EM-Journal ´08 Das Finale

30. Juni 2008

Die beste Mannschaft des Turniers gewinnt es auch. Das ist nicht immer so. Vielleicht Brasilien 2002, davor Holland 1988, davor... egal. Ein tolles Finale also, weil das Richtige dabei rauskam. Und weil sich dieses Richtige auch im Spiel selber manifestierte.


  Bis auf die Anfangsphase, in die sie ein wenig zerfasert eintraten, war das spanische Team nie wirklich in Gefahr.

Man dominierte den Gegner mit genau dem, was bereits während des gesamten Turniers zu sehen war, gegen das aber niemand ein Mittel gefunden hatte.

Und das sind hochsympathische, rein fußballerische Tugenden. Es schwingt kein Makel mit wie sonst oft, wenn dann die vielleicht drittbeste Mannschaft grade mal so die vielleicht viertbeste besiegt, während die wirklich Besten schon vorzeitig draußen waren.

Diesmal paßt es - wie angegossen.
Als ob der Stein, den die Spanier mitbrachten um ihn auf den heurigen Euro-Ring zu setzen, wirklich der einzige war, der da ohne Rumzimmern, Hämmern und Schweißen einfach so klick macht und reinflutschte.

 
 
Der deutsche Stein von Martin Blumenau
  war auch schön anzusehen, aber dann doch zu wenig ausgefeilt.
Er wies zuviele Unebenheiten auf.

Das erste Spiel der deutschen Mannschaft machte sie zum Tages-Europameister, weil man weiß, wie gut sich dieses Team im Verlauf steigern kann.
Das zweite Spiel bremste diesen Vorstoß brutal ab - und das dritte überzeugte niemanden.

Dann gab es zu Beginn der Ko-Runde wieder ein sehr feines Match, und wieder dachte man, jetzt, wo's drauf ankommt, jetzt haun sie sich rein, die Nachbarn.
Und wieder kam der Absturz gegen die Türkei, ein schwaches Spiel, wie es selbst der "Kicker" coverte.

Und heute wurde es in Bereichen noch weniger, die erstaunten: keine echte Torchance in 90 Minuten, das war rumänisch.
Oder: sämtliche Standards elend vernudelt, das war österreichisch.

Sieger sehen anders aus.

 
 
 
Wie Spanien.
 
Und das eben nicht nur heute, sondern das gesamte Turnier über.
Großartig im Auftaktspiel gegen großartige Russen, sehr sehr gut gegen brave Schweden, siegreich mit dem B-Team gegen Dings, irgendwen, vergessen. Mutig und mit der richtigen Vorsicht gegen den - für Spanien tradtionell - schwerste Gegner, Italien und wieder großartig gegen zunehmend verzweifelt werdende Russen.

Heute im Finale griff Luis Aragones wieder auf das in der Quali so erfolgreiche 4-1-4-1 zurück. David Villa (übrigens Torschützenkönig in Abwesenheit) war ja verletzt ausgefallen, es passte also günstig.
Interessanterweise war das keine Reaktion auf das deutsche defacto-4-3-3, sondern eine reine Demonstration eigener Stärke.

Von der war dann heute hier in Wien erst nach einer Anfangsphase, in der man sich länger sortierte als sonst, also erst nach 23 Minuten die Rede, als das erste Zeichen, wie ernst man es meinte, daherschepperte.

 
 
 
Torres köpft an die Stange
  Das ist frech.
Die "kleinen" Spanier erheben Anspruch auf die Lufthoheit der Deutschen.

Diese Aktion brachte den Umschwung, riss das deutsche Spiel aus seiner hochkonzentriereten, auf die Poldi-Schweini-Flügelzange angestimmtes Angriffseuphorie.

Und führte zu einen klassischen Gegenanngriff samt Tor.
Die Abwehr legt Marcos Senna den Ball hin, der spielt vor in die nächste Reihe auf Xavi (heute mein "Man of the match") und der schickt Torres auf die Reise.

Alles schnelle, kurze genaue und kluge Passes, die zeigen, dass man die Laufwege und Schnittstellen kennt bzw ausfindig gemacht hat.
Das ließ diesen Ball bei Torres im Duell mit Lahm landen - bewusst.
Und das konnte der Kleine nicht gewinnen, auch weil Lehmanns (richtiger) Rettungsversuch ihn abbremste. Und da sich dieser dann um eine halbe Sekunde nicht ausging, was der Ball im Tor. Im Tor mit einem wichtigen Tor, dass dieses Spiel aus der Verwirrung löste.

Dann bekam der angewadelte Ballack dieses seltsame Cut (Köpfe-Aneinanderrasseln mit Senna) und das Spiel der Deutschen bröselt weg.

Als dann in der Pause auch noch Lahm drinnenblieb und Jansen kam, war zuviel deutsches Missgeschick am Platz.
Denn nach dem Rückfall von Poldi/Schweini hatte da keiner mehr Normalform, man zog sich gegenseitig runter.

 
 
 
Selbstsicherheit vs Derangiertheit.
 
In dieser spielentscheidenden Phase, als es nach 55, 60 Minuten an der Kippe stand, war Deutschland nämlich derangiert und unglücklich, während die Spanier mit großer Selbstsicherheit und Gelassenheit ihr Schicksal herausforderten.

Denn oft, nein, in Wahrheit eh nur manchmal (denn die deutschen Aussetzer bei Turnieren sind häufiger als die herausgerungenen Erfolge, das wird gern hochstilisiert) ist es dann ja so, dass genau in diesen Momenten das deutsche Gegentor reinspaziert.

Nur diesmal, ohne Standards, mit angeschlagenem Ballack und Frings, mit unsichtbaren Stürmern, mit schwächelnden Außen ... ?

Zwischen 60. und 63. Minute erspielte sich dieses in die Ecke gedrängte deutsche Team vier Szenen, aus denen nicht viel wurde. Und dann wars vorbei.

Dann kam Xabi Alonso für den heute schwachen Cesc und dann lieferte sich Podolski in seiner letzten relevanten Szene ein StirnanStirn-Duell mit Silva (sowas Dummes probiert er öfter, das muss ihm der Jogi-Onkel noch austreiben). Dann kam Cazorla für Silva und es spielten wieder nur noch die Spanier.

Denn: ihr grandioses 4er-Offensiv-Mittelfeld (mit Silva-Xavi-Fabregas-Iniesta vor Herrn Senna) ist um zumindest diese zwei Herren jederzeit erweiterbar, wenn es bei einem der vier Geniusse nicht so läuft.

Allerdings läuft es bei zumindest einem davon immer: Iniesta, Silva und Cesc haben jeweils mindestens bereits ein Spiel als Leader bestritten, heute fügte Xavi sein zweites dazu. Dergestalt sind sie nicht zu besiegen.

 

mehr auf fm4.orf.at/blumenau/223112/main

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