McArmut: Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Burger essen!

28. September 2023

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Foto: Brett Jordan/Unsplash

Derzeit sorgt ein virales Video von Bundeskanzler Karl Nehammer für Furore. Darin wird vor allem eines klar: Nehammer ist kein Kanzler für alle. Die Aussagen des Kanzlers sind abscheulich und sprechen Bände über die österreichische Politik.

Von Mathias Psilinakis

Breaking News: Armut ist ein Problem von gestern – esst doch einfach Hamburger! Bundeskanzler Karl Nehammer liefert im neuesten ÖVP-Skandal innovative Lösungen für die Probleme seiner Landsleute - ganz nach Marie Antoinettes bekannter Aussage „Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen“.

Bei einer Versammlung in Salzburg lässt der amtierende Bundeskanzler seine Parteifreunde wissen, was er wirklich von der Armut und dem Sozialstaat in Österreich hält. Das sechsminütige Video aus einer Vinothek in Salzburg ging in kürzester Zeit viral und sorgte für Kritik aus allen Ecken. Unter anderem ist im Video zu hören: Kinderarmut sei kein ernst zu nehmendes Problem, die Burger bei McDonalds sind doch eh so billig. Ein weiteres Highlight: Der „Teilzeitwahnsinn“ sei vor allem darauf zurückzuführen, dass Menschen (vor allem Frauen ohne Kinderbetreuungspflicht, wie es im Video anklingt) zu faul seien. Die Lösung liege ja auf der Hand: „Wenn ich zu wenig Geld habe, geh ich mehr arbeiten“. Nehammer (der als Bundeskanzler übrigens mehr als 23.000 Euro im Monat verdient) tätigt diese Aussage in einem Raum voller weintrinkender Herren in eleganten Anzügen. Uff.

Im Video lästert der Kanzler auch über seine „Sozi-Freunde“ (die Linken), Arbeitslose und seinen allergrößten Feind: die Gewerkschaften. Die Kernaussage, die bei mir hängen bleibt: Der Staat macht eh schon genug, ihr faulen Säcke seid selbst schuld, wenn ihr nicht über die Runden kommt. Weitere staatliche Maßnahmen zu setzen, um Kindern aus der Armut zu helfen und ihnen warme Mahlzeiten zur Verfügung zu stellen, sei schließlich völlig irrsinnig: „Dann sind wir in der DDR“. Welches politische Verständnis hat denn bitte der Herr Bundeskanzler, wenn grundlegende Sozialleistungen mit der DDR gleichgesetzt werden? Im Zweifelsfall immer lieber einen Schritt weiter nach rechts, nicht wahr?

Realitätsferner geht es nicht!

Das Abscheulichste am Ganzen sind die Ideologien, die Nehammers Rede unterliegen. Frauen wird wieder einmal unterstellt, schlichtweg faul zu sein, wenn sie nicht Vollzeit arbeiten. Und Kinderarmut habe den Staat nicht zu kümmern, daran seien ja schließlich die Eltern schuld.

Es gibt viele Gründe, warum Frauen in Teilzeit arbeiten – Faulheit gehört aber nicht dazu. Ist Nehammer wirklich nicht bewusst, wie viel der (unbezahlten!) Care-Arbeit weiterhin auf Frauen lastet? Wie schwierig es ist, einen Teilzeit-Job mit diesen Verpflichtungen zu verbinden? Und dass viele Frauen – und auch Männer – sogar mit einem Vollzeitjob nicht genug Einkommen haben, um sich und ihre Familie zu versorgen?

Jedes fünfte Kind in Österreich ist armutsgefährdet. Eigentlich sollten bei solchen Statistiken alle Alarmglocken schrillen. Der Kanzler weigert sich jedoch, Verantwortung zu übernehmen und die (dringend) notwendigen Maßnahmen zu ergreifen – stattdessen gibt es einen Seitenhieb gegen Arbeitslose, Arbeiter:innen und Frauen, also ohnehin vulnerable Gruppen.

Ein Kanzler für manche

Das Traurigste an der Sache ist, dass sich Nehammer seiner Ignoranz nicht einmal bewusst ist: „Wir sind ehrende ÖVPler, wir wissen, was Leiden heißt“, sagt er im Video. Herr Nehammer, ich glaube, Sie wissen überhaupt nicht, was wirkliches Leiden ist. Ich würde Ihnen ans Herz legen, aus Ihrer elitären Bubble auszutreten und sich die Lebensrealitäten all jener anzusehen, die hart arbeiten und trotzdem kaum über die Runden kommen. Ich frage mich, ob Sie solche Aussagen auch tätigen würden, wenn Sie im Dialog mit den Betroffenen stehen würden. Mit Alleinerzieher:innen, mit Menschen, die trotz gesundheitlicher Probleme über die Runden kommen müssen, mit Kindern, die in Armut leben müssen. Vielleicht hätten Sie dann bessere Vorschläge als Burger mit Pommes um 3,50 Euro.

Wie oft will sich der Kanzler noch blamieren? Das Video zeigt uns vor allem eines: Nehammer will ein Kanzler für die Wohlhabenden sein – die anderen haben in seiner Politik keinen Platz. Das, was im Video zu sehen ist, ist menschenverachtend und spricht Bände über ihn, seine Partei und die österreichische Politik.

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