Parallelgesellschaften- Gesucht und gefunden?

03. August 2020

brunnenmarkt_02.jpg

Brunnenmarkt
Peter Gugerell

„Ach ja genau, hab eh schon drauf gewartet“, denke ich mir mittlerweile meistens, wenn Susanne Raab mal wieder ein Interview zum Thema Migration, Integration oder sonstigem gibt, das mit „Ausländern“ zu tun hat. Denn allzu lang dauert es nicht, bis die türkise Integrations- und Frauenministerin, das Wort „Parallelgesellschaft“ fallen lässt. Sie ist natürlich nicht die Einzige, die das tut, aber bei ihrem Ressort ist es am problematischsten. Sei es, wenn es darum geht, dass mehr als die Hälfte der Wiener Schüler eine andere Umgangssprache haben oder es zu Gewalttaten seitens Rechtsextremer bei einer Demo in Favoriten kommt. Parallelgesellschaften sind dabei, so scheint es, zugleich der Grund und die Antwort allen Übels. Und um als Teil dieser zu sein reicht es schon einfach aus einem anderen Land zu kommen und eine andere Sprache zu sprechen. Wobei natürlich nicht jedes Land und jede Sprache schlecht ist. Es gibt ja schließlich „solche und solche“.

Diversität ist gut

Als Türkin, Austrotürkin, türkischstämmige Österreicherin oder wie auch immer man es bezeichnen möchte, hat man es zum Beispiel besonders schlecht.  Ich bin 24 Jahre alt, kurz vor einem Masterabschluss und arbeite zugleich als Journalistin. Österreich ist meine Heimat und mein Zuhause, ich bin hier geboren. Meine Freunde sind hier und ein Teil meiner Familie. In Österreich arbeite, lebe und sozialisiere ich mich. Ich fühle mich hier wohl und zugehörig. Wie denn auch nicht. Es ist auch mein Österreich, mein Wien. Wenn ich in Öffis aussteigen will, gebe ich – typisch wienerisch - ein passiv-aggressives „tschuldigung“ von mir. Ich habe bisher sicher mehr Spritzer getrunken und bin öfter U6 gefahren, als gut für mich ist.  Ich bin ein Teil dieses Landes und dieses Land ein Teil von mir, ohne dabei jetzt zu patriotisch zu klingen. Ich habe aber eine zusätzliche Muttersprache, bisschen mehr Zeit in der Türkei verbracht als die meisten anderen Österreicherinnen und ganz viele Verwandte, von denen überraschend viele in ein einziges Auto passen. Die Türkei ist eben auch ein Teil von mir. Das war aber nie ein wirkliches Problem, weder für mich, noch für mein Umfeld. Wieso sollte es schließlich auch? Diversität kann doch was so Tolles sein. Man muss sich nicht immer nur für eine Seite entscheiden. Dennoch fühle ich mich angesprochen, wenn Susanne Raab von Parallelgesellschaften spricht. Warum? Weil sie mich, und Leute wie mich eben aber auch anspricht. Klar gibt es wirklich Parallelgesellschaften und natürlich können diese gefährlich sein. Aber ich, nur weil ich mich nicht vollkommen von der türkischen Kultur und meiner Herkunft abgeschottet habe, sollte damit nicht gemeint sein. Extreme Religiöse Gruppen, Rechtsextreme, Burschenschaften, Neo-Nazis oder auch Sekten, das, liebe Frau Raab, sind die Parallelgesellschaften über die wir wirklich sprechen sollten.

 

 

Blogkategorie: 

Das könnte dich auch interessieren

Foto: Zoe Opratko
Zum Abschied gibt es kein Trompeten­...
Foto: Marko Mestrović
Ob Hijabi-Style, koschere Perücken oder...
Foto: Marko Mestrović
Nicht über die Communitys zu sprechen,...

Anmelden & Mitreden

12 + 0 =
Bitte löse die Rechnung