Deutscher Bundestag erkennt Völkermord an Armeniern an

02. Juni 2016

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Armenier
Quelle: Wikipedia

In einer Abstimmung im Deutschen Bundestag wurde die Armenier-Resolution fast einstimmig angenommen. Damit wird die Ermordung von 1,5 Millionen Armeniern im Ersten Weltkrieg offiziell als Völkermord anerkannt. Trotz heftiger Kritik aus der Türkei, ist dieser Schritt völlig richtig. Der Völkermord ist ein historisches Faktum.

Lange hat sich die Bundesrepublik aus Rücksicht zu den Beziehungen mit der Türkei zurückgehalten, doch jetzt setzt sie ein eindeutiges Zeichen. Ein gemeinsam von der CDU/CSU, SPD und Grünen eingebrachter Antrag wurde fast einstimmig angenommen. Es gab lediglich eine Nein-Stimme und eine Enthaltung. Als Reaktion zieht die Türkei ihren Botschafter aus Berlin ab.

Türkische Regierung spricht lieber von einem „geteilten Leid"
In der Resolution wird der Mord an 1,5 Millionen Armeniern im Ersten Weltkrieg durch das Osmanische Reich als Völkermord bezeichnet. Gegen diese Einstufung wehrt sich die türkische Regierung und kritisiert die Entscheidung massiv. Nach wie vor weigert sie sich, eines der dunkelsten Kapitel ihrer Geschichte als Genozid zu bezeichnen. Aus türkischer Sicht handelte es sich bei der Verfolgung der Armenier um ein "geteiltes Leid“, bei der etwa 300.000 Armenier und auch Türken umgekommen seien.

Helfende Türken
Türkische Nationalisten in Deutschland laufen Sturm gegen diese Entscheidung. Bereits vor der Verabschiedung der Resolution haben etwa 2000 von ihnen in Berlin gegen diese Maßnahme demonstriert. Sie sind der Meinung, dass nicht das Parlament über die Anerkennung des Völkermords entscheiden könne, sondern die Gerichte. Man sorge sich darüber, dass man an ihnen ein Exempel statuieren möchte. Auf ihre Gefühle nehme man keine Rücksicht. Und in der Tat sollte nicht vergessen werden, dass es während des Völkermordes Türken gab, die den Verfolgten geholfen haben.

1,5 Millionen Armenier verschwinden nicht über Nacht
Dennoch: Die Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern ist zweifelsohne eine richtige Entscheidung. Denn die historischen Belege sind kaum zu widerlegen. 1,5 Millionen Menschen können nicht einfach über Nacht verschwinden. Mehrere Quellen von Diplomaten und Militärs berichten von Massendeportationen, Vertreibungen, Vergewaltigungen und Mord. Maßgeblich verantwortlich dafür war das Dreiergespann um Kriegsminister Enver Pascha, Innenminister Talat Pascha und dem General Cemal Pascha.

Der damalige Generalkonsul des Deutschen Reiches in Konstantinopel Johann Heinrich Mordtmann berichtete etwa:

 „Das läßt sich nicht mehr durch militärische Rücksichten rechtfertigen; es handelt sich vielmehr, wie mir Talaat Bej vor einigen Wochen sagte, darum, die Armenier zu vernichten.“

Die systematische Vorgehensweise (Enteignung, Verbannung aus dem öffentlichen Leben und Diskreditierung), die Anzahl der Opfer und auch die rassischen Motive des osmanischen Machtapparats haben einen völkermordstypischen charakter.

Warum weigert sich die Türkei den Völkermord anzuerkennen?
Die heutige Türkei, die Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reiches, will von all dem nichts wissen. Warum sie den Völkermord an den Armeniern nicht anerkennt, hat geopolitische und wirtschaftliche Gründe. Zum einen würde es zu diplomatischen Verstimmungen mit dem Bruderstaat Aserbaidschan kommen, dem Erzfeind Armeniens und dem wichtigsten Energielieferant der Türkei. Zum anderen – und das wäre das wichtigste Motiv – müsste die türkische Regierung die Angehörigen der Opfer entschädigen, sobald sie den Genozid rechtlich anerkennt. Das würde zu einem nachhaltigen Aufarbeitungsprozess führen, der die gesellschaftliche Ordnung in der Türkei umkrempeln würde. Ein Opfer, zu dem vor allem konservative und nationalbewusste Türken nicht bereit wären.

Um dies zu verhindern, hält die Türkei nach wie vor an ihrer eigenen Version der Geschichte fest. Damit auch die Bevölkerung hinter dieser Linie steht und es nicht zur Aufarbeitung der Ereignisse kommt, werden Enver, Talat und Cemal Pascha in Schulbüchern als Helden bezeichnet, die das Türkentum vor einem restlosen Untergang bewahrt haben. 

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