben noch nie dermaßen ignoriert und noch nie haben mich Menschen mit einem einfachen „Hallo“ so glücklich gemacht.

Am zweiten Tag waren wir in Krems an der Donau, wo ich mich mit einem Rassisten anlegte, der angesprochen auf eine Patenschaft in Afrika, von „hinterlistigen Negern“ sprach. Als ich nach dieser Begegnung weinend auf der Parkbank saß, traf ich auch einen netten Menschen, einen bosnischen Taxi-Fahrer der mich aufbaute.

Am dritten Tag waren wir in Mödling. Ich hatte gar keine Motivation an dem Tag, die Begegnung mit dem Rassisten ließ mich nicht los. Wir standen am Bahnhof und die Leute hatte alle keine Zeit. Ich fand gar keinen Förderer und langsam gingen mir die Leute am Arsch vorbei. Die liebevolle Halb-Türkin, Chilla und der Future-Pilot versuchten alles um mich zu motivieren. Doch ich gab auf. Am nächsten Tag ging ich ins Büro um offiziell zu kündigen. Da erfuhr ich, dass einige andere auch gekündigt hatten. Sogar der Pilot hatte kurz nach mir gekündigt.

Die Menschen

Doch in der kurzen Zeit habe ich einiges über die Menschen gelernt: Sobald sie uns in unseren hellen Jacken sehen, nehmen sie ihr Handy raus und tun so als würden sie telefonieren oder sie sagen automatisch „Nein, Danke“. Hä? Wofür denn „Danke“? Ich habe ja nichts getan. Oder die Leute sagen einfach „Ich bin selber arm. Sollen die doch mir helfen.“

Dann gibt es da die Menschen, meist junge Burschen, die einen anstarren während man ihnen vom Projekt erzählt, die dann einfach nachdem man 10 Minuten geredet hat nach der Telefonnummer fragen.

Was mir noch auffiel ist, dass meistens Jugendliche stehen bleiben, aber leider sind 90% von ihnen unter 18.

Fazit

Wenn du denkst, dass dein Selbstbewusstsein hoch genug ist, du wetterfest bist, immer gute Laune hast und sozial engagiert bist, dann bewirb dich als Fundraiser.

Aber wenn du empfindlich bist, dich zu sehr um deine Haare im Regen kümmerst und dich leicht runterkriegen lässt, dann lass es lieber. Es ist das Geld nicht wert. Das habe ich mir am Ende gedacht, obwohl ich eine Person bin, die nie etwas stehen lässt ohne es zu Ende zu bringen.

Aber ich bereue es ganz und gar nicht. Ich habe so viele nette Menschen kennen gelernt und wenn mich das nächste Mal einer von den vermeintlich nervigen Menschen auf der Straße anspricht, bleib ich stehen – denn jetzt weiß ich, wie viel ein erwidertes „Hallo“ bedeuten kann.

 

  

 

Zur Autorin: Asli ist 17 Jahre alt und besucht die sechste Klasse des BORG3

Kommentare

 

Ich selbst werde diesen Sommer diesen Job ausüben und du glaunst mir nicht wie seh mir dein Artikel geholfen hat. Gewissermaßen bin ich genau wie du. Mir haben so viele schon versucht den Job schlecht zu reden. Angefangen bei der Familie über Freunden bishin zu Freunden von Freunden :D Aber letztendlich willan selbst diese Erfahrung gesammelt haben und da zählt nichts was einer einem sagt. Das was du durchgemacht hast, hat mich jetzt nur noch neugieriger dem job gegenüber gemacht. Also ein richtig gut gelungener Artikel!

 

Mach auf jeden Fall den Job. Erfahrung ist gut und hör auf dich selbst. Nja vielleicht gefällt der Job dir sogar ;)

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