„Ist dein Vater 50 Cent?“ – Wie es ist, als Mixed-Race-Kid in Rumänien aufzuwachsen

08. August 2023

whatsapp_bild_2023-08-08_um_14.03.18.jpg

.
Filip Lazar ist Stipendiat in der biber Akademie (C) Zoe Opratko

"Du Karamell-Baby! Da ist unser kleiner Exot!" Für meine Großeltern bin ich der erste dunkelhäutige Mensch, mit dem sie je in Kontakt gekommen sind. Meine Oma war sehr begeistert und entzückt von mir. Fast schon zu begeistert. Sie mochte meine krausen Haare sehr und spielte sehr oft damit - ich fühlte mich, als ob ich ein kleines Haustier wäre. Ich bin als mixed-race-Kid in Rumänien aufgewachsen: Mein Vater ist Schwarz, meine Mutter ist weiße Rumänin. 

Von Filip Lazar

 

 

Ich bin „Mixed“: Das bedeutet, mein Vater ist Schwarz - er stammt aus Guinea, und meine Mutter ist eine weiße Rumänin. Schon als Kind hat mich meine weiße Heimat spüren lassen, dass ich anders bin. Meine Familie in Rumänien lebt in Reşiţa, einer Kleinstadt nahe der Grenze - dort wurde ich auch geboren. Ich würde alles tun, um die Reaktion der Krankenschwester zu sehen die mich nach meiner Geburt erblickte, geschweige denn die meiner Großeltern. Meine Mutter hatte ihnen nicht gesagt, dass mein Vater eine schwarze Hautfarbe hat, also war es für sie eine große Überraschung, als auf einmal das „Karamell“-Baby da war. 

Ein "Karamell-Baby?"

Für meine Großeltern bin ich der erste dunkelhäutige Mensch, mit dem sie je in Kontakt gekommen sind. Aus Erzählungen meiner Mutter und aus meinen eigenen Erinnerungen weiß ich, dass meine Oma sehr begeistert und entzückt von mir war. Fast schon zu begeistert. Sie mochte meine krausen Haare sehr und spielte sehr oft damit - ich fühlte mich, als ob ich ein kleines Haustier wäre. Mein Opa sah mich hingegen eher als neue Spezies Mensch. Er hatte einige Vorurteile, die nicht unbedingt bösartig waren, sondern mehr die Manifestation von Propaganda der ex-kommunistischen Regierung Rumäniens. Es sind alberne Vorurteile darüber, dass der Schwarze Mann ein Wilder sei, der in der Savanne Tiere jagt und allgemein dem Tier mehr ähnlicher sei als dem Menschen. Hätte man damals vielleicht über Martin Luther King oder Rosa Parks erzählt, hätten die Menschen ein anderes Bild im Kopf, wenn sie an eine dunkelhäutige Person denken.

„Da ist unser kleiner Exot!“

Meine Mutter und ich zogen, als ich  drei Jahre alt war, nach Wien. Mit sieben Jahren besuchte ich Rumänien nach längerer Pause wieder. Damals habe ich es zum ersten Mal so richtig gemerkt, dass ich anders als die anderen Menschen dort bin. Wenn ich auf die Straße ging, sind Autos wortwörtlich stehen geblieben, weil die Leute so überrascht waren von dem kleinen braunen Jungen mit dem Afro. Ich kann mich an eine Szene am Spielplatz erinnern, als eine Gruppe von Menschen einfach um mich herumstand und mich einfach fasziniert anstarrte, und als eine Mutter ihren Sohn nicht mit mir spielen ließ, und ihn verängstigt von mir wegzerrte. Das gab mir ein komisches Gefühl – aber wenigstens hatte ich die ganze Sandkiste für mich allein. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich viel für mich allein, irgendwie waren viele meiner Altersgenossen abgeschreckt - es waren Blicke, die man eher Tieren gab, denen man ja nicht zu nahe treten wollte oder sie stellten skurrile Fragen wie „ist Fifty Cent dein Vater?“. Als die Menschen merkten, dass ich rumänisch spreche, staunten sie nicht schlecht - ich wurde wirklich immer auf Englisch angesprochen. Anfangs habe ich nicht verstanden, warum mich alle als so besonders behandelten, da ich das aus Österreich nicht in diesem Ausmaß kannte. Dieser Kontrast war für lange Zeit echt ein Rätsel, weil ich von meiner Familie niemals das Gefühl vermittelt bekam, dass mit mir nicht etwas nicht „stimmt“, bis ich älter wurde und realisiert habe: Es ist alles, weil ich Schwarz bin.

Was ich als Kind erlebt habe, sehe ich persönlich rückblickend nicht als Rassismus – es waren damals einfach andere Zeiten und die Menschen wussten es einfach nicht besser. Ich war einfach anders als der gewöhnliche Rumäne und die Menschen sind es nicht gewohnt gewesen. Heute ist das zwar immer noch so, aber gleichzeitig ganz anders: Wenn ich jetzt nach Rumänien fahre, bin ich der „Coole“ der „Außergewöhnliche“ - ich stoße auf positive "Bewunderung". Ich kann das verstehen, weil es nach wie vor nicht viele Menschen in Rumänien gibt, die wie ich aussehen. Ich amüsiere mich heute über die überraschten Gesichter, wenn ich rumänisch spreche aber nein, mein Vater ist immer noch nicht Fifty Cent, ich bin auch nicht ein "kleiner Exot" - sondern einfach nur Filip. 

 

 

Blogkategorie: 

Das könnte dich auch interessieren

Foto: Zoe Opratko
Zum Abschied gibt es kein Trompeten­...
Foto: Marko Mestrović
Ob Hijabi-Style, koschere Perücken oder...
Foto: Marko Mestrović
Nicht über die Communitys zu sprechen,...

Anmelden & Mitreden

2 + 17 =
Bitte löse die Rechnung