Österreich ist nicht mehr wie früher

22. Mai 2016

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Wahl
Screenshot: ORF

Noch nie war der Kampf um die Hofburg so spannend, wie bei dieser Bundespräsidenten-Wahl. Das Ergebnis zeigt: Durch die österreichische Gesellschaft geht ein tiefer Riss.

 „Das bessere Deutschland“, titelte der Stern in einer Ausgabe von 2005 über Österreich. In der Alpenrepublik herrsche gute Stimmung, gäbe es mehr Wachstum  und Jobs wie Sand am Meer. Wie schaffen die das bloß, fragte sich der große Nachbar im Norden. Viele Deutsche zog es nach Österreich, weil die eigene Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage unter keinem guten Stern stand. Die Arbeitslosigkeit knackte die 5-Millionen-Marke. Wer kein Einkommen hatte, musste Hartz 4 beziehen, das gerade erst eingeführt wurde.

Wer hätte damals noch gedacht, dass sich das Bild innerhalb von 10 Jahren umkehren würde? Jetzt ist es Österreich, das unter seiner Arbeitslosenquote stöhnt, wo Reformen kaum voran kommen, unter einer schlechten Stimmung leidet und alles und jeden für die schlechte Lage verantwortlich machen will, nur nicht sich selbst.

Der Heilsbringer
Deswegen suchen die Österreicherinnen und Österreicher nach DEM Heilsbringer. Durchaus nachvollziehbar. Das Problem: Er kommt nicht aus der Mitte. Die Wähler suchen nach Antworten für die gegenwärtigen Probleme und schauen sich in den Rändern des politischen Systems um.

Hitlergruß und das geringste Übel
Mit Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen sind erstmals Kandidaten in der Bundespräsidenten-Stichwahl, die nicht aus den Reihen von Rot und Schwarz kommen. Auch das Ergebnis des heutigen Abends spricht Bände. Durch die österreichische Gesellschaft geht ein tiefer Riss. Die Anhänger der beiden Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber. Die eine Hälfte könnte nicht zorniger auf die Regierung sein. Einige unter ihnen scheuen sich nicht mal davor, den rechten Arm zu einem Hitler-Gruß zu strecken, wie ein Vorkommnis auf dem Viktor-Adler-Markt in Wien Favoriten bei der FPÖ-Abschlusskundgebung am Freitag. Viele der anderen Hälfte haben Van der Bellen gewählt, um Norbert Hofer zu verhindern. Ganz nach dem Motto: „Jetzt geht es um das geringste Übel.“

Kleines Land, große Auswirkungen
Das kleine Österreich war unter diesen Umständen in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit geraten. Es klingt übertrieben, aber es ist durchaus realistisch: Zahlreiche internationale Medien, die sich in der Hofburg versammelt haben, wollten in Erfahrung bringen, welche Folgen diese Wahl für die gesamte Welt haben wird. Denn in nahezu allen europäischen Ländern, können rechtspopulistische und rechtsextremistische Parteien beachtliche Erfolge vorweisen. Und auch in den USA liegt ein Sieg des stramm rechten Donald Trumps durchaus im Bereich des Möglichen. Ein Sieg Hofers würde die Hemmungen der Wähler in den anderen Ländern geringer werden lassen, rechte Demagogen zu wählen.

Denn ihre Versprechungen sind sehr verführerisch: Sie seien in der Lage, sich um das eigene Volk zu kümmern, Schädlinge fernzuhalten und für absolute Sicherheit zu sorgen. Einfach erklärt: Sie versprechen das Blaue vom Himmel.

Ganz gleich, wie die Wahl nun ausgehen wird: Der gesellschaftliche Trend, auch über die Grenzen Österreichs hinweg, zeigt deutlich in Richtung Polarisierung der einzelnen Menschengruppen. Wer mit der Wahl Hofers glaubt, Österreich könnte so wie früher werden, der täuscht. Österreich ist nicht mehr wie früher. 

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