“No Mohr” - Tradition um jeden Preis?

26. Juni 2020

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Der Designvorschlag von simon INOU und Mara Niang
Foto: simon INOU und Mara Niang

Wir schreiben das Jahr 2020. Die #BLM Bewegung, ausgelöst durch die Ermordung von George Floyd in den USA, hat inzwischen ganz Österreich erreicht. Ganz Österreich? Nein! Eine kleine Brauerei im Westen des Landes hält strikt an einem Logo fest, das einen Schwarzen mit wulstigen Lippen, krausem Haar und markanter Nase zeigt. 

von Hannah Lea Jutz

Aus Respekt wird in diesem Artikel da, wo es dem Verständnis nicht schadet, der Begriff "Mohr" mit M* abgekürzt.

Bereits seit mehreren Jahren ist die Mohrenbrauerei in Vorarlberg mit Kritik an ihrem Markenauftritt konfrontiert. Bisher berief sie sich auf die Tradition und damit auf den Namen und das Familienwappen ihres Gründers Josef Mohr. 1784 eröffnete dieser in Dornbirn das Gasthaus “Zum Mohren” mit angeschlossener Brauerei. Auf dem Familienwappen der Familie M* ist ein stereotypisches Bild eines schwarzen Menschen zu sehen, laut der Brauerei soll dieses den heiligen Mauritius darstellen. 

Um diese Marke geht es. Foto: instagram.com/mohrenbrauerei/
Um diese Marke geht es. Foto: instagram.com/mohrenbrauerei/

Der Werberat stufte das Logo “aufgrund des geschichtlichen Hintergrundes als unproblematisch ein” und sah keinen Grund einzuschreiten, empfahl jedoch 2019 ein Überdenken des Bildlogos. Bei den Vorarlberger*innen selbst gehen die Meinungen zu Marke und Logo weit auseinander. Von beiden Seiten gibt es bereits Petitionen und Gruppen auf Social Media.

Foto von der Instagram-Seite "Mohren ohne Mohr" Foto: instagram.com/mohrenohnemohr/
Foto von der Instagram-Seite "Mohren ohne Mohr" Foto: instagram.com/mohrenohnemohr/

Tradition oder Beleidigung?

Der Begriff “Mohr” ist zum einen auf das lateinische “maurus”, also “schwarz” oder “dunkel”, zurückzuführen, zum anderen aber auch auf das griechische “moros”, das “töricht”, “einfältig” oder “dumm” bedeutet. Im Sprachgebrauch ist der Begriff seit jeher negativ konnotiert, da er Menschen auf deren Hautfarbe reduziert und als Bezeichnung für afrikanische Sklaven genutzt wurde. Auch im Duden gilt der Begriff als veraltet und diskriminierend. 

Bis vor zwei Jahren war die M*brauerei noch Sponsor des Szene Openair, einem Festival in Lustenau. Hier gab es immer wieder scharfe Kritik von Künstler*innen, unter anderem von Kraftklub, der Antilopengang oder K.I.Z. Für besondere Aufregung sorgte das M* Zirkuszelt, kurz M*zirkus, in dem auf dem Festivalgelände gefeiert wurde. Einige Besucher*innen erinnerte der Name an die Völkerschauen, die ab Ende des 19. Jahrhunderts außereuropäische Menschen in Zoos oder Zirkussen zur Schau stellten. Seit 2018 sponsert eine andere Biermarke das Festival am Rhein.

Nachdem die Diskussion im Zuge der #BLM Bewegung und durch den Vorschlag des Vorarlberger Grafikdesigners Vincent Hehle erneut Fahrt aufnahm, berief sich die M*brauerei abermals auf deren Tradition und kündigte nach massiver Kritik in den sozialen Netzwerken eine Stilllegung ihrer Plattformen an. Am Mittwoch meldete sie sich jedoch mit einem neuen Statement zurück und gab bekannt, “die Situation neu zu bewerten.” Gemeinsam mit unabhängigen Expertinnen und Experten werde die Brauerei prüfen, ob und wie der Markenauftritt weiterentwickelt werden könne. Der Ausgang dieses Prozesses sei jedoch offen.

#NoMohr

Einer, der sich schon lange mit dem Markenauftritt der Brauerei beschäftigt, ist Journalist und Aktivist simon INOU. Gemeinsam mit dem Künstler Mara Niang gründete er 2012 die Aktion „No Mohr“ und entwickelte ein neues Logo, das anstatt der bisherigen Silhouette einen afrikanischen Affenbrotbaum (Baobab) zeigt. Dieser gilt in vielen afrikanischen Gesellschaften als Symbol für Schutz, Ruhe und als Ort für Gespräche. Mit der Aktion wollten die beiden den gesellschaftlichen Diskurs zum Thema voranbringen und die M*brauerei selbst zu einem Umdenken bewegen.

simon INOU (Foto: instagram.com/inousimon/)
simon INOU (Foto: instagram.com/inousimon/)

BIBER: Warum ist es so wichtig, das Logo der M*Brauerei neu zu gestalten? 

simon INOU: Weil wir nicht mehr im 18. Jahrhundert leben, wo Schwarze das Spielzeug der Weißen waren und versklavt wurden. Wir leben im 21. Jahrhundert und wir brauchen diese Bilder nicht mehr in unserer heutigen Gesellschaft. Das Logo darf keine rassistischen Züge mehr beinhalten. Die M*Brauerei könnte ja zum Beispiel auch das Bild des Brauereigründers verwenden. Dieser war übrigens kein Schwarzer. 

Die Aktion kommt aus dem Jahre 2012 – gab es damals eine Rückmeldung der M*Brauerei? 

Über die Medien, ja. Sie waren dagegen.

Durch die Ermordung von George Floyd und die BLM Bewegung ist die Rassismusdebatte um die M*Brauerei erneut aufgekommen - auch durch einen Entwurf des Vorarlberger Grafikers Vincent Hehle – ärgert es Sie, dass der Entwurf eines Weißen Österreichers (ebenfalls mit einem Baum im Zentrum) mehr Aufmerksamkeit bekommen hat, als Ihre Idee damals? 

Nein. Unser Vorschlag war eine Idee, um mehr Diskussionen zu initiieren. Wir freuen uns, dass andere die Idee kopieren, aufgreifen und weiter thematisieren. 

Der Vorschlag des Grafikers Vincent Hehle. Foto: instagram.com/vincenthehle/
Der Vorschlag des Grafikers Vincent Hehle. Foto: instagram.com/vincenthehle/

Die M*Brauerei hat sich mit Vincent Hehle zum Austausch über Namen und Marke getroffen – wurde Ihnen ein solches Treffen damals auch angeboten? 

Niemals. Wir sind keine Weiße Menschen. So funktioniert doch White Privilege und White Fragility. Aus meiner Sicht war es von der Brauerei nicht erwünscht, afrikanischen Kritiker*innen eine Bühne zu geben. Wir sind aber sehr stolz darauf, dass #NOMOHR jetzt so ein wichtiger Begriff in der Anti-Schwarzen Rassismusbewegung geworden ist. 

Die Brauerei bringt vor allem ein Argument: die Tradition, betont aber auch die „11 Mitarbeiter aus verschiedenen Nationen“ und die hohen Sympathiewerte, die sie „auch beim weitaus überwiegenden Teil der Menschen mit Migrationshintergrund“ hat. Was sagen Sie zu diesen Argumenten? 

Sie verstecken sich hinter "Diversity" um die Diskussionen zu vermeiden. Das ist mies. Unsere Kritik bleibt. Warum kann die Firma nicht mit dem Kopf ihres eigenen Gründers ein Logo gestalten?

Statement der Brauerei (Foto: instagram.com/mohrenbrauerei/)
Statement der Brauerei (Foto: instagram.com/mohrenbrauerei/)

Unterstützer*innen der Brauerei sagen, dass das Logo und die Marke nicht rassistisch seien – wie stehen Sie dazu?

Sie müssen die Geschichte lernen und zwar die Geschichte von Schwarzen in Europa. Anscheinend haben Sie davon keine Ahnung. 

Am Mittwoch hat die Brauerei bekannt gegeben, „sie werde in Ruhe prüfen ob und wie sie ihren Markenauftritt weiterentwickeln“ – könnte das aus Ihrer Sicht ein Anfang sein? 

Nein. In Ruhe prüfen? Das Logo ist rassistisch - wozu braucht man noch eine Prüfung? Solche Aussagen zeigen ganz genau, dass die Firma den Anti-Schwarzen Rassismus nicht ernst nimmt und die knapp 100.000 Menschen, die in acht von neun Bundesländern für Black Lives Matter demonstriert haben, für die Firma keine Bedeutung haben. Bei der Demo ging es um junge weiße und schwarze Menschen, die in einer rassismusfreien Gesellschaft aufwachsen wollen. 

Braucht es Gesetze, die rassistische Logos und Markennamen verhindern? 

Nicht nur für Logos sondern auch in der Gastronomie, Bildung, Ausbildung,... Österreicher*innen werden nicht so erzogen, dass sie wissen, was Anti-Schwarzer Rassismus ist. Wir brauchen antirassistische Schulbücher und wir brauchen Journalist*innen, bei denen Anti-Rassismus Teil der Ausbildung ist.

Die M*Brauerei hat sich bisher klar gegen eine Änderung des Logos ausgesprochen– was müsste Ihrer Meinung nach passieren, damit sich die Geschäftsführung doch noch umentscheidet? 

Sie müssen ihre Hochnäsigkeit vergessen und verstehen, was die Wünsche von Schwarzen Österreicher*innen sind und dass sie in dieser Gesellschaft gewaltfrei leben wollen. Seit mehr als 200 Jahren übt dieses Logo Gewalt auf Schwarze Menschen aus und verletzt diese. Zum Glück haben junge Österreicher*innen mit den unterschiedlichsten Hintergründen das verstanden und begonnen, dagegen anzukämpfen. Ob sie das Logo ändern oder nicht - unser Kampf für eine rassismusfreie Gesellschaft und für ein rassismusfreies Logo der Brauerei geht weiter. Nur sind wir jetzt nicht mehr alleine, sondern viele.

Die M*brauerei war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht für ein Statement zu erreichen. Die Presseagentur, die für die Brauerei arbeitet, hat aber inzwischen mit simon INOU Kontakt aufgenommen. Was für Expert*innen an der möglichen Umgestaltung des Markenauftritts beteiligt werden und wann ein Ergebnis zu erwarten ist, stehe noch nicht fest. Der Prozess solle aber möglichst transparent gehalten werden.

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