EM-Journal ´08 Tag 4

11. Juni 2008

 
 
Europameister des Dienstags: Spanien. von Martin Blumenau
 
Viermal an vier Tagen hintereinander passiert wirklich Ähnliches. Und dann führen vier Teams ihre Gruppe an, und genau diese vier Teams haben bislang titelreife Leistungen gezeigt. Klingt öde, oder?
Nein.
Dieses täglich grüßende Murmeltier ist mir höchst willkommen.

Spanien hatte mit Russland eine wirklich harte Nuss zu knacken und tat das ansehnlich, weil sie keinen einzigen echten Schwachpunkt offerierten. Das im Vorfeld schon als Fantastische Vier angekündigte Mittelfeld trat zwar nur zu dritt auf, hatte aber mit Senna hinter sich und der Doppelspitze Villa/Torres ebenso sensationelle Mitspieler. Und auch die oft schwache Abwehr ließ nicht viel zu.

Deshalb kam es zu einem wunderbar anzusehenden Spiel und zum Tagestitel.

 
 
Kann man für Griechenland nicht einfach z.B. England nachnominieren?
 
Das zweite Spiel kostete mich Beherrschung und Überlegung. Wie war das vor vier Jahren wirklich? Ich hab das ja teilweise verdrängt, weil es - substanziell gesehen - ja nicht wichtig ist. Griechenland spielte damals unattraktiv, ja, aber wie sehr? Und war ihr Mittelfeld nicht ähnlich gut strukturiert wie das italienische Sieger-Mittelfeld von 06? Schon, oder? Zagorakis war da noch dabei, gell?

Haben die Griechen damals, 04, den Ball minutenlang hin- und hergeschoben, aus reiner Verzweiflung über die Erkenntnis, dass sie damit nicht mehr anzufangen wüßten? Auch nicht, oder?

Es ist also passiert, womit nicht wirklich zu rechnen war: die Griechen haben ihr eigenes Andenken geschändet, mit einer peinlichen, lächerlichen und unwürdigen Vorstellung, einem Auftritt, der sofortigen Turnier-Ausschluß nach sich ziehen müßte.

Das hat auch ein Gutes: keine andere Mannschaft kann - selbst bei jetzt folgenden schwachen Auftritten - das bei dieser Euro unterbieten. Das ist denkunmöglich. Denn die Griechen werden als die erbarmungswürdigen Deppen dieses Jahrgangs heimfahren.

Aber der Reihe nach.

 
 
Spanien besiegt Russland 4 zu 1,
  viel zu hoch natürlich, wie schon gestern die Holländer gegen Italien.
Denn eigentlich sollte - vor allem nach Ansicht des zweiten Spiels - jedem klar sein, dass im ersten Spiel der 1. Runde in der Gruppe D die beiden besseren Nationalmannschaften zugange waren.

Und das obwohl die von Guus Hiddink trainierte russische Mannschaft es nicht rechtfertigen konnte, dass man sie als womöglichen Geheimfavoriten taxiert hatte.
Sein Team ist zwar technisch grandios und sehr selbstbewußt, man war taktisch erstaunlich unflexibel, stellte erst sehr sehr spät von einem 4-5-1 auf ein 4-4-2 um - untypisch für Hiddink, der seiner Teams normalerweise mit einem Wink auch intern effektiv rochieren lassen kann.

Vielleicht hat das damit zu tun, dass er sich heute gegen eine womöglich ein wenig offensivere 3-5-2 Grundformation entschied; die interessanterweise eine komplett andere Abwehr gebracht hätte - Hiddink hat eine Partie für die Viererkette und eine für eine Dreierabwehr (die Beresuzki-Brüder und Ignashevich) mit.
Das hat womöglich damit zu tun, dass ihm seine beiden besten Stürmer ausgefallen waren (Arshavin gesperrt, Pogrebnyak verletzt) und er außer Pavlushenko niemandem was zutraute.

In jedem Fall war das, was die Russen aufbieten konnten nicht stark genug für den Gegner. Einen Gegner, den Hiddink womöglich doppeln wollte, der aber dann offensiver aufgestellt war...
Ja, ich hör schon auf mit den Hiddink-Spekulationen.

 
 
Hochklassige Philosophien.
 

Bemerkenswert war vor allem mit wieviel Ball- und Kombinationssicherheit beide Teams zugange waren (die einen immer um 25% besser als die anderen), wie mit ein/zweimal-Berühren gespielt wurde, wie zielgerichtet aufgebaut wurde, wie fantastisch Bälle durchgesteckt wurden, in die Lücken des Gegners. Das hatte allesamt extrahohes Niveau. Auch wenn die Russen viele Bälle verloren - das ist Teil ihrer riskanten Spielanlage und allemal besser als der muffige Querpaß.

Dass in dieser hochklassigen Begegnung so viele Tore aus Kontern fielen hat im übrigen nichts mit Destruktivität zu tun, sondern mit einer durchaus ähnlichen Philosophie dieser beiden Teams, die sich der Offensive verschrieben haben.

Fast war mir dann so als würden sich Hiddinks Leute ein wenig hängen lassen, nach dem dritten Tor vor allem (die alte "isehwurscht"-Krankheit des Teams), aber dann ging doch noch ein Ruck durchs Team - und sie waren die ersten hier bei der Euro, die zwar ein Spiel verlieren, aber ein Gegentor erzielen können.

Während sich bei den Russen an diesem Tag eben genau niemand zu einer speziellen Leistung aufschwingen konnte, war das spanische Füllhorn knackevoll: Casillas war gut, Puyol wütend (also gut), Capdevila ganz famos, Senna der vorbildliche 6er dieser gesamten 1. Runde, Xavi eine tolle Drehscheibe, Torres gut und David Villa natürlich sensationell.

Den allermeisten Applaus verdient aber Andres Iniesta, der vor kurzem noch mit Kotzen (Lebensmittelvergiftung) beschäftigt war und eine unfaßbare Leistung brachte: einerseits rechts stören und forcieren, quasi gleichzeitig auch die Mitte beackern, und dann noch Bälle durchstecken und Passes schlagen als ob der exakte Winkel der jeweiligen Schnittstelle in einem Schummelzettel auf seinem Arm vermerkt wäre - unglaublich.

mehr auf http://fm4.orf.at/blumenau/222910/main

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