Auch Nicht-Muslime sollten im Ramadan fasten

02. Juni 2017

Weil ich meinen Mund mal wieder ein bisschen zu weit aufgerissen habe, musste ich ausprobieren, wie gut ich mit der Fasterei im Ramadan zurecht komme. Die komplette Leidensgeschichte lest ihr hier.

 

Eines meiner größten Probleme ist, dass ich oft laut denke. Manchmal auch so laut, dass es andere hören. Und manchmal auch so laut, dass es mir schlussendlich zum Verhängnis wird. Vielleicht hätte ich bei der letzten Redaktionssitzung leise nachdenken sollen, anstatt die ganze Runde zu fragen, wie es denn wäre, wenn ich als Nicht-Muslim im Ramadan faste.

 

Motiviert durch die grinsenden “Jaja, Sandro. Das schaffst du eh nicht!”-Kommentare stieg ich also mit voller Motivation – und leichter Verspätung – ins Ramadan-Fasten ein. Begonnen hat der Fastenmonat ja schon am 27. Mai, also an einem Samstag. Wer mich und meine Wochenendpläne kennt, weiß, dass sich das oft nur schwer mit einem Fasten bei Tageslicht kombinieren lässt.

 

Ich habe mich also dazu entschieden, das Wochenende damit zu verbringen, mir die Ramadan-Regeln durchzulesen und dabei besonders auf Passagen mit Schlupfloch-Potential zu achten. Im Prinzip bin ich dabei nur draufgekommen, dass der ganze Spaß härter wird als ich mir vorgestellt habe. In puncto Plan B bin ich aber trotzdem fündig geworden – dazu aber später.

 

Es geht los – leider

 

Am Dienstag sollte mein erster Fastentag sein. Zu einer Zeit aufzustehen, zu der ich mich normalerweise das erste Mal umdrehe, ließ mich schon ahnen, auf was meine Idee hinauslaufen wird. Ich schleppe mich also in die Küche, esse mich einmal quer durch den Kühlschrank und presse geschätzte 50 Liter Wasser in mich hinein. Ich durfte ja auch den ganzen Tag nichts trinken – eh kein Problem bei den momentanen Temperaturen in Wien, die die 30er Marke locker hinter sich lassen.

 

Den ganzen Tag konnte ich mich nicht wirklich konzentrieren und jeder Blick auf Instagram entfachte die Sehnsucht nach einem Schluck Wasser noch mehr. Als ich es nach einem langen Tag endlich nach Hause geschafft habe, bin ich einfach ins Bett gefallen und hab bis zum gelobten Fastenbrechen geschlafen.

 

An diesem Punkt wurde mir klar, dass ein bisschen Vorbereitung nicht geschadet hätte. Mein erster Blick in den Kühlschrank machte mich ein bisschen depressiv. Aber egal, alles in die Pfanne was nur geht, und alles andere schob ich einfach ins Backrohr. Liebevolles Kochen sieht anders aus, aber das war mir zu dem Zeitpunkt mehr als wurscht. Ich schaufelte alles in mich hinein und erwachte erst am nächsten Morgen – natürlich viel zu spät – aus meinem Food-Coma.

 

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Das ist zwar nur ein Symbolbild, aber ungefähr so hat mein Essen ausgeschaut. Wirklich! Foto via Flickr | CC BY-ND 2.0


An diesem Tag hab ich das Fasten dann quasi schon beendet, weil ich um kurz vor 9, bevor ich viel zu spät ins Büro geradelt bin, noch schnell was getrunken habe. Auch am Nachmittag hab ich mir nochmal einen halben Liter kaltes, klares Wasser gegönnt, nachdem mir mein Kollege Ahmad einen Kaffee angeboten hat und ich einfach nicht mehr konnte – gegessen habe ich den ganzen Tag lang nichts.

 

“Zum Glück bin ich gut im Ausreden finden.”

 

An dieser Stelle kam dann Plan B ins Spiel. Wem es nur schwer möglich ist, das Fasten durchzuziehen (also einem Typen wie mir), der kann sich selber ein bisschen schonen, wenn er dafür “einen armen Menschen speist.” Nach dem Tag im Büro hab ich mich auf in die Mahü gemacht, um dort jemanden, der nicht nur für ein Experiment hungert, auf ein Essen einzuladen. Gleich beim ersten Billa drückte ich einem Bettler ein Käse-Sandwich und ein großes Mineralwasser in die Hand. Ich setzte mich noch kurz zu ihm, weil ich mich mit ihm über den Ramadan unterhalten wollte, was aber aufgrund der Sprachbarriere nicht möglich war. Gefreut hat er sich trotzdem und ich glaube, dass er angedeutet hat, für mich zu beten.

 

Hier habe ich dann verstanden, um was es beim Fasten im Ramadan geht. Es soll keine stumpfe Selbstgeißelung sein, sondern aufzeigen, wie gut es einem wirklich geht und – wie in meinem Fall – wie wohlstandsverwöhnt einige von uns sind. Laut Statistik Austria sind 18 Prozent der österreichischen Bevölkerung armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Das sind über 1,5 Millionen Menschen, die regelmäßig um ihr Abendessen bangen.

 

Genau das habe ich bei meinem Experiment erkannt. Meiner Meinung nach würde es vielen österreichischen Leuten gut tun, wenn sie sich ab und zu ein bisschen zurücknehmen würden und sich ins Bewusstsein rufen, dass die tägliche Völlerei mehr als nur ein Privileg ist. Meiner Meinung nach sollte man die Verpflichtung spüren, denjenigen zu helfen, die es nicht so dick haben. Ich werde in Zukunft jedenfalls öfters ein paar Euro locker machen, um jemandem ein Essen zu spendieren, der es auch wirklich schätzt. Der Lohn dafür ist ein aufrichtiges Lächeln und das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben.

 

 

 

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