833 Kilometer – Zwischenstation Wien

06. März 2015

Nun ist’s Zeit sich vorzustellen. Mein Name ist Dawid. Bin 25 Jahre jung und einer der Frischlinge bei biber. Durch und durch Migrant. Jetzt aber zu den Einzelheiten:

Mein Leben ist ein ständiges Pendeln zwischen drei Städten: Zakopane die Winterhauptstadt Polens, Wien die Kulturstadt und München die naturbezogene Großstadt. Geprägt haben sie mich alle.

In Zakopane am Fuße der prächtigen Gebirgskette der Hohen Tatra spielte ich bis zu meinem vierten Lebensjahr. Wuchs unter einfachen Verhältnissen bei meinen Großeltern mit Hühnern und Ziegen auf.Die nächsten 16 Jahre hat mich München aufgezogen. Die fehlenden Deutschkenntnisse im Kindergarten machten einen anfangs zum Außenseiter. Eine spätere Abschiebung nach Polen während der Grundschule war auch nicht das Gelbe vom Ei. Aber alles kein Drama. Man muss das sportlich sehen. Fünf Monate und einige bürokratische Abläufe später war ich zurück in München. Danach lief’s eher unproblematisch.

Mit der Matura und mittlerweile einer ponisch-deutschen Doppelstaatsbürgerschaft in der Tasche ging’s dann weiter nach Österreich. Wie so manch ein Deutscher, kam ich nach Wien zum Studieren, allerdings vom Studiumkarussell runtergefallen. Meine aktuelle Situation: dank der Zusage seitens der biber-Akademie konnte ich bei Ikea kündigen, wo ich ein Jahr lang als Verkäufer arbeitete. Samstags muss ich dennoch in den Saftladen Primark rein. „It’s all about money“.

Ein kurzer Überblick der Gesamtlage: in Deutschland der Pole (oder Kartoffel für manche Kanaken), in Österreich wegen dem Akzent der Piefke, in Polen der aus dem Westen oder manchmal der „szwab“.Daraus stellen sich leitende Fragen wie: Wer bin ich wirklich? Bin ich mehr deutsch oder doch polnisch? Wo ist mein richtiger Platz?

Um ehrlich zu sein, präzise Lösungsansätze zu liefern schaffe ich nicht. Vielleicht ist es sogar ein positives Zeichen, dass Leute, die bilingual bzw. bikulturell kein klares Urteil über ihre Mentalität fällen können. So bringt man Stereotypen bestimmter Nationen zusammen. Gegebenfalls ist das die Chance Vorurteile zu vernichten. Mir scheint, als würden wir Menschen automatisch eine Abneigung gegen Leute entwickeln, die aus politisch heiklen Gebieten mit fragwürdigen Regimes kommen. So ist auch nicht jeder Opa in Deutschland sofort ein Nazi oder ein Typ mit langem Bart aus dem Nahen Osten ein Kamikaze-sich-selbst-sprengender-Dschihadist. Und ebenfalls nicht jeder Pole hat 10 geklaute Autos. Die werden ja eher in Einzelteilen weiterverkauft.

Die Strecke Zakopane-München beträgt übrigens 833 Kilometer. Wien ist ziemlich in der Mitte. Und für mich ein Mittelweg aus dieser Situation heraus. Der Vorteil: spontane Abstecher zu Großelterns Ziegen oder in die alte Hood nach München sind jederzeit möglich. Die mobile Gesellschaft lässt grüßen.

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