Woher komme ich- Wer bin ich?

Jedes Jahr in Italien, sprechen mich Menschen auf Italienisch an. Ich kann kein fließendes Italienisch und das merken wiederum die Einheimischen. Wenn die Leute merken, dass ich ihre Muttersprache nicht spreche, schauen sie mich mit komischen Blicken an und fragen nach woher ich denn komme. Aber das zu erklären, ist schwieriger als ich jemals gedacht hätte.

Ich bin nun 17 Jahre alt und adoptiert. Meine leibliche Mutter hatte mit mir eine Schwangerschaft in kognito, sprich, es ist alles geheim und man bekommt eine sehr geringe Auskunft. Ich wusste allerdings immer schon, dass ich adoptiert bin, es ist also keine Überraschung für mich. Meine Eltern haben es mir von klein auf eingetrichtert, indem sie mir erzählt haben, dass ich aus dem Bauch einer anderen Frau komme, bis ich eines Tages wirklich verstand, was es heißt. Von dem Tag an, dachte ich mir, ich bin anders, ich gehöre nicht dazu und am schlimmsten, wo bin ich zu Hause?  

Eine unangenehme Wahrheit

In der Unterstufe gab es eine Zeit, wo jeder davon sprach, ob er ein geplantes oder ein "Unfall-Kind" sei. Ich bin adoptiert. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, also begann ich zu schweigen. Es war mir total unangenehm darüber zu sprechen, weil ich in dem Alter dachte, dass es etwas Schlimmes sei, wofür ich mich schämen müsste. Ein wahnsinnig unangenehmes  Gefühl habe ich immer bekommen, wenn Leute mich gefragt haben „ He, kommst du aus Österreich? Du siehst so anders aus.“ Alles in mir hat sich zusammengezogen und alles wurde enger. „Was soll ich jetzt sagen?“ Panik. Entweder habe ich gesagt „Nein, das ist nur Zufall ich komme aus Österreich“ oder, ich habe meinen ganzen Mut zusammengenommen und die Wahrheit ausgesprochen. Mit der vergangen Zeit hatte ich dieses Thema  wieder vergessen, wie weggeblasen. Doch dann ungefähr vor einem Jahr, bekam ich die psychischen Diagnosen Depression und posttraumatische Belastungsstörung.  Durch diese Diagnosen begannen meine ewigen Gedanken und Fragen, die sich im Kreis drehten. Wer bin ich? Was mach ich hier? Wer sind meine Eltern?  Ich habe auch einen ziemlich großen Hass auf meine leibliche Mutter gehabt. Ich erinnere mich daran, wie ich einem Freund davon erzählt habe und meinte, ich will nie in meinem Leben so werden wie diese Frau. In dieser Zeit war es sehr schwer für mich und meine Adoption trug dazu reichlich bei. Ich habe es nicht verstanden, wie man sein eigenes Kind einfach so weggeben kann. Das Kind was man 9 Monate mit sich überall hinträgt. Das Kind was in einem LEBT. Welcher Mensch kann mir sagen, dass dabei keine Gefühle auftauchen. Unvorstellbar. Fragen über Fragen aber ohne Antwort.

Ja, es tut weh

Oft muss ich daran denken, was meine Identität ist und woher ich tatsächlich komme. Ob ich das Land Italien einfach so liebe und mich hingezogen fühle, oder weil meine leibliche Mutter aus dem Land stammt und ich eine gewisse Verbindung spüre.  Wenn ich mich dann in dieses Thema zu sehr vertiefe, merke ich, wie sehr es eigentlich weh tut. Zu wissen, dass deine Mutter die dir das Leben geschenkt hat, dich weggegeben hat, bricht mir innerlich mein Herz.

Ich stelle mir oft vor, wie sie aussieht. Dunkler Teint mit dunkelbraunen lockigen Haaren, schönen großen Augen. Ob ich Geschwister habe und wenn ja wie viele. Wie mein Vater aussieht, von dem ich ebenfalls weiß, dass er nicht aus Österreich kommt. Wie es wäre, wenn sie mich nicht weggegeben hätte und wie ich aufgewachsen wäre. Eine Frage, die mich am meisten löchert, vermisst sie mich und denkt sie denn überhaupt an mich?

Ich möchte nicht großartig mit ihr einmal in meinem Leben reden und dauerhaften Kontakt haben, aber ich wünsche mir nichts sehnlicheres, als sie einmal vor mir stehen zu sehen und ihr in die Augen zu sehen. Nur ich habe zu sehr Angst vor der Enttäuschung. Davor abgewiesen zu werden oder gar vergessen worden zu sein. Denn was frage ich eine Frau die ich eigentlich gar nicht kenne aber die trotzdem die nähste Person in meinem Leben sein sollte?

 

Anna-Maria Pinter ist 17 Jahre alt und besucht die Dr. Roland Maturaschule.

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