Vergewaltigung und Flüchtlinge

08. Februar 2016

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nikola, biber, kommentar
Foto: Hristina Micevska

Der Missbrauch eines Kindes im Wiener Theresienbad im Dezember schockiert und sorgt bei den Menschen für Verunsicherung. Es spricht vieles dafür, die Nationalität des Täters zu nennen,  nur schade, dass das mediale Interesse mehr dem Vergewaltiger und seiner Herkunft gilt als dem Problem der sexuellen Straftaten im Allgemeinen.

Der 20-jährige Iraker gab bei seiner Einvernahme zu Protokoll, er sei seinen „Gelüsten nachgegangen“ und konnte seiner „ausgeprägten, sexuellen Energie“ nicht nachgeben. Das sind die Worte eines seelisch kranken Mannes, die Josef Fritzl aus Amstetten wahrscheinlich nicht anders formuliert hätte. 

Es ist ein Thema, bei dem man um Worte ringt. Die Sätze geraten ins Stocken, man will sich bei einer sachlichen Diskussion nicht widersprechen oder gar in eine politische Ecke gedrängt werden. Trotzdem, die Vergewaltigung an einem 10-jährigen Jungen im Hallenbad durch einen irakischen Flüchtling ist abscheulich. Obschon die journalistische Verarbeitung dieser abscheulichen Tat eine Schwierigkeit darstellt, so steht dies im Vergleich zu den seelischen Qualen des Jungen und seiner Familie in keinem Verhältnis. Die journalistische Herausforderung liegt darin, dass abzuwägen ist, wie relevant Herkunft und der Bürgerstatus in einem Bericht sind.

Gibt es eine „irakische“ Vergewaltigung?

Wie wichtig ist die Nationalität bei einem Sexualstrafdelikt? Wird bei dieser Tat zwischen Österreicher, Ausländer und Flüchtling unterschieden, wenn ja, wem wäre es schwerer anzulasten? Es ist ein Balanceakt, bei dem oft das Vergewaltigungsopfer in den Hintergrund rückt, denn eine Vergewaltigung hat kein Herkunftsland. Dass der Fall von der Polizei aus „Opferschutzgründen“ nicht sofort verlautbart wurde, ist einerseits verständlich, schließlich sollte jeder Missbrauch mit angemessener Vertraulichkeit behandelt werden. Das Problem ist jetzt nur der Vorwurf, man habe es absichtlich verschwiegen, weil es sich bei dem Täter um einen Flüchtling handelt. Was diesen Fall also besonders brisant macht, ist der Zeitpunkt, nämlich nach den Ereignissen in Köln, und dass es bis zuletzt verschwiegen wurde. Diese zu verachtende Tat gerät durch die nationale Färbung  in den Hintergrund und wird zum Politikum. Man könnte also behaupten, dass das Ignorieren der Nationalität bei der Berichterstattung einen gegenteiligen Effekt beim Leser bewirkt. Die Lücke, die durch das Fehlen des Herkunftslandes entsteht, wird von rassistischen Wortführern gefüllt, was das Misstrauen gegenüber den Medien weiter vergrößert.

Mediale Hysterie

Wie wenig es tatsächlich um das Opfer und die Tat geht, zeigt auch die panische bis hysterische Berichterstattung über die angebliche Vergewaltigung der 13-jährigen Russin aus Marzahn-Hellersdorf in Deutschland, bei der sich herausstellte, dass sie lediglich bei Freunden übernachtet hat. Sie tauchte nach 30 Stunden wieder auf und behauptete, Opfer von drei Männern gewesen zu sein, was sich im Nachhinein als falsch erwies. Vergewaltigungsstorys von Flüchtlingen sind zu einem politischen Instrument geworden, das die Menschen zu reflexartigem Aktionismus verleitet. Dieser irrationale Tatendrang führte in diesem Fall sogar zu diplomatischen Verstimmungen zwischen Deutschland und Russland.

Wer eine endgültige Antwort in Bezug auf Sexualität und Flüchtlinge haben möchte, der verlangt etwas Unmögliches. Folglich sind es bei 90.000 Flüchtlingen auch ebenso viele Antworten, die sich einer Verallgemeinerung entziehen.

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