„Wir brauchen keine Eier – wir haben Pferdeschwänze“

14. Juni 2019

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Die Fußball-WM startete am 7. Juni in Frankreich. Foto: Pixabay

Wenn Frauen Gleichberechtigung wollen, sollen sie gleiche Leistungen wie Männer erbringen. So heißt es oft von männlicher Seite. Beim Frauenfußball vergessen sie dieses Prinzip. Genau wie sie die aktuelle Fußball-WM vergessen.

Alltag statt Ausnahmezustand

Ob Fußballfan oder nicht, während der WM wird man einfach von der Stimmung mitgerissen, sodass selbst Menschen ohne Sportkenntnisse schon in der Vorrunde gespannt mitfiebern. Während der WM herrscht immer Ausnahmezustand. Die Zeitungen kennen kein anderes Thema mehr, online gibt es Liveticker und auch im Büro sorgt das Match des Vorabends für Gesprächsstoff. Werbeprospekten wimmeln von Partysnackangeboten und sogar den neuen Flachbildfernseher bekommt man anlässlich der WM günstiger. Wenn Frauen zur WM auf dem Platz stehen ist das anders. Deshalb sorgt das Deutsche Nationalteam selbst dafür, dass ihre Gesichter und ihre Namen gekannt werden. In einem polarisierenden Werbeclip machen die Mädels eine Ansage an alle, die Frauenfußball noch immer nicht ernstnehmen: „Wir brauchen keine Eier, wir haben Pferdeschwänze“.

Der Hype ist da -  er wird nur nicht gesehen

Niemand interessiert sich für Frauenfußball? Es liegt wohl an der geringen medialen Aufmerksamkeit, dass nur die Wenigsten Wind von der WM der Frauen bekommen. Meine Freunde geben drei Jahre lang einen Scheiß auf Fußball, nie im Leben würden sie sich ein Bundesligaspiel anschauen. Aber alle vier Jahre mutieren sie für einen Monat zu grölenden Fußballfans. Dieser Ausnahmezustand, vom dem immer alle sprechen, ist ebenso bei dieser WM möglich, er findet aber nicht statt. Warum? Der potentielle Hype muss sichtbar gemacht werden. Das Gesicht der deutschen Mittelfeldspielerin Alexandra Popp muss auf das koffeininhaltige Erfrischungsgetränk, die Fußballschuhe von der nigerianischen Stürmerin Asisat Oshoala müssen aus dem Schaufenster heraus glänzen. Die fast ausschließlich männlichen Sportjournalisten sollten sich um Interviews mit der brasilianischen Stürmerin Cristiane Rozeira de Souza Silva reißen. Denn neben Leistung geht es auch um die Sichtbarkeit außerhalb des Spielfeldes. Die Leistung wird beim Frauenfußball ja ohnehin immer wieder kritisiert. Ich verstehe nicht warum, denn die Frauen trainieren genauso hart, sind genauso mit Herz bei der Sache und bringen genauso viele Opfer für den Sport, wie ihre männlichen Kollegen. Wieso sollte das Niveau bei Frauen, die sich auf gleichem Wege für eine WM qualifizieren wie Männer, ein anderes sein? Schaut euch ein Spiel an und urteilt dann. Ihr werdet feststellen, dass Frauenfußball ja gar nicht mit weiblichen Geschlechtsorganen gespielt wird, sondern- aufgepasst Newsflash – mit dem Fuß, genau gleich wie Männerfußball auch.

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Freude und Jubel ist nur was für Männer

Wie frau Fußball spielt hat das Team der USA am Dienstag mit einem 13:0 Sieg gegen Thailand gezeigt. Wow, was für ein Ergebnis. Es ist der höchste Sieg, den es jemals bei einer Fußballweltmeisterschaft gab. Habt ihr nicht mitbekommen? Kein Wunder, Schlagzeilen wie „Sensation: 13:0 Sieg der USA, das gab‘s noch nie“ sind reihenweise ausgeblieben. Auch wenn wenig über dieses Ergebnis berichtet wird, sei den Spielerinnen die Freude über diesen Erfolg doch gegönnt. Das sehen nicht alle so. Der Journalist Tom Harrington twitterte nach dem Spiel, dass der Jubel der Gewinnerinnen total unangebracht sei. Ein Mann hat also mal wieder einen Grund gefunden, der nichts mit der sportlichen Leistung zu tun hat, um Frauenfußball zu kritisieren. Ich kann mich an einen sehr hohen Sieg der deutschen Männermannschaft bei der WM 2014 gegen Brasilien erinnern. Mit einem Ergebnis von 7:1 darf Mann sich also noch freuen, bei 13:0 ist dann die Grenze überschritten. Liebe Männer, wenn ihr keine konstruktive Kritik habt und ihr nicht in der Lage seid, euch für die erfolgreichen Spielerinnen zu freuen, dann sagt doch bitte einfach gar nichts!

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Der Journalist Tom Harrington stört sich an der Freude der Spielerinnen über ihren Sieg. Foto: Twitter

Ungleiche Bezahlung und Sexismus

Gibt es einen schlecht verdienenden Profifußballer? Mir fällt spontan keiner ein. Was mir aber einfällt, sind alle weiblichen Fußballerinnen, die im Vergleich zu den Männern unterbezahlt sind. Die FIFA hat das Preisgeld für die diesjährige WM zwar verdoppelt, aber von gleicher Bezahlung sind wir noch immer weit entfernt. Die Frauen erhalten heuer eine Prämie, die 7,5 % derer entspricht, welche die Männer bei der WM im letzten Jahr erhalten haben. Diese Ungleichheit sorgte auch bei der aktuellen Weltfußballerin Ada Hegerberg schon vor einiger Zeit für Unmut. Aus Protest ist die Norwegerin aus der Nationalmannschaft zurücktreten und nimmt somit nicht an der WM teil. Als Hegerberg letztes Jahr den goldenen Fußball von Martin Solveig verliehen bekam, fragte er sie ernsthaft, ob sie jetzt twerken (Tanzstil mit ruckartigen Hüftbewegungen) wolle. Wäre Hegerberg nicht sofort das Lachen im Gesicht eingefroren, wäre seine nächste Frage womöglich gewesen, ob sie nicht lieber in der Küche, statt auf dem Fußballfeld steht. Damit hat der Moderator gezeigt, dass er die sportliche Leistung der Fußballerin nicht anerkennt, sondern sie lieber auf ihr Arschwackeln reduzieren würde. Hier eine kleine Anleitung für all jene, die sich nicht genauso sexistisch wie der Moderator verhalten möchten: Die WM wahrnehmen, Spiele anschauen, die sportliche Leistung anerkennen, darüber reden, die Fußballerinnen nicht auf ihr Geschlecht reduzieren, den gleichen Support wie letztes Jahr zeigen, Turnier genießen.

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