Türkisches Konsulat ruft Landsleute zum Spitzeln auf

22. April 2016

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Erdogan, Türkei, Klobrille
SEDAT SUNA / EPA / picturedesk.com

Ein Vorfall in den Niederlanden sorgt für Furore. Türkische Staatsbürger sollen Erdoğan-Kritiker bei ihrer Botschaft verpfeifen.  In der Tat gingen viele Meldungen ein. Jedoch bei der Oppositionspartei CHP, aus Sorge vor Verfolgung.

Nachdem sich Recep Tayyip Erdoğan über Jan Böhmermanns Schmähgedicht echauffiert hatte und ihn tatsächlich vors Gericht zerrte, scheint der türkische Präsident nun auf die Niederlande zu schielen.

Das türkische Konsulat in Rotterdam hat seine Staatsbürger im Land aufgefordert, jene zu melden, die ihren Präsidenten beleidigen oder kritisieren. Laut mehreren Medienberichten hat das Konsulat eine entsprechende E-Mail an alle türkischen Gruppierungen im ganzen Land geschickt. Vor allem soziale Netzwerke sollen sie durchforsten.

In dem Schreiben heißt es, dass man sich an eine offizielle E-Mail-Adresse wenden soll, wenn man den Verdacht hat, dass sich jemand über die Türkei oder das türkische Volk im Allgemeinen und den „geehrten Präsidenten“ abfällig oder beleidigend äußert.

Kritiker im Ausland zum Schweigen bringen
Es ist kein Zufall, dass die türkischen Behörden ausgerechnet nach Erdoğan-Kritikern in Deutschland und in den Niederlanden durchforsten. Beide Länder haben Gesetze, die strafrechtliche Konsequenzen für Personen beinhalten,  die sich beleidigend über einen ausländischen Staatschef äußern. Offenbar macht sich Präsident Erdoğan diese Regelungen zu Nutze, um seine Kritiker außerhalb der Türkei zum Schweigen zu bringen.

Türken sorgen sich wegen ihrer Facebook-Einträge
Tatsächlich haben viele Türken diese E-Mail zum Anlass genommen, sich zu melden: Und zwar beim niederländischen Büro der CHP, der größten türkischen Oppositionspartei. Sie seien besorgt über diese neue Form der politischen Verfolgung, weil sie sich in der Vergangenheit, etwa in Facebook, kritisch über Erdoğan geäußert haben, wie ein Sprecher der niederländischen Ausgabe von „Zaman“ erklärt.

„Unglückliche Wortwahl“
Nach der Veröffentlichung dieses Vorfalls, ist das türkische Konsulat in Rotterdam um Schadensbegrenzung bemüht. Es handle sich um ein Missverständnis. Der Aufruf stamme von einem Mitarbeiter, der eine „unglückliche Wortwahl“ benutzt habe, heißt es vom Konsulat.

Kein Vorfall in Wien bekannt
Ob diese E-Mail auch von der türkischen Botschaft in Wien an die hier lebenden Türken verschickt wurde, ist unbekannt. Dem Außenministerium liegen diesbezüglich keine Informationen vor. Auf eine biber-Anfrage bei mehreren türkischen Vereinen konnte man keine Antwort darauf geben. Man wisse von nichts, teilt ein Vereinssprecher mit.

Dennoch müsse man davon ausgehen, dass diese Aufforderung auch in die türkischen Vertretungen anderer europäischer Ländern eingegangen ist. So sagt der Bundesvorsitzende der Kurdischen Gemeinde Deutschland, Ali Toprak, dass es etwa auch in Deutschland eine Kampagne von Anhängern Erdoğans und seiner AKP gebe, beleidigende Beiträge der türkischen Cyberpolizei zu melden.

 

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