Mein Freund, der Terrorist!

Heute bin ich 16 Jahre alt. Mit 14, in der dritten Klasse Hauptschule, kam Markus* in unsere Klasse. Markus ist Österreicher. Am Anfang redeten wir kaum miteinander. Ich hatte andere Freunde, mit denen ich immer geredet habe und er hatte seine. Nach einem halben Jahr sind wir uns schon etwas näher gekommen. Mit der Zeit vertraute er mir seine Probleme an. Er war in der Schule anderen gegenüber sehr aggressiv. Ich fragte ihn, wieso er so schnell aggressiv wird. Er erzählte mir dann, was in seiner Familie los war. Seine Mutter lebt in London, hat einen Mann und eine Tochter. Sie interessiert sich nicht für Markus. Sein Vater lebt zwar in Wien, aber er hat auch nie Zeit für Markus. Markus' älterer Bruder ist vor Jahren gestorben, da war Markus noch sehr klein. Als ich Markus kennenlernte, lebte er in einer WG.

Konvertiert

Unsere Freundschaft vertiefte sich. Wir telefonierten jeden Abend. Markus hat sich von Zeit zu Zeit immer mehr für den Islam interessiert. Er stellte mir immer Fragen zum Gebet und zum Fasten.

Eines Tages schrieb er mir, dass er zum Islam konvertiert sei. Ein paar Tage später schickte er mir Fotos aus der Moschee in Wien. Um 02:00 Uhr in der Früh schrieb er mir plötzlich, er sei auf der Donauinsel. Als ich ihn fragte, was er um diese Uhrzeit dort zu suchen habe, sagte er mir, dass er sich dort mit seinen Freunden treffen würde, um mit ihnen für eine Schlägerei zu trainieren. Da merkte ich, dass er sich sehr verändert hatte. Nach einer Woche sagte er mir streng, dass ich Kopftuch tragen solle. Ich stand unter Schock.

Dschihad

Ein paar Monate später rief er mich an und sagte mir, dass er nach Syrien fliehen und dort kämpfen wolle. Ich dachte, dass er nur Spaß macht. Aber er meinte, dass es sein Ernst sei. Nach dem Telefonat habe ich viel darüber nachgedacht. Ich wusste, dass er immer in eine Moschee in der Nähe vom Praterstern ging. Ich erzählte meinem Islam-Religionslehrer, was Markus, der jetzt einen muslimischen Namen trägt, vorhat. Mein Lehrer sagte, dass diese Moschee im Praterstern die Leute manipuliere und nach Syrien in den Dschihad schicke. Ich bat meinen Lehrer, mit Markus zu reden. Markus willigte ein, in die Schule zu kommen und mit meinem Lehrer zu reden. Ich ließ die beiden alleine. Nach dem Treffen sagte Markus zu mir, dass er nicht nach Syrien gehen wird. Ich war überglücklich.

Ich konnte nun endlich erleichtert in den Sommerurlaub in die Türkei reisen.

Alles vorbei

Als ich nach fünf Wochen wieder zurück in Österreich war, schickte mir eine Freundin ein Video, das in den sozialen Medien kursierte. In dem Video war Markus zu sehen. Er hatte jetzt einen Bart und trug ein Stirnband um den Kopf. Er war schwarz gekleidet und erklärte, dass er jetzt in Syrien sei um zu kämpfen. Ich konnte meine Tränen nicht zurückhalten. In dieser Zeit schaute ich mir immer wieder unsere alten Fotos und Chatverläufe an. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.

Vor vier Monaten habe ich von einer Freundin erfahren, dass er zurück in Wien ist. Er hat große Probleme. Nicht nur, dass er jetzt im Gefängnis ist, viele IS-Mitglieder wollen ihn wegen Verrat umbringen.

Obwohl mein einst bester Freund wieder in Österreich ist, kann ich ihn nicht sehen und habe noch immer Angst um ihn.

*Name von der Redaktion geändert

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