,,Wir sprechen sozusagen die gleiche Sprache''

18. Mai 2016

Hussain Mohammad war Maschinenbauingenieur in Syrien. Doch wie viele andere Flüchtlinge schaffte er es nicht, sich in den österreichischen Arbeitsmarkt zu integrieren. Das Programm „Mentoring für MigrantInnen“, das von den Wirtschaftskammern Österreichs, dem Österreichischen Integrationsfonds und dem Arbeitsmarktservice seit 2008 jährlich durchgeführt wird, soll das ändern. Hierbei unterstützen  MentorInnen qualifizierte Menschen mit Migrationshintergrund beim Einstieg in den Arbeitsmarkt. Einer dieser Menschen ist Mario Schindler. Und dieser wurde nicht nur Hussains Mentor, sondern auch sein Freund.


Interview von Sara Mohammadi

 

biber: Wie haben Sie beide zueinander gefunden?

Mario Schindler (MS): Ich habe mich Ende 2014 beworben. Ich habe gesagt: Ich möchte gerne etwas für Flüchtlinge machen und ein Freund hat mir von diesem Programm erzählt. Ich habe dann im Internet nachgeschaut, mich beworben, wurde angerufen. Ich habe dann meinen Lebenslauf geschickt und wurde interviewt. Anfang 2015 hat es dann einen Termin gegeben, wo ich die anderen Mentees kennengelernt habe und im September habe ich Hussain kennengelernt.

Hussain Mohammad (HM): Ich wollte meinen Beruf als Ingenieur weiter ausüben. Mario hat mir sehr den Rücken gestärkt und er hat mir mit seiner Erfahrung eine Richtung vorgegeben. Und wir haben zusammen geschafft, einen Job für mich zu finden.

MS: Also es ist so, dass man gematcht wird. Er ist Techniker, ich auch. So sind wir zusammengekommen. Wir sprechen ja auch sozusagen die gleiche Sprache: die technische Sprache.

 

biber: Warum haben Sie sich für dieses Programm entschieden?

MS: Als ich im Internet über dieses Programm gelesen habe, habe ich mir gedacht: Das möchte ich machen. Erstens, weil die Situation mit den Migranten in Österreich eine sehr aktuelle ist. Zweitens wollte ich auch mitreden können. Man hört so viel in den Medien, doch ich dachte mir: Ich will wissen, was wirklich los ist. Da habe ich jetzt die Chance mit jemanden aus einer anderen Kultur zusammenzutreffen. Wir haben jetzt auch eine Freundschaft aufgebaut, wir schaffen es auch, einander aufzubauen. Dazu lernt man auch andere Menschen kennen, die mit Flüchtlingen und Migranten zu tun haben. So bekommt man ein stärkeres Gefühl dafür, was in unserem Umfeld passiert.

HM: Ich habe in Saudi-Arabien mehr als sieben Jahre gearbeitet. Mitte 2013 sind meine Familie und ich nach Österreich geflohen. Ich habe einen  Deutschkurs besucht. Dann habe ich dieses Integrationsprogramm im Internet gesehen. Eine Bekannte sagte mir, dass das Programm wichtig für mich ist. In diesem Programm gibt es eine Technikergruppe, ungefähr sechs Personen.

 

biber: Was war das Wichtigste, das sie von ihrem Mentor gelernt haben?

HM: Er fragte mich immer: ,,Welches Ziel willst du?‘‘ Ich habe in verschiedenen Bereichen wie Maschinenbau und Technik gearbeitet, hatte vier, fünf verschiedene Jobs. Mario hat gesagt, ich muss ein Ziel haben. Und dieses muss ich verfolgen.

MS: Es ist darum gegangen: Herr Mohammad kann sehr viel. Er hat über 200 Leute geführt. Aber bei ihm und vielen anderen sind mal natürlich die Sprachkenntnisse wichtig. Dass er sich ausdrückt und das, was er kann, sprachlich rüberbringt. Dann hat er sich in den letzten Jahren sehr breit beworben. Da hab' ich gesagt, ich glaube nicht, dass das gut ist. Ich schlug vor, einen Karriereplan zu machen, seine Schwerpunkte, wie Sprachen, Führungsfähigkeit, technische Kenntnisse herauszufinden. Auch seine Kenntnisse vom arabischen Markt sind wichtig. Danach sollte er sich erst bewerben. Ich habe ihm dann seine Bewerbungsunterlagen verbessert. War aber auch ziemlich anstrengend. Zum Beispiel ist das Übersetzen von Zeugnissen aus dem Arabischen ins Deutsche nicht so leicht.

 

biber: Was war das Wichtigste, was Sie von ihrem Mentee gelernt haben?

MS: Es war interessant, jemanden aus einer anderen Kultur kennenzulernen. Es war für mich am Anfang wichtig festzustellen: Ich bin Christ, du bist Moslem, wie fundemental bist du, wie fundamental bin ich? Wie können wir miteinander umgehen? Das hat bei uns sehr gut funktioniert. Ich habe auch versucht, mich in ihn hineinzuversetzen und geschaut, ob ich das überhaupt kann, weil ich ja anders denke. Also habe ich sehr viel von ihm gelernt. Es war sehr schön und wir hatten viel Spaß.

 

biber: Und worin bestand die größte Schwierigkeit für Sie?

MS: Die Übersetzung der Zeugnisse (lacht). Und die Bewerbung richtigzustellen.

HM: Für mich war es die Sprache. ,,Ich‘‘ zum Beispiel. Auf Arabisch heißt es ,,Ana‘‘. Und auch die andere Kultur. In muslimischen Ländern sieht man es mit Haustieren anders, zum Beispiel. Aber andere Sachen sind wiederum gleich.

 

biber: Hat sich in ihrem Leben etwas seit diesem Programm geändert?

MS: Ja, die Einstellung. Man wird sensibler gegenüber Menschen, die zu uns kommen. Es ist nicht mehr schwarz-weiß. Keine Gedanken wie: Es sind lauter Flüchtlinge, die vor den Bomben fliehen oder umgekehrt, es sind lauter Böse, die uns Schlechtes bringen. Das stimmt nicht. Man bekommt ein Gespür dafür, was das Motiv ist. Und ich kann, wenn es zu einer Diskussion kommt, mitreden. Ich kann sagen: Du, pass auf, ich kenne welche. So wie du es glaubst, ist es einfach nicht.

 

biber: Würden Sie das Programm wieder machen?

MS: Ja, also ich schon. Mit ihm als Partner. (beide lachen)

HM: Ja.

 

biber: Worüber haben Sie beide sich am meisten geärgert?

MS: Über nichts. 

HM: Nichts. Alles hat gepasst.

 

biber: Jetzt ist das Programm zu Ende. Was machen Sie jetzt?

MS: Also wir haben beschlossen, weiterhin Kontakt zu haben. Weil  es ist ja nicht nur das Programm, wo man als Mentor helfen kann. Auch bei Terminen beim AMS oder auf der Suche nach Schulen für die Kinder, da kann man helfen. Da ich einfach das Land besser kenne. Und unsere Familien verstehen sich sehr gut.

 

biber: Was war euer schönster Moment zusammen?

MS: Wie er heute gesagt hat, dass er einen Job gefunden hat.

HM: Ja! Eine Firma für Bauunternehmen. Ich muss dann jeden Tag um fünf Uhr aufstehen.

MS: Das fällt dir schwer! (beide lachen)

HM: Ich hoffe, dass ich durch den Job eine gute Zukunft haben werde.

MS: Das ist mal der erste Schritt. Und es ist ein Managementjob, das ist sehr gut.

 

Biber: Würden Sie das Programm weiterempfehlen?

MS: Auf alle Fälle.

HM: Ja.

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