Lacht nicht, wenn ich türkisch spreche

06. Juni 2016

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Onur Kas
Foto: Marko Mestrovic

Türkisch ist eine schöne Sprache. Leider werde ich oft belächelt, wenn ich mich in meiner Muttersprache verständige.

Wie kommt eigentlich die türkische Sprache bei Leuten rüber, die sie nicht als Muttersprache haben? Eine Frage, die mich sehr interessiert. Häufig höre ich von meinen Mitmenschen, dass die Sprache aus lauter Ö’s und Ü’s bestehe und sich ziemlich nervig anhört. Zugegeben, ich als türkischer Muttersprachler finde es ziemlich herausfordernd für mein Gehör, wenn ich manche Türken in der Umkleidekabine meines Fitness-Centers interagieren höre. Es fallen nicht nur lauter Ö’s und Ü’s, sondern auch ziemlich viele vulgäre Begriffe.

Wenn ich selber türkisch spreche, greife ich kaum auf Schimpfwörter zurück. Dafür bin ich mit einem anderen Problem konfrontiert. Ich sorge für Gelächter, sobald ich in meiner Muttersprache kommuniziere, vor allem unter Türken. Zunächst haben sie auch allen Grund dazu. Denn mein Türkisch ist ziemlich „deutsch“. Fallen mir bestimmte Begriffe auf Türkisch nicht ein, greife ich auf meinen deutschen Wortschatz zurück. So kommt es vor, dass Satzkonstruktionen wie die Folgende entstehen: „Bugün dokuz yil önce Führerscheinimi yaptim“ (Heute vor neun Jahren habe ich meinen  Führerschein gemacht).

„Sprich lieber deutsch“
Eigentlich ist diese Aussprache praktisch und innerhalb meiner Familie hatte ich nie Scheu so zu reden. Aber bei Freunden und fremden Türken ernte ich nicht selten verzerrte Blicke. Da fallen Aussagen wie: „Ach Onur, sprich lieber deutsch“, oder „dein Türkisch hört sich so lustig an, du musst mehr lernen, um es perfekt zu können.“

Das Problem ist aber: Solche Reaktionen motivieren mich nicht wirklich türkisch zu sprechen und so bleibe ich bei meinem Deutsch, das ich in der Tat viel fließender sprechen kann, als meine eigene Muttersprache.

Schreiender Türkisch-Lehrer
Warum ist das so? Stets werde ich während meiner Familienbesuche in Deutschland und in der Türkei daran erinnert, welch Sturkopf ich in meiner Kindheit war. Ich habe mich geweigert türkische Sender anzuschauen, weil da ständig Gehirnzellen verringernde Gesang- und Kuppelshows liefen, Serien und Soaps wegen den überlangen Werbeunterbrechungen bis zu drei Stunden dauerten und ich eher daran interessiert war, was vor meiner Haustür passiert. Den muttersprachlichen Ergänzungsunterricht in Türkisch habe ich ab der fünften Klasse gemieden, weil mein Lehrer uns böse anschrie, sobald wir Schüler ein Zitat Atatürks falsch wiedergaben.

Türkisch gilt als „unbeliebt“
Ich wollte nicht glauben, dass ich Türkisch für meine berufliche Zukunft brauche. Ich muss zugeben, dass ich mich geirrt habe. Heute hat Mehrsprachigkeit nur Vorteile. Aber, dass es Sprachendiskriminierung gibt, kann man nicht leugnen. So werden Englisch, Spanisch und Französisch der Kategorie „beliebt“ zugeordnet, während Türkisch als „unbeliebt“ gilt.

Ich bin der Meinung, dass viele Sprecher dieser Sprache tatsächlich einen Teil zu dieser unrühmlichen Kategorisierung beigetragen haben. Wie beispielsweise oben erwähnt im Fitness-Center. Obwohl ich die türkische Sprache als sehr schön empfinde, muss ich mich oft fremdschämen, wie andere Türken untereinander reden. Es ist unwahrscheinlich, dass in einem Satz kein Schimpfwort oder eine vulgäre Bezeichnung vorkommt. Dass man sich mit solchen Ausdrücken nicht beliebt macht, liegt wohl auf der Hand.

Ich habe eine Bitte
Zusammengefasst kann ich sagen, dass es ein Fehler war, meine Muttersprache vernachlässigt zu haben. Heute bemühe ich mich, sie zu pflegen, indem ich mit meiner Mutter ausschließlich türkisch spreche. Denn vor ihr geniere ich mich nicht mit meinem deutschen Türkisch. Generell tue ich das nie. Doch wenn Lachen die erste Reaktion auf meine Sprechweise ist, fühle ich mich nicht ernst genommen. Es vermittelt mir, dass mein Gegenüber sich nicht auf den Gesprächsinhalt konzentriert, sondern eher auf meine Aussprache fixiert ist. Dass sich mein Türkisch erheblich verbessern wird, glaube ich nicht. Aber immerhin bemühe ich mich, meine Muttersprache weiterhin zu pflegen. Doch eine Bitte habe ich an alle Türken und Türkinnen dieser Welt: Lacht nicht, wenn ich türkisch spreche.

 

 

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