Sprechen wir über das Kopftuch-Verbot am Arbeitsplatz

08. August 2016

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Kopftuchevolution
Foto by Sophie Kirchner

Vor ein paar Tagen ist in meinem Facebook-Newsfeed eine hitzige Diskussion entfacht. Grund dafür war das Café Blaustern, das keine Mitarbeiterinnen mit Kopftuch erlaubt. Die Frage wurde in den Raum geworfen, ob das eine Integrationshürde oder pragmatischer Umgang mit Religion ist.

Das erste Argument für das Kopftuch-Verbot am Arbeitsplatz ist meistens, dass Religion Privatsache ist. Schön und gut. Ich, die nicht gläubig ist und sich von allen Religionen distanziert, sehe das ähnlich. Nur ganz so leicht ist es nun mal nicht immer. Das Kopftuch ist Teil des Islams und wird nicht nur in den eigenen vier Wänden getragen. Somit macht dieses Argument auch keinen Sinn. Solange meine muslimischen Kolleginnen keinen missionieren wollen, ihren Glauben ausleben, wie sie es für richtig halten, und niemandem damit schaden, könnte es mir nicht egaler sein, was sie auf dem Kopf tragen. Wieso ist es für andere so schwer, ähnlich zu denken?

Andere wiederum bezeichnen das Kopftuch als "ein Mittel der Einschränkung und eine Sichtbarmachung der Ideologie“. Es mag sein, dass es Länder gibt, in denen Frauen das Kopftuch tragen müssen, das steht außer Frage. Aber Österreich ist nicht der Iran. In solchen Diskussionen neige ich dazu, Situationen zu emotionalisieren. Ich könnte jetzt zum Beispiel schreiben, dass es falsch ist, alle Muslime über einen Kamm zu scheren, oder fragen, ob man sich denn nicht bewusst ist, wie schwer es für moderne und gleichzeitig gläubige Muslima ist, wenn sie immer wieder Vorurteilen ausgesetzt sind und diskriminiert werden.

Wem tun wir damit einen Gefallen?

Aber lassen wir diese Art von Argumenten außen vor und beschäftigen wir uns besser mit Folgendem: Gehen wir davon aus, dass das Kopftuch am Arbeitsplatz verboten wird. Legen wir noch einen drauf und verbieten es auch an öffentlichen Orten wie der Uni. Wem tun wir damit einen Gefallen? Was haben wir besser gemacht? Haben wir die Unterdrückung von Frauen endlich aus der Welt geschafft? Nein. Stattdessen stellen wir Frauen vor die Entscheidung: Arbeit oder Religion. Tun wir der Integration mit dem Kopftuch-Verbot Gutes? Auch nicht. Wir schließen gläubige Muslime aus, lassen sie nicht Teil der Arbeitswelt sein, frustrieren sie und drängen sie ja fast schon in diese Parallelgesellschaft, über die alle immer schimpfen.

Spielen wir das Spiel weiter: Helfen wir dem Arbeitsmarkt, wenn wir Arbeitskräfte ausschließen? Ich denke nicht. Es ist wohl eher so, dass diese Frauen ihre Religion und ihre Überzeugung nicht aufgeben werden und somit auf Sozialhilfe angewiesen sind.  Besuche ich einen Laden und entdecke dort eine Frau mit Kopftuch, denke ich nicht an Unterdrückung sondern an Vielfalt. Ja, das Unternehmen ist mir sogar sympathisch, weil es sich dem gesellschaftlichen Druck widersetzt und Arbeitskräfte nach ihren Kompetenzen und nicht nach ihrer Herkunft einstellt. Auch auf die Gefahr hin, dass sich ein paar Grantler darüber aufregen, dass Ausländer ihren Landsleuten die Jobs wegschnappen. Einerseits versuchen viele Konzerne fast schon krampfhaft vielfältig zu sein, andererseits soll man gläubigen Muslima den Zugang zu Jobs aufgrund ihrer Religionsausübung untersagen? In welchem Universum macht das Sinn? Ich weiß nicht, wie oft ich gelesen habe, dass Muslime integrationsunwillige Sozialschmarotzer sind und eh nicht arbeiten wollen. Das sind oft die Gleichen, die gegen das Kopftuch an öffentlichen Orten sind. Freunde, diese Rechnung geht einfach nicht auf.

Und zum Schluss können wir ja noch annehmen, dass der Großteil der Frauen mit Kopftuch in Österreich wirklich unterdrückt wird. Nehmen wir es einfach mal kurz an. Helfen wir diesen Frauen, wenn wir ihnen nicht ermöglichen, arbeiten oder studieren zu gehen? Wie sollen sie sich aus dieser Unterdrückung retten, wenn sie nicht arbeiten können? Wie könnten sich junge Frauen weiterbilden und erkennen, dass sie in einer von Unterdrückung geprägten Welt aufgewachsen sind, wenn sie die Uni nicht besuchen können? Wie sollen sie es schaffen, neue Menschen abseits ihrer Community kennenzulernen, die ihnen die Augen öffnen? Ich weiß, es ist nicht leicht zu verstehen, welchen Stellenwert Religion für manche Menschen hat. Vor allem, wenn man selbst nicht so aufgewachsen ist und nicht viel von Religion hält. Trotzdem sollten wir alle so viel Empathie haben und andere und ihre Lebensweise akzeptieren.

Ich weiß, das klingt jetzt alles so, als wollte ich Dinge schönreden. Dem ist aber nicht so. Ich bin für einen offenen Umgang mit Problemen wie dem der Gleichberechtigung oder veralteten Geschlechterrollen. Nichtsdestotrotz ist die Lösung dieses Problems nicht, dass Frauen, die ein Kopftuch tragen, nicht arbeiten können. Ganz im Gegenteil: Wir schaffen damit mehr Probleme. Kommen wir also zu meiner ursprünglichen Frage: Wem tun wir damit einen Gefallen? Richtig: niemandem. Ein Kopftuch-Verbot am Arbeitsplatz ist kein pragmatischer Umgang mit Religion, viel eher ein verheerender Fehler in der Integrationspolitik.

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