Mein 20. Bezirk

08. April 2016

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1200
Screenshot: https://www.youtube.com/watch?v=oMyLsbawi_o&nohtml5=False

Eine Mischung aus „Jugos“ und Türken. Nutella auf Fladenbrot. Ein Schwimmbad, das von allen nur das „Tschuschen-Aquarium“ genannt wurde und die Millennium City als zweites Zuhause. Wovon ich rede? Vom Leben in Wien 1200.

Ich  bin 21 Jahre alt und lebe wirklich schon mein ganzes Leben lang im 20. Bezirk. Meine Volksschule war im 20. Das Gymnasium, auf dem ich war, war im 20. und alle meine Freunde sind aus Wien 1200. Kurz gesagt: Ich weiß, wovon ich rede.

Meine Nachbarn: „Jugos“ und Türken 

Ich bin in meinem Leben genau zweimal umgezogen. Vom 20. in eine andere Wohnung im 20. In der ersten Wohnung waren fast alle Hausbewohner entweder „Jugos“ oder Türken. Beim Rausgehen aus der Haustür hat man am Gang intensive und leckere Gerüche vom deftigen Mittagessen wahrnehmen können. Es roch immer nach Fleisch, manchmal aber auch nach Süßspeisen.

Praktischerweise haben meine Lieblingscousine und ihr Bruder auch bei uns im Wohnhaus gelebt. Wenn wir zu faul waren, um im Park spielen zu gehen, spielten wir im Hof. Mein großer Bruder hat seine bosnischen besten Freunde aus dem Wohnhaus nebenan gerufen und wir hatten somit genug Leute für eine Runde Völkerball. Einmal hat sich ein älterer Herr von unserem Spaß so gestört gefühlt, dass er die Polizei rufen wollte und von oben Fotos von uns gemacht hat. „Scheiß Tschuschenkinder“ hat er dabei gerufen. Die Großen haben sich das natürlich nicht gefallen gelassen und zurückgeschimpft. #whatelse

Der Augarten und das berüchtigte „Tschuschen-Aquarium“

Billiger Eintritt, randvolle Becken und eine Menge Spaß. Der Augarten war als Kind mein zweites Zuhause. Mit meinen Cousinen war ich, vor allem im Sommer, wahrscheinlich jeden Tag dort. Im Sommer öffnete auch das Freibad, das sich im Augarten befindet, seine Türen. Dort hat man wirklich jede Nationalität antreffen können. Albaner,“Jugos“, Araber oder Polen. Es gab soweit ich weiß auch keine Kriegsdiskussionen oder sonstige unnötige Streitigkeiten unter den jungen Leuten. Ok, ab und zu hat wer auf die Fresse bekommen, aber nach 20 Minuten war das schon wieder vergessen und man war wieder „Bruder“. Hier waren alle gleich, alle waren „eh auch Ausländer“ und die Österreicher waren auch keine „Nazis“. Sie haben uns sogar oft nach Schimpfwörtern auf unserer Sprache gefragt und sie dann selbst verwendet.

„Die bunte Schule“ und ihre Willkommenskultur

In der Volksschule hatte ich zwei oder drei Österreicher in der Klasse. Der Name unserer Schule war „Die bunte Schule“ und „bunt“ bezog sich auf den Migrationsbackground der Schüler. Was ich bis heute noch saulustig finde, ist, dass das sogar im „Schulsong“ verdeutlicht wird. Hier eine kleine Kostprobe und ich schwöre, ich habe das Lied wirklich nicht gerade erfunden.

„In unserer bunten Schule, da dürfen alle rein. Aus aller Welt die Kinder, sollen unsere Freunde sein. Wir wollen von euch was lernen, kommt gebt uns eure Hand. Die Nela aus Kroatien, die zeigt uns Tänze gar so schön. Dobro jutro, dobar dan, kako si ? dobro sam.“

Die anderen Zeilen haben Iraner und Türken angesprochen. Passend dazu gab es bei den jährlichen Schulfesten immer Kebab und Falafel zu futtern. Wenn wir schon beim Essen sind: Eine türkische Schulfreundin von mir hat in der Klasse auch den besten Snack überhaupt gehabt. Nutella auf Fladenbrot.

Gymnsium: Kolo beim Schulball

Auch nach der Volksschule war ich ständig von Leuten aus anderen Ländern umgeben. Mein geliebtes Brigittenauer Gymnasium war eine Oase für Leute, die andere Kulturen kennenlernen wollten. Dort habe ich auch meine besten Freunde kennengelernt. Alle sind aus einem anderen Land. Fremdenhass hat man dort logischerweise nie zu spüren bekommen. Die österreichischen Lehrer waren sehr offen für unsere Kultur und haben uns viele Fragen gestellt. Bei meinem ersten Schulball lief sogar türkische Musik und die Leute haben begonnen im Kreis zu tanzen. Auch die Lehrer haben mitgemacht und sie waren begeistert.

Österreicher im 20.

Im oberen Teil klingt es vielleicht so, als würde ich glauben, dass es im 20. Bezirk nur Ausländer gibt. Nein, ich weiß eh, dass dem nicht so ist, also komme ich mal zu den Österreichern in Wien 1200. Wir hatten neben den Türken und „Jugos“ auch eine österreichische Nachbarin. Sie wär älter und mein Bruder und ich hatten so eine enge Beziehung zu ihr, dass wir sie sogar „Oma“ nannten. Sie hat uns wirklich geliebt und war das Gegenteil vom bekannten Klischee der österreichischen „Nazi-Oma“. Sie hat meine Mutter sehr oft nach mazedonischen Kochrezepten gefragt und hat uns ständig zu sich nach Hause eigeladen. Mit Keksen und Memory haben wir viele Nachmittage miteinander verbracht.

1200-Love

Ich bin wirklich froh, dass meine Eltern sich keinen anderen Bezirk zum Wohnen ausgesucht haben. Ich liebe es, dass die Straßen nie leer sind. Ich liebe es, dass man an jeder zweiten Ecke eine andere Sprache hört. Ich liebe die Millennium City wegen ihrer japanischen, amerikansichen, mongolischen, mexikanischen und türkischen Food-Ketten. Ich liebe den Augarten im Sommer und die guten Verkehrverbindungen. Ich glaube, ich liebe einfach alles hier. Sorry for "Fan-Girling" so much, aber es ist einfach so. 

 

Wien 1200 ist für mich ein wunderschöner Culture Clash und der Grund dafür, dass ich mich so sehr für andere Länder und Kulturen interessiere.

 

Lieber 20.Bezirk, vielen Dank für alles.  

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