Palästina-Israel und die Wertekurse für Asylberechtigte in Wien

07. November 2023

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(ÖIF) Werte und Orientierungskurs. (C): Thomas Unterberger

Am 7. Oktober sind Hamas Truppen in Israel einmarschiert, haben Zivilist*innen als Geiseln genommen und zahlreiche Menschen umgebracht. Kurz danach reagierte Israel mit Bomben auf den Angriff und tötete tausende Zivilst*innen in Gaza. Doch das ist nicht der erste Angriff in dieser Region. Der Israel-Palästina Konflikt ist ein langjähriger Konflikt mit spürbaren Folgen im Nahen Osten. Aber in den letzten Wochen lässt sich der Konflikt nicht nur in der Region selbst spüren, sondern auch weltweit, auch in Wien. Es kommt zu Demonstrationen, die nicht immer gewaltfrei enden. Auf der Straße hört man die Menschen über diesen Konflikt sprechen, sei es unter Schüler*innen, Nachbar*innen oder in den Medien. Dieser Konflikt beeinflusst das Leben der Menschen direkt oder indirekt, sei es vor Ort in der Region oder durch die Medien in anderen Ländern. 

 

Staatenlose Palästinenser*innen und ÖIF-Integrationskurse  

Für viele Menschen, die aus den Konfliktregionen kommen, ist der ÖIF die erste Anlaufstelle nach dem Erhalt des positiven Asylbescheids. Im Anschluss müssen sie gemäß dem Asylgesetz die sogenannte Integrationserklärung unterzeichnen und sich verpflichten, den 24-stündigen Werte- und Orientierungskurs (WOK24) erfolgreich abzuschließen. Dies ist auch eine Voraussetzung für den Bezug von Sozialhilfe. Die Grundlagen des Zusammenlebens werden den Geflüchteten nach der Gewährung von Schutz in den ÖIF-Integrationskursen vermittelt. In diesem Werte- und Orientierungskurs werden die wichtigsten Werte und Regeln für ein gemeinsames Zusammenleben und eine erfolgreiche Integration vermittelt. Auch ich musste diesen Kurs im Jahr 2016 nach dem Erhalt des positiven Asylbescheids abschließen. Allerdings nicht in drei Tagen, sondern in acht Stunden. Im Jahr 2022 wurden diese Kurse nach dem neuen Asylgesetz auf drei Tage mit ausgebauten Schwerpunkten wie zum Beispiel „Gesellschaftliche Integration" und "Ehrenamt" ausgedehnt.  

Das Thema Antisemitismus ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Kurse. Am dritten Tag des Kurses wird die Geschichte Österreichs in Bezug auf Antisemitismus und den zweiten Weltkrieg behandelt, wobei die Verbrechen gegen Jüd*innen ausführlich thematisiert werden. Viele Teilnehmer*innen stammen aus arabischen Ländern, laut der ÖIF-Statistik mehrheitlich aus Syrien, einem Land, das viele staatenlose Menschen beherbergt. Mit "Staatenlosen" sind hauptsächlich Palästinenser*innen gemeint, die 1948 nach der Gründung des Staates Israel aus Palästina in die benachbarten Länder geflohen sind. Syrien, Jordanien und Libanon haben sie damals in großen Flüchtlingslagern untergebracht, ohne Aussicht auf Einbürgerung oder Staatsbürgerschaft.  

Wie nehmen die arabischstämmigen Asylberechtigten das Antisemitismus Kursmodul wahr?  

Im Modul "Antisemitismus" lernen die Teilnehmer*innen die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs, die unschuldigen jüdischen Opfer und die Rolle Österreichs während des Krieges kennen. Dieses Modul ist komplex und mit zahlreichen Herausforderungen verbunden, so die Bereichsleiterin des Wertes- und Orientierungskurses Mirela Memic. Es erfordert eine besonders einfühlsame Aufklärung, insbesondere in Bezug auf den Nahostkonflikt. Die Bereichsleiterin betont jedoch, dass es nicht zu Konflikten seitens der Teilnehmer*innen kommt. Seit dem erneuten Ausbruch des Konflikts hat sich die Situation besonders zugespitzt. Dies wirft neue Herausforderungen für die Integrationsarbeit auf. Mirela Memic ist seit Beginn des Formats "Werte und Orientierungskurs" beim ÖIF tätig und war eine der ersten Trainer*innen im Jahr 2015. Sie berichtet, dass es seit 2016 in ihren verschiedenen Führungspositionen keine Konflikte in Bezug auf kritische Themen wie Antisemitismus gegeben hat. Stattdessen stehen kritische Fragen im Mittelpunkt, die einen erfolgreichen Integrationsprozess unterstützen. Die Trainer*innen werden von Expert*innen im Bereich Antisemitismus auf mögliche Reaktionen der Teilnehmer*innen geschult. Die Inhalte des Antisemitismus-Moduls werden in Zusammenarbeit mit der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) festgelegt. Sowohl Trainer*innen als auch Dolmetscher*innen erhalten spezielle Schulungen von der IKG und werden auf mögliche Fragestellungen vorbereitet - man arbeite auch mit der IGGÖ zusammen, heißt es.

Wann Man einmal Krieg erlebt hat, will man keinen weiteren Krieg mehr 

Angesichts des aktuellen Palästina-Israel-Konflikts frage ich, wie der ÖIF in den letzten zwei Wochen im Unterricht mit diesem Thema umgegangen ist, da viele Teilnehmer*innen direkt von diesem Konflikt betroffen sind. Die Bereichsleiterin betont: "Wir haben sofort Maßnahmen in Zusammenarbeit mit der IKG ergriffen." Ihrer Angabe nach begleitet die Bereichsleiterin seit dem erneuten Ausbruch des Konflikts das Modul Antisemitismus persönlich, für den Fall einer Eskalation der Situation im Unterricht. Sie berichtet jedoch, dass es seitens der Teilnehmer*innen keine feindlichen Reaktionen oder Auseinandersetzungen gibt. Ganz im Gegenteil betont sie: „Die Teilnehmer*innen lehnen jegliche Gewalt ab.“ Dies führt sie darauf zurück, dass sie bereits genug Krieg in ihren Heimatländern erlebt haben und auf der Suche nach Sicherheit und Frieden sind. Trainer*innen und Dolmetscher*innen berichten regelmäßig, dass die Teilnehmer*innen bei diesem Thema nun umso mehr darauf hinweisen, dass Gewalt keine Lösung ist und dass beide Seiten leiden. 

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Kommentare

 

Hauptsache die Leute von Gaza kommen nicht nach Europa. Will keinen einzigen von denen auch nur eine Sekunde in der Nähe von meiner Familie sehen und lebenslang mit Sozialhilfe finanzieren.

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