Am Balkan ist man nur heimlich homosexuell

17. August 2015

Man sagt, Homosexualität sei heutzutage etwas völlig Normales und wird von der Gesellschaft akzeptiert. Doch die Realität sieht oft anders aus. In manchen Ländern werden Homosexuelle als pervers und krank betitelt, bedroht und in Extremfällen sogar verfolgt. Es ist so, als wären manche Menschen mit ihrer Denkweise im Mittelalter stecken geblieben - weit entfernt vom 21. Jahrhundert. Diesen Eindruck habe ich auch oft bei Teilen der balkanischen Bevölkerung. Das Thema wird dort teilweise noch immer tabuisiert.

Besonders am Land bringt das Leben für Homosexuelle so manch Schwierigkeiten und Probleme mit sich. In den Dörfern scheinen sich alle einig zu sein – schwul zu sein ist das Schlimmste, das es gibt. Und jedes noch so kleine Indiz, jedes „unmännliche“ Verhalten wird gegen einen verwendet. Du schaust als balkanischer Junge Germany’s next Topmodel? Schwul! Du bist kein Fußball-Fan? Stockschwul! Du willst lieber einen gemütlichen Fernsehabend zu Hause verbringen statt in verrauchte Clubs zu gehen? Schwuler geht’s nicht. Das Schubladendenken ist am Balkan weit verbreitet.

„Sohn, du bist 22. Es wird Zeit, dass wir endlich eine Hochzeit für dich ausrichten! Wann bringst du denn ein Mädchen mit nachhause?“ Die heikelste aller Fragen. Wie macht man seinen Eltern klar, dass es nie dazu kommen wird? „Mama, Papa, ich stehe auf Jungs.“

„Ach Sohn, dann machen wir einfach eine gleichgeschlechtliche Hochzeit!“ So eine Antwort hat wohl kaum ein Elternteil von sich gegeben. Und schon gar kein Vater. Denn was denkt denn die Gesellschaft von einem, wenn der eigene Sohn schwul ist? Man gilt als Versager, man habe in der Erziehung was falsch gemacht. Mein Sohn und schwul? Nein, das kann es nicht geben, nicht am Balkan.

Doch nicht nur die eigene Familie wird zum Problem. Auch die gesellschaftliche und politische Unterstützung Homosexueller ist sehr gering. Sehr häufig werden Homosexuelle nicht als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft angesehen. Die Gewaltbereitschaft ihnen gegenüber ist teilweise extrem, das zeigen auch gewisse Ereignisse in den vergangenen Jahren. Nur um ein Beispiel zu nennen: 2011 kam es bei der ersten Gay Parade in der kroatischen Stadt Split zu erheblichen Ausschreitungen. Etwa 10.000 voller Hass gesteuerter Menschen attackierten die 300 TeilnehmerInnen mit Steinen, Gläsern, Flaschen und sogar Feuerwerkskörpern. Die Parade musste abgebrochen werden. Und so kommt es eben dazu, dass schwule Söhne und lesbische Töchter ihre Rollen so spielen, wie es von ihnen verlangt wird.

Und wieso das Ganze? Ganz einfach: aus Angst. Aus Angst davor, die Familie zu enttäuschen, verstoßen zu werden, alleine dazustehen. Aus Angst vor Überfällen, vor Beleidigungen, vor Schlägen und Tritten. Und so beugt man sich seinem Schicksal und führt ein heimliches Doppelleben. Das Leben am Balkan ist manchmal ein Schauspiel. Und so mancher hätte einen Oscar verdient.

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