Sag mir nicht, wie viel ich essen soll

„Heute scheint es dir zu schmecken“, sagte ein Freund letzten Sommer auf einem Feriencamp zu mir. Dieser Kommentar hat mich sehr getriggert, gleichzeitig aber auch die Augen geöffnet.
Mir ist auf diesem Camp schon davor aufgefallen, dass ich mich unwohlfühle vor vielen anderen Menschen zu essen und ich habe in dieser Woche auch weniger gegessen als sonst. Ich hatte Angst, dass die anderen sehen wovon ich wie viel esse und daraus Schlüsse über meinen Körper ziehen. Als ich dann an einem Abend anscheinend mehr gegessen habe, wurde mir sofort rückgemeldet, dass das den Leuten um mich herum aufgefallen war. Der Kommentar hat meine Sorge bestätigt und obwohl ich rational natürlich wusste, dass die Person es nicht böse gemeint hat, hatte ich dann plötzlich überhaupt keinen Hunger mehr.

Kommentare zum Essverhalten anderer Menschen gibt es in vielfacher Ausführung - von „Du isst ja ganz schön viel heute“ bis hin zu „Warum hast du nur so eine kleiner Portion?“. Egal ob es gut oder böse gemeint ist, meiner Meinung nach sind sie alle problematisch. Das wurde mir letzten Sommer klar und seitdem achte ich besonders auf solche Kommentare. Denn man weiß nie, welche Beziehung die Personen um einen herum zu essen haben und vor allem weil Essstörungen in unserer Zeit und Generation leider so weit verbreitet sind, sollte man rücksichtsvoll sein. Viele haben vielleicht auch „nur“ eine gestörte Beziehung zu Essen oder durchleben gerade eine Phase, in der Essen ein sensibles Thema ist. Und auch wenn der Kommentar die betroffene Person nicht triggert, hört es vielleicht eine andere Person und beginnt sich Gedanken zu machen, was zu ihr wohl gesagt werden würde.

Essen wird ja häufig mit etwas Sozialem verbunden – man trifft sich mit Freund*innen oder isst mit der Familie. Essen mit anderen Menschen soll Spaß machen und nicht ein schlechtes Gefühl hervorrufen. Sich einen Kommentar zu verkneifen ist eine sehr einfache Art zu vermeiden, dass das passiert. In vielen Situation ist ein „Heute scheint es dir zu schmecken“ zwar total harmlos, aber vielleicht nicht immer. Einfach nichts zum Essverhalten zu sagen ist wohl das Unkomplizierteste – am Esstisch gibt es ja zum Glück genug andere Themen, über die man sich unterhalten kann.

Zoe ist 17 und hat in diesem Jahr maturiert.

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