"Lesen ist der Schlüssel zum Schreiben."

16. November 2017

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stewart O nan, letzte nacht
Stewart O'Nan kam letzte Woche nach Wien – um sein Erfolgsbuch zu präsentieren (Foto: Stefan Diesner)

Wiens Gratisbuch für das Jahr 2017 heißt „Letzte Nacht“ und ist seit vorriger Woche an 227 Verteilstellen zu erhalten. Biber hat seinen Autor interviewt.

Eine der größten Leseförderungsaktionen in Wien – Eine Stadt. Ein Buch. – startete am 10. November. Seit 2002 wird jährlich ein Autor ausgewählt, von dessen Büchern 100.000 Gratisstücke verteilt werden. Dieses Jahr dreht sich alles um den amerikanischen Autor Stewart O'Nan und seinen Roman „Letzte Nacht".

„Letzte Nacht“ erschien 2007 unter dem Titel „Last Night at the Lobster“ und ist bisher Stewart O’Nans erfolgreichstes Buch. Die Geschichte beschreibt die letzten Stunden einer Filiale der Restaurantkette The Red Lobster, bevor sie endgültig geschlossen wird. Diese Zeit wird aus der Sicht von Manny DeLeon geschildert, dem Manager der Filiale, der keine ruhige Minute hat, weil er überall mit anpacken muss.

Stewart O'Nan, Letzte Nacht, eine stadt ein buch
Eine der Buchvorstellungen fand im Bundesrealgymnasiums GRG 23 statt (Foto: Stefan Diesner)

Die Stimmung beim Red Lobster ist sehr angespannt – nicht alle Mitarbeiter werden wieder einen Job bekommen. Mannys Affäre mit einer seinen Mitarbeiterinnen macht die schwierige Situation noch spannender. Zudem erfolgt das Ganze nur fünf Tage vor Weihnachten, ein Schneesturm tobt, aber das Restaurant hat bis zuletzt offen für Gäste.

“Letzte Nacht” wurde von vielen Kritikern als eines der wenigen gelungenen Beispiele für Arbeitswelt in der Literatur bezeichnet. Stewart O’Nan schafft in seiner Geschichte Menschen in ihrem Job sehr detailreich und spannend zu schildern. Der Autor wurde 1961 in Pittsburgh, Pennsylvania geboren und bevor er zum Sci-Fi Schriftsteller geworden ist, arbeitete er als Flugzeugingenieur.   

stewart O'Nan, Letzte Nacht, eine stadt ein buch
Bevor sich Stewart O'Nan für uns Zeit genommen hat, musste er noch Einiges erledigen (Foto: Stefan Diesner)

BIBER: Herr O’Nan, wie erinnern Sie sich an Ihre Anfänge? Haben Sie schon immer Sci-Fi und Horror-Geschichten geschrieben oder mit welchen Genres haben Sie angefangen?

Stewart O’Nan: Ich war 23 Jahre alt und habe in einer Lagerhalle für Schalldämpfer gearbeitet. Ich bin immer nach der Arbeit nach Hause gekommen, habe mir ein Bier geöffnet und versucht gute Sätze und Szenen zu schreiben. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch keine Ahnung wie man das macht, das musste ich erst mit den Jahren herausfinden. Und ja, ich habe gleich mit Horror Stories angefangen.

Waren Sie ein leidenschaftlicher Leser von Horrors und Sci-Fi?

Genau, das Lesen hat mich zum Schreiben gebracht. Ich hatte schon immer eine große Leidenschaft für Bücher, vor allem das Sci-Fi. Autoren wie Ray Bradbury oder Harlan Ellison waren meine ersten Helden. Später kam ich dann auch zum Flaubert oder Camus, aber dazu musste ich von anderen Schriftstellern motiviert werden. Damals haben sich viele gehobene Bücher sehr langsam angefühlt, das wollte ich ändern. Es mehr aufregend zu machen.

Haben Sie es schon in Ihren ersten Geschichten geschafft?

Meine ersten Geschichten waren sehr schnelle, laute und gewaltsame Bücher. Sie waren seltsam, komisch... Die Seltsamkeit, die ich von den anderen Horror und Sci-Fi Stories absorbiert habe, habe ich da reingelassen. Aber viele Andere haben das in der Zeit gemacht, sie wollten einen neuen Aufschwung geben.

Wer war der erste, der Ihre Geschichte gelesen hat und wie hat er reagiert?

Meine ersten Geschichten habe ich nur für mich selbst geschrieben. Keine von den habe ich fertig gemacht. Ich hatte eine Mappe voll von Geschichten, die ich niemandem gezeigt habe.

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie sich die Geschichten heute anschauen?

Ich denke nicht, dass ich die Stories heute lesen könnte. Zu einem Punkt habe ich der Cornell Universität alle meine Manuskripten geschenkt, weil ich sie mal gesehen habe und ich konnte sie nicht mal anschauen, und überhaupt nicht lesen! (lacht) Aber es war einfach ein Lernprozess – diese Selbstbildung. Ich denke, so machen das die meisten Schriftsteller.

Wie haben Sie sich als Autor während der Jahren entwickelt? Was waren die wichtigsten Sachen, die Sie mit der Zeit gelernt haben?

Die allerwichtigste Sache, die ich gelernt habe, war Lesen. Mein Lesen hat sich geändert und das Lesen war immer der Schlüssel zum guten Schreiben. Bevor ich Mitglied der AutorInnengruppe an der Cornell Universität wurde, habe ich AutorInnen wie Denise Johnson oder William Maxwell gar nicht gelesen. Diese haben meine Denkweise sehr beeinflusst. Auf einmal sah ich viele andere Wege, wie man schreiben kann. In einem Sommer habe ich mir alle Werke von Shakespeare, Virginia Woolf, Tolstoi und anderen russischen Klassikern durchgelesen. Sie alle wissen so viel über die Menschheit, sie verstehen die unheimlichen Gefühle, die Menschen haben – die, die sie vor Anderen nicht zugeben können.

Interessieren Sie sich auch für Psychologie als Wissenschaft oder wie schaffen Sie es Menschen zu verstehen?

Nein, aber wenn ich jemand wie Shakespeare lese, schaue ich vor allem auf die Charakters der Protagonisten. Genauso, wenn ich einen Film schaue oder Zeitungen lese: ich versuche immer den psychologischen Aspekt dahinter zu sehen.

In Ihrer ersten und zweiten Novelle schreiben Sie darüber, wie jemand seinen Geliebten tötet. Warum machen Menschen sowas?

In den Fällen war es Verzweiflung, Mangel an Selbstwert und der Glaube daran, dass man Wert hat, nur wenn man zusammen mit der anderen Person ist. Die Selbstbetrachtug der Hauptfiguren, ihre Identität, war nicht von ihnen selbst, sondern „Ich bin die Person, die mit dieser Person ist,“ und wenn sie dann diese Person verlieren, verlieren sie auch sich selbst.

Haben Sie jemals daran gezweifelt, dass sie ein guter Schriftsteller sind?

Naja, wer ist nun ein guter Schriftsteller? Manche Bücher werden gut sein, manche schlecht, aber man muss immer sein Bestes geben. Auch solche Autoren wie Virginia Woolf haben nicht immer nur gute Bücher geschrieben.

Lesen Sie Rezensionen von Ihren Büchern?

Manchmal schaue ich sie mir an, aber die meisten sind sehr kurz und gehen nicht in die Tiefe. Viel Kritik in den USA wird von Menschen geschrieben, die keine seriösen Kritiker sind. Außerdem verschwindet die Literaturkritik langsam aus den Zeitungen. Früher gab es eine ganze Sektion mit Buchrezensionen, jetzt fast gar nicht mehr. Aber nicht jedes Buch wird jedem gefallen, das ist klar. Kurt Vonnegut hat gesagt, dass 94 Prozent von allem Scheiße ist. Naja, ich bin mir ziemlich sicher, dass er sich nicht über sein eigenes Werk so fühlt! (lacht) Aber er hat in dem Sinne Recht, dass es schwer ist etwas Wahres zu schreiben. Etwas Interessantes, gut Geschriebenes und Wahres. Shakespeare hat das in fast allen seinen Werken geschafft, aber wir normale Autoren freuen uns, wenn wir es im Leben schaffen ein, zwei gute Bücher zu schreiben.

 

Verteilstellen:

http://einestadteinbuch.at/verteilstellen/

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