Vielleicht, viel leichter

Früher war nichts viel leichter. Man hat mir nur immer gesagt vielleicht wird alles viel leichter. Nach einigen Psychotherapiestunden, die ich als Kind hatte und heute immer noch habe hat sich herausgestellt, dass ich Probleme habe. Wie oft ich gehört habe: „Ella, du hast eben einige Probleme.“  Ich habe aufgehört zu zählen.

Als ich als Kleinkind in den Kindergarten gekommen bin, wurde es zum ersten Mal auffällig, dass ich anders bin als die meisten anderen Kinder rund um mich. Ich habe begonnen jeden Tag zu weinen, wenn ich meinen Eltern von dem Fenster meiner Kindergartengruppe aus runter auf die Straße zugewinkt habe. Nach und nach war es kein „normales“  weinen mehr. Kein weinen weil ich traurig war, dass meine Mama oder mein Papa mich jetzt alleine im Kindergarten lassen, nein. Es war ein weinen voller Wut, Hysterie, Panik und vor allem riesiger Angst. Angst, dass mich nie wieder jemand Abholen kommt. Angst, dass meiner Familie etwas zustößt und ich alleine stundenlang im Kindergarten bin, ohne etwas mitzubekommen. Vielleicht hatte meine Mama einen Autounfall? Das ist nur ein Beispiel von vielen Dingen, die ich mir als 3-6-jähriges Mädchen gedacht habe, während ich eigentlich Spaß im Kindergarten haben sollte. Für andere Kinder wiederrum, war es das Schönste den ganzen Vormittag da zu verbringen, ihre Zeit mit Freunden zu verbringen und Spiele zu spielen. Für mich war es die Hölle.

Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Dieses Wort verfolgt mich schon mein ganzes Leben lang. Vielleicht passiert das, oder vielleicht das. So ging es den ganzen Tag wenn ich im Kindergarten, oder später dann in der Volksschule war.

Ich wollte meine Liebsten nie gehen lassen

Die Volksschulzeit war anfangs genauso schlimm für mich. Meine Schwester Hanna ist dreieinhalb Jahre älter als ich. Sie ist in die 4. Klasse gekommen, als ich eingeschult worden bin. Meine Eltern dachten, es würde für mich bestimmt leichter, wenn meine große Schwester noch ein Jahr in dieselbe Schule geht wie ich. Jeden Tag sind wir die unendlichen Stiegen bis in den 4. Stock gegangen. Sie hat sich immer um mich gekümmert. Hanna hat mich jeden noch so schweren Tag zu meiner Klasse gebracht, mir ein Bussi gegeben und ist dann in ihre Klasse gegangen. Man sollte meinen, es könnte mir ja an gar nichts fehlen. Ich habe Eltern die sich um mich kümmern, eine liebevolle Schwester, die alles für mich getan hätte und heute noch alles für mich tun würde. Doch irgendwas stimmt nicht. Ich wollte meine Liebsten noch nie gerne gehen lassen. Ganze zwei Jahre habe ich noch jeden Tag geweint, wenn mir meine Mama oder mein Papa den Rücken zugewandt haben.

Das mit dem weinen hatte nach langer Zeit ein Ende. Doch das Gefühl, ständige Angst und Panik zu haben, ist bis heute nicht verschwunden. Ich habe mit der Zeit gelernt damit besser umzugehen, aber ich kann nicht behaupten, dass ich heute ohne dem ganzen Gefühlschaos lebe.

Ich bin jetzt schon wieder fast ein Jahr in Therapie. Ob es hilft? Keine Ahnung. Manchmal mehr, manchmal weniger.

Mein ganzer Körper beginnt zu zittern und weh zu tun

Ich habe wöchentlich Nervenzusammenbrüche, die ich nicht steuern kann. Es ist schwer zu beschreiben, wie so etwas abläuft. Meistens passiert es an einem Tag, an dem ich schlecht gelaunt bin und hauptsächlich negative Gedanken habe. In der Schule oder wenn ich unterwegs bin, überspiele ich das alles. Gefühle, Eindrücke und Gedanken stauen sich über mehrere Tage auf, wenn ich dann zu Hause bin, alleine in meinem Zimmer sitze, ist es wie eine Seifenblase die durch eine Kleinigkeit platzt. Dann beginne ich zu weinen, es schwirren nur mehr negative Gedanken in meinem Kopf und mein ganzer Körper beginnt zu zittern und weh zu tun. Ich kann mich oft nicht einmal alleine aufsetzten. Das schlimmste an solchen Zusammenbrüchen für mich ist, dass mir niemand helfen kann. Weder meine Eltern, Schwester oder mein Freund. Leider geht es mir zu Zeit psychisch recht schlecht. Nichts wurde viel leichter. 

 

Ella-Margareta, 17 Jahre alt, besucht die Dr. Roland Maturaschule

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